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06/25/1999 10:58

Einzigartige Quelle bayerischer Musikkultur - Geistliche und weltliche Musiksammlung wird zugänglich

Dr. Thomas Pleil Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

    Eichstätt ist um ein Denkmal der Musikkultur reicher. Eine wissenschaftlich wertvolle Musikbibliothek, die vor allem die geistliche und weltliche Musikgeschichte Eichstätts im 18. und 19. Jahrhundert dokumentiert, wurde jetzt zu großen Teilen in einem Katalog erfaßt und veröffentlicht. In der Universitätsbibliothek Eichstätt ist sie wissenschaftlich Interessierten zugänglich. Der Eichstätter Priester und Musikgelehrte Raymund Schlecht vermachte sie nach seinem Tod im Jahr 1891 dem Bischöflichen Domkapitel Eichstätt. Er hinterließ eine umfangreiche Sammlung von rund 3.500 Handschriften, Drucken sowie sonstigen Musikschriften und Manuskripten. Der Musikwissenschaftler Dr. Christoph Großpietsch hat den Katalog und einen Registerband in akribischer Kleinarbeit verfaßt.

    Bei der Präsentation des Katalogs dankte Domdekan Dr. Albert Hopfenbeck im Namen des Eichstätter Domkapitels allen, die mitgeholfen haben, die Musiksammlung in den vergangenen 20 Jahren wissenschaftlich zu erfassen. Eine Rekordzeit, wie Dr. Wolf-Dieter Seiffert, Cheflektor des Henle-Verlags, bei dem der Katalog erscheint, anmerkte. Als rekordverdächtig würdigte er das gesamte Katalogwerk. Denn mit fast 600 Seiten Umfang und rund 8500 Einträgen überträfe der Katalog alle anderen in seinem Verlag. Mit der Katalogisierung werde eine empfindliche Lücke der Musikgeschichte geschlossen, stellte Seiffert fest. Prof. Eberhard Dünninger, scheidender Generaldirektor der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken, lobte die Kirche für ihre Sorge um das geistige Erbe dieser Sammlung. Als unermüdlicher Förderer des Projekts gilt der leitende Direktor der Eichstätter Universitätsbibliothek, Dr. Hermann Holzbauer.

    Aufgrund der Richtlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) konzentriert sich der Katalog auf die 1.550 mehrstimmigen Musikmanuskripte aus der Zeit von ca. 1740 bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts. In Schlechts Musiksammlung finden sich einerseits "Handschriften" des 18. Jahrhunderts aus dem Umkreis der ehemaligen Eichstätter Hofkapelle, andererseits Handschriften, die im weitesten Sinn Musik im Stile des Caecilianismus ausmachen. Den bedeutendsten Teil der Sammlung stellen die ehemaligen Hofmusikalien dar, die die Aktivitäten des Eichstätter fürstbischöflichen Hofes in der Zeit von etwas 1740 bis 1802 auf vielfältige Weise widerspiegeln. Es finden sich auch Materialien aus der Zeit nach 1802, also nach der Aufhebung des Fürstbistums, als zunehmend ein bürgerliches Musikleben aufgebaut wurde. Bis vor einigen Jahren war der Wert dieser maßgeblichen Sammlung süddeutscher Hofmusikalien noch nicht allgemein bekannt. Während sich geistliche Musik aus dieser Zeit auch in den Beständen des Doms und der Benediktiner-Abtei St. Walburg wiederfindet, enthält die Musiksammlung Raymund Schlecht darüberhinaus Opern und andere Vokalwerke, Orchester- und Kammermusik aus Eichstätt.

    Der Königlich-Geistliche Rat und Vorstand des "Schullehrerseminars" in Eichstätt, der Pädagoge, Musikgelehrte und Musiksammler Raymund Anton Schlecht (1811-1891) setzte sich für die Wiederbelebung der alten katholischen Kirchenmusik ein. Er steht in einer Reihe mit Sammlern wie Carl Proske (1794-1861), Johann Georg Mettenleiter (1812-1858), Bernhard Mettenleiter (1822-1901) und Franz Xaver Haberl (1840-1910). Schlecht wurde am 11. März 1811 als Sohn eines Kammerdieners in Eichstätt geboren, besuchte vier Lateinklassen der königlichen Studienschulen Eichstätt. Der Besuch des Neuburger Gymnasiums weckte sein musikalisches Engagement. Dort begegnete er seinem Mitschüler und begabten Musiker Johann Georg Steger. Über Steger machte Schlecht Bekanntschaft mit den Beständen der ehemaligen Eichstätter Hofkapelle. Nach dem Besuch des Lyceums in Regensburg trat Raymund Schlecht 1833 in das Eichstätter Bischöfliche Seminar St. Willibald ein. 1834 wurde er zum Priester geweiht. 1836 war Schlecht Präfekt und erster Seminarlehrer im kurz zuvor gegründeten Eichstätter Schullehrerseminar. Zu seinen Schülern zählte auch der später angesehene Pädagoge Ludwig Auer, der die pädagogische Bildungseinrichtung, das "Cassianeum" in Donauwörth gründen sollte. In diesen Jahren entstanden zahlreiche musikwissenschaftliche Aufsätze vor allem zur lokalen Musikgeschichte, zur Gregorianikpraxis und zu musiktheoretischen Schriften des Mittelalters. Besonders interessant sind zwei Werke: Eine Geschichte der Kirchenmusik von 1871 und eine handschriftlich überlieferte Musikgeschichte Eichstätts von 1883. Seine Leistung als Musikhistoriker für die Musikgeschichtsschreibung des Eichstätter Hofes und der Stadt Eichstätt wird in der Fachwelt hoch geschätzt. Raymund Schlecht starb am 24. März 1891. Seine komplette Musiksammlung vermachte er gemäß Paragraph 3 seines Testaments dem Eichstätt Domkapitel. Domdekan Hopfenbeck wies darauf hin, daß mit dem Abschluß der Katalogisierung die testamentarische Verfügung erfüllt sei. Denn Schlecht wollte mit seiner Bibliothek Material zum Studium der Musikgeschichte bereitstellen.

    Das Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Katholischen Universität Eichstätt wurde maßgeblich vom Bischöflichen Domkapitel und von der Diözese Eichstätt unterstützt. Damit sollte das geistige Erbe dieser Sammlung bewahrt, gepflegt und weitergegeben werden. Mit den vorliegenden Bänden ist die Musikbibliothek Raymund Schlecht noch nicht erschöpfend erschlossen. In zwei Jahren wird der "Katalog der Musikdrucke aus der Sammlung Raymund Schlecht" veröffentlicht.

    Die Musiksammlung Raymund Schlecht ist in der Reihe 11 der "Kataloge Bayerischer Musiksammlungen" erschienen, die von der Generaldirektion der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken herausgegeben wird. Die Reihe 11 behandelt die Musikhandschriften in Eichstätt. Zu dieser Reihe gehört Band 1: "Der Thematische Katalog der Musikhandschriften in Eichstätt. Benediktinerinnen-Abteil St. Walburg und Dom". Mit den Bänden 2 und 3 in dieser Reihe kann nun die Universitätsbibliothek Eichstätt den "Thematischen Katalog der Musikhandschriften der Sammlung Raymund Schlecht" vorlegen. Band 2 ist der 585 Seiten umfassende Katalog, Band 3 das Register mit rund 200 Seiten. Beide Bände des Autors Dr. Christoph Großpietsch sind im Münchner Henle-Verlag publiziert.


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    Criteria of this press release:
    Art / design, Music / theatre
    transregional, national
    Research projects, Scientific Publications
    German


     

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