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06/22/1999 15:17

Religiöse Landschaft in Bewegung

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Viele Jugendliche bezeichnen sich heutzutage selbst als "nicht religiös". Trotzdem wollen sie auf gewisse Kulte der christlichen Kirche, wie Taufe oder Hochzeit, nicht verzichten. Dies geht aus einer Studie hervor, die Prof. Dr. Hans-Georg Ziebertz von der Universität Würzburg durchgeführt hat. Sie basiert auf einer Befragung von 728 Schülern in Unterfranken sowie rund 1.000 weiteren in Österreich und Holland.

    Demnach beschreiben sich 20 Prozent der 1.744 Befragten als religiös. 36 Prozent sind sich unsicher, 44 Prozent geben an, nicht religiös zu sein. Diese drei Gruppen wurden auch nach ihrer Einstellung zu Taufe, Hochzeit und Beerdigung gefragt. Dabei stellte sich heraus, dass jeweils rund 60 Prozent in einer Kirche heiraten, ihre Kinder taufen lassen sowie bei ihrem Begräbnis einen Priester dabei haben möchten. 15 bis 18 Prozent der Jugendlichen dagegen wollen diese drei christlichen Kulte aus ihrem Leben verbannt wissen. Der Rest der Befragten, jeweils etwa ein Viertel, ist sich unsicher.

    Prof. Ziebertz, Inhaber des Lehrstuhls für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts an der Universität Würzburg, stellte diese Ergebnisse in der vergangenen Woche bei einem Pressegespräch in der Universität am Sanderring vor. Seine Studie hatte Pilotfunktion für eine internationale Untersuchung über die Religionsstile Jugendlicher. Diese Untersuchung sollte nun bei einem von Prof. Ziebertz vom 16. bis 20. Juni organisierten Expertentreffen mit zehn Wissenschaftlern aus Europa, Südafrika und den USA vorbereitet werden. Unter anderem förderten die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Universitätsbund diese Zusammenkunft in Würzburg.

    Auffällig findet es Prof. Ziebertz, dass ein Großteil der Schüler, die sich als nicht religiös bezeichnen, dennoch eine kirchliche Heirat, die Taufe der eigenen Kinder und ein kirchliches Begräbnis bejahen. Das sieht er als Anhaltspunkt dafür, dass auch bei diesen Jugendlichen ein Bedürfnis nach Religiosität vorhanden ist.

    Mit einem entsprechenden Ansatz versuchen Wissenschaftler, die Religionsstile junger Menschen zu erklären: Sie leugnen nicht, dass es zur Abwendung von den christlichen Kirchen kommt. Doch sehen die Vertreter dieses Ansatzes die Gesamtsituation nicht zwangsläufig negativ. Neben dem "Abbruch" gebe es auch Zeichen für eine Vitalisierung der Religion. Die Wissenschaftler gehen von einer religiösen Praxis bei Jugendlichen aus, die sich nicht unbedingt mit dem kirchlich vertretenen Christentum deckt, aber viele Momente lebendiger Religiosität enthält, die dem christlichen Glauben neue Impulse geben können: "Die Kirche muss lernen, die Lebenswelt der heutigen Jugendlichen zu verstehen und darin Anknüpfungspunkte für eine religiöse Kommunikation zu suchen", so Prof. Ziebertz bei einem öffentlichen Symposion, das am 17. Juni im Rahmen des Expertentreffens in der Universität am Sanderring stattfand. Der erste Schritt in diese Richtung sei die Wahrnehmung, dass die religiöse Landschaft in Bewegung ist: "Die Kirchen befinden sich auf einem Markt mit anderen Anbietern von Weltanschauungen - ob ihnen dies passt oder nicht. Sie müssen marktfähiger werden."

    Der Pastoraltheologe Prof. Dr. Johannes Van der Ven (Holland) stellte bei dem Symposion Umfrageergebnisse vor, nach denen die meisten jungen Menschen nach wie vor an eine göttliche Kraft glauben. Allerdings werde dieses Göttliche in der Regel als eine anonyme Macht erfahren, die sich willkürlich zeigt und auch negativ wirken kann. Für die Jugendlichen habe dieses Gottesbild nichts mehr mit dem "einen und guten Gott" der Kirchen zu tun.

    Grundsätzlich spiele Religiosität auch heute noch eine zentrale Rolle: Prof. Dr. Leslie Francis aus England berichtete über seine Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Glück und Religion. Demnach fühlen sich Menschen, die sich selbst als religiös bezeichnen, glücklicher und gesünder als Menschen, die angaben, nicht religiös zu sein. Dr. Michael Krüggeler stellte eine Studie zur Glaubenslandschaft in der Schweiz vor: 95 Prozent der Eidgenossen lassen sich als religiös einschätzen - davon allerdings nur sieben Prozent mit einem traditionellen christlichen Glauben. Die Mehrheit konstruiert sich einen eigenen Glauben aus Elementen der unterschiedlichsten religiösen Bewegungen. Die Hauptquelle religiöser Orientierung bleibt für den Salzburger Religionspädagogen Prof. Dr. Anton Bucher jedoch weiterhin das Christentum, auch wenn es nicht mehr eine derart beherrschende Rolle spielen könne wie in der Vergangenheit.

    Aus den beim Symposion gesammelten Erkenntnissen haben die am Würzburger Religionspädagogik-Lehrstuhl versammelten Wissenschaftler in einer anschließenden Arbeitstagung die Grundlage für eine empirische Studie entwickelt, welche die Religionsstile Jugendlicher in den USA sowie in Südafrika und Europa untersuchen soll. Damit will der Initiator Prof. Ziebertz auch das Profil des Forschungsstandortes Würzburg im internationalen Netzwerk der empirischen religionspädagogischen Forschung weiter schärfen.

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Hans-Georg Ziebertz, T (0931) 888-4838, Fax (0931) 888-4840, E-Mail:
    hg.ziebertz@mail.uni-wuerzburg.de


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    Criteria of this press release:
    Philosophy / ethics, Religion, Social studies, Teaching / education
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research projects, Scientific conferences
    German


     

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