Münchner Forscher entdecken neuen Mechanismus der Zellteilung
Der Zellforscher Justus Duyster, Professor im Münchener Klinikum rechts der Isar, hat einen wichtigen Regulationsmechanismus der Zellteilung entschlüsselt. Seine Entdeckung wird morgen in der renommierten Fachzeitschrift "Cell" veröffentlicht. Dieses Grundlagenwissen könnte dazu beitragen, neue Therapien für Erkrankungen wie beispielsweise Krebs zu entwickeln.
Ein Taktstock namens NIPA
Einer der wichtigsten Prozesse in unserem Körper gibt nach wie vor Rätsel auf: die Zellteilung. Sie wiederholt sich im Laufe unseres Lebens mehrere Billiarden-mal. Sie sorgt dafür, dass aus einer befruchteten Eizelle ein Mensch entsteht, dass ausgefallene Haare nachwachsen und sich Wunden schließen. Die Kontrolle der Zellteilung unterliegt einem komplexen molekularen Prozess. Zwei Moleküle halten die fragile Balance aus Zellruhe und Zellteilung aufrecht: die Cyclin-abhängigen Kinasen (CDKs) und die Cycline. Kommt es zu einer Störung der Balance, gerät die Zelle außer Kontrolle: Es droht die ungehemmte Zellwucherung - Krebs.
Vor vier Jahren erhielten Hartwell, Hunt und Nurse für die Entschlüsselung dieser grundlegenden Mechanismen der Zellteilung den Nobelpreis. Sie beschrieben den Zusammenhang zwischen Cyclin-abhängigen Kinasen (CDKs) und Cyclinen. Die CDKs sind dabei das Orchester, das die Zellen der Partitur entsprechend durch die verschiedenen Phasen der Zellteilung treibt. Die Cycline stellen den Dirigenten, der den Takt vorgibt, die Lautstärke regelt und hin und wieder eine Pause ausruft. Dabei sind gerade die Ruhephasen wichtig für eine erfolgreiche Zellvermehrung.
Auf der Basis dieser Erkenntnisse fahnden Forscher in aller Welt weiter an der Aufklärung der Zellteilung. Nun fügten das Team von Prof. Justus Duyster im Klinikum rechts der Isar dem unvollständigen Bild der Zellteilung ein neues wichtiges Mosaiksteinchen hinzu. Sie entdeckten sozusagen den Taktstock des Dirigenten. Um eine Ruhephase aufrechtzuerhalten und die Zellteilung zu unterbinden, baut die Zelle einen Molekülkomplex auf, SCFNIPA genannt, der jegliche Teilungsaktivität blockiert. Soll eine Zellteilung eingeleitet werden, "montiert" die Zelle den Molekülkomplex wieder ab. Eine Pause, so entdeckten die Forscher, entsteht, indem die Menge des Enzyms Cyclin B1 heruntergeregelt und damit verhindert wird, dass Cyclin B1 das Enzym CDK 1 aktiviert: das Orchester bleibt stumm. Sind NIPA und SCF getrennt, steigt der Cyclin-Spiegel wieder. Dies geschieht genau in der Phase, in der die Zelle ihre DNA verdoppelt und damit die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Zellteilung schafft.
Blockiert man NIPA*, gerät das Orchester aus dem Takt. Cyclin B häuft sich in Übermenge im Zellkern an und leitet eine verfrühte Zellteilung ein. "Wenn sich die Zelle teilt, bevor die DNA vollständig verdoppelt und für den Transport in die Tochterzellen vorbereitet ist, könnten daraus zwei abnormale Zellen entstehen", erklärt Dr. Florian Bassermann, Erstauter der Studie. Prof. Duyster sieht hier einen potentiellen Erklärungsmechanismus für die Entstehung von Krebs. "Möglicherweise ist in einer Krebszelle NIPA aufgrund einer Mutation oder eines anderen chemischen Prozesses nicht mehr aktiv. Um das herauszufinden, möchten wir den NIPA-Status in verschiedenen Tumorgeweben untersuchen." Sollte sich herausstellen, dass bei einer oder mehreren Krebsarten der Mangel an NIPA eine entscheidende Rolle spielt, könnten neue Strategien in der Krebsbehandlung entwickelt werden.
*NIPA: nuklearer Interaktionspartner der anaplastischen Lymphom Kinase
Foto (siehe Anhang): Fotomontage mit Originalbildern der Zellteilung. In der Mitte sieht man den Zellkern (grüne Färbung des NIPA), unten die Zelle vor der Zellteilung. Der grüne Strich zeigt an, dass NIPA nun inaktiviert ist, die Zelle oben links ist bereits in die Zellteilung eingetreten. Die Zelle oben rechts befindet sich mitten im Zellteilungsprozess (rote Färbung zeigt den Spindelapparat an, die blaue Färbung die Chromosomen).
Beide Fotos erhalten Sie auf Anfrage in printfähiger Auflösung (Fotoquelle: Duyster, Klinikum rechts der Isar)
Originalarbeit:
NIPA defines an SCF-type mammalian E3 ligase that regulates mitotic entry
Florian Bassermann et al.
Cell, Volume 121, Issue 8, Seitenzahlen noch nicht bekannt (siehe auch: www.cell.com)
Über die 3. Medizinische Klinik im Klinikum rechts der Isar der Technische Universität München:
In der 3. Medizinischen Klinik behandelt ein erfahrenes Ärzteteam Patienten mit Blut- und Lymphdrüsenerkrankungen sowie Krebspatienten mit soliden Tumoren. Das Behandlungsspektrum schließt sowohl die konventionelle Chemotherapie mit ein als auch die Hochdosischemotherapie mithilfe von Stammzelltransplantation. Zusätzlich kommen Therapien zum Einsatz, die mittels biologisch aktiver Substanzen den Tumor gezielt bekämpfen. Dazu zählen beispielsweise Zytokine, monoklonale Antikörper und Inhibitoren. Weitere sogenannte molekulare Therapien zielen auf die Unterbrechung der für den Tumor wichtigen Signalwege. Eine große Rolle in der 3. Medizinischen Klinik spielt die Erforschung der Entstehung von Krebs und die Entwicklung neuer Therapien. So ist gewährleistet, dass Erkenntnisse aus der Forschung so schnell wie möglich den Patienten zugute kommen. Die Vision: Menschen behandeln, Krankheiten erforschen.
Wiederholt sich Billiarden-mal: die Zellteilung
None
Criteria of this press release:
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
transregional, national
Scientific Publications, Transfer of Science or Research
German
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