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06/30/1999 15:45

Summer Academy Dortmund: Skeptischer Blick in die Region und Aufbrechen neuen Selbstverständnisses

Ole Lünnemann Referat Hochschulkommunikation
Universität Dortmund

Die Stadt Dortmund und die Region Ruhrgebiet stehen heute im Mittelpunkt des Interesses bei den 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Summer Academy an der Universität Dortmund. Nach einem Vortrag von Prof. Dr. Kunzmann über den Strukturwandel an der Ruhr, fuhren die jungen Leute aus elf Partnerhochschulen in neun Ländern zu einem Empfang ins Rathaus. Für den Nachmittag stehen eine Stadtrundfahrt und eine Besichtigung des Technologieparks auf dem Programm.

Kunzmann ging in seinem Vortrag zunächst auf die Industriegeschichte des Ruhrgebietes ein, das erst vor wenigen Jahrzehnten auch zu einer Hochschullandschaft wurde. Der Experte für europäische Raumplanung, der seit Jahren große Industrieregionen vergleichend analysiert, stellte heraus, daß sich die Bevölkerung an der Ruhr nach dem Niedergang des Kohleabbaus und der Stahlproduktion als bodenständig erwies und nicht in großem Umfang abwanderte. Gleichzeitig ist das Revier über mehr als zwei Jahrzehnte geprägt von der politischer Stabilität sozialdemokratischer Regierungen und von der Macht großer Konzerne. Diese haben ihr Engagement verlagert auf Energiewirtschaft, Autoproduktion und Maschinenbau, sie wenden sich auch den Zukunftsfeldern der Umwelttechnologie, Telekommunikation und Informationstechnik zu.

Zu den starken Kräften des öffentlichen Sektors gehören - so Kunzmann - auch die großen Gewerkschaften, die Industrie- und Handelskammern und die WAZ-Gruppe auf dem Mediensektor. Als weniger effizient charakterisierte er demgegenüber Institutionen wie den Kommunalverband Ruhr, die Hochschulen, die CDU, Regionalkonferenzen und lokale Initiativen. Innovativkraft sei seit Jahren insbesondere erkennbar bei der Internationalen Bauausstellung (IBA), mit Fragezeichen auch beim Initiativkreis Ruhrgebiet, der "IBA von Unten", der Emscher-Lippe-Agentur und gelegentlich bei den Grünen.

Hemnisse für eine durchgreifende Strukturreform sieht Kunzmann in den Machtgefügen und der Selbstergänzung der politischen Klasse im Zusammenspiel mit den eher traditionellen Arbeitermilieus. Dem Ruhrgebiet fehle weitgehend Urbanität und ein bürgerliches Milieu. Das Image des Ruhrgebiets sei außerordentlich blaß gegenüber dem der Rheinschiene. Intellektuelle Debatten fänden an der Ruhr so ungut wie nicht statt. Es fehle an Gründergeist und Flagschiff-Projekten.

Bis in die siebziger Jahre sei es für die meisten Menschen an der Ruhr oft entscheidend gewesen, der Gewerkschaft beizutreten und über den Arbeitsplatz hinaus auch mit der Wohnung und mit sozialem Umfeld versorgt zu sein. In dieser Mentalität sei die Bereitschaft zu Eigeninitiative und Dienstleistungen die Ausnahme.

Am Ende dieses Jahrhunderts muß es laut Kunzmann in erster Linie darum gehen, die Arbeitsplätze im Ruhrgebiet nicht nur zu sichern, sondern solche in großer Zahl neu zu schaffen. Er kritisierte insbesondere das Fehlen jeder regionalen Vision und nannte als Parade-Beispiel die Pläne, gleichzeitig in Dortmund, Bochum und Essen je eine Philharmonie zu bauen. Anstatt durch Bündelung von Kräften das Beste - sozusagen die Primadonna - zu schaffen, sei das Nebeneinander des Mittelmaßes der Normalfall. Der Egoismus der Städte wird für Kunzmann dadurch begünstigt, daß niemand Druck auf das Ruhrgebiet insgesamt ausübe. Es gebe keinen gemeinsamen Feind des Reviers und deshalb kein gemeinsames Aufbegehren.

Als Beispiele für eine kulturelle Aufwertung der Region an der Ruhr nannte er dagegen die von der IBA in der ganzen Region vorangebrachte Umwandlung von Industrieanlagen zu Kulturbühnen und Parkanlagen, insbesondere den Landschaftspark Duisburg-Nord. Auch wenn hier nur eine begrenzte Zahl neuer Jobs geschaffen werde, so sei hier doch ein Wandel im Selbstbewußtsein, im Selbstverständnis und Image des Reviers unverkennbar.

Bereits am Dienstag hatten die Studierenden aus Dänemark, Großbritannien, Israel, den Niederlanden, Polen, Rußland, Tansania, Tschechien und den USA Kontakt zu den Fachbereichen der Universität Dortmund aufgenommen, in denen sie selbst an ihren Heimatuniversitäten eingeschrieben sind.


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Addendum from 06/30/1999

Wir bitten, die Absätze 3 bis 7 gegen diese mit dem Referenten abgestimmten und allen zitierfähigen neuen Absätze 3 bis 7 auszutauschen:

Zu den starken Kräften des öffentlichen Sektors gehören - so Kunzmann - auch die großen Gewerkschaften, die Industrie- und Handelskammern und die WAZ-Gruppe auf dem Mediensektor. Es fehle an innovativen Kräften in der Region. Innovativkraft sei seit Jahren insbesondere erkennbar bei der Internationalen Bauausstellung (IBA) und gelegentlich auch bei den Grünen. Ansonsten seien es immer die Rezepte der Vergangenheit, die die Strategien der Städte bestimmten.

Hemnisse für eine durchgreifende Strukturreform sieht Kunzmann in den Machtgefügen und der Selbstergänzung der politischen Klasse im Zusammenspiel mit den eher traditionellen Arbeitermilieus. Dem Ruhrgebiet fehle Urbanität und ein offenes bürgerliches Milieu. Das Image des Ruhrgebiets sei außerordentlich blaß gegenüber dem der Rheinschiene. Intellektuelle Debatten fänden an der Ruhr so gut wie nicht statt. Es fehle noch an Gründergeist.

Bis in die siebziger Jahre sei es für die meisten Menschen an der Ruhr vor allem wichtig gewesen, mit einer Wohnung und mit sozialem Umfeld versorgt zu sein. In dieser Mentalität sei die Bereitschaft zu Eigeninitiative und Dienstleistungen die Ausnahme.

Am Ende dieses Jahrhunderts muß es laut Kunzmann in erster Linie darum gehen, neue Arbeitsplätze im Ruhrgebiet zu schaffen. Er kritisierte insbesondere das Fehlen jeder regionalen Vision und nannte als Parade-Beispiel die Pläne, gleichzeitig in Dortmund, Bochum und Essen je eine Konzerthalle zu bauen. Anstatt durch Bündelung von Kräften das Beste - sozusagen ein Leutturmprojekt - zu schaffen, sei das Nebeneinander des Mittelmaßes der Normalfall. Der Egoismus der Städte wird für Kunzmann dadurch begünstigt, daß niemand Druck auf das Ruhrgebiet insgesamt ausübe. Es gebe keinen gemeinsamen Feind des Reviers und deshalb vielleicht auch kein gemeinsames Handeln.

Als Beispiele für eine kulturelle Aufwertung der Region an der Ruhr nannte er dagegen die von der IBA in der ganzen Region vorangebrachte Umwandlung von Industrieanlagen zu Kulturbühnen und Parkanlagen, insbesondere den Landschaftspark Duisburg-Nord. Auch wenn hier nur eine begrenzte Zahl neuer Jobs geschaffen werde, so sei hier doch ein Wandel im Selbstbewußtsein, im Selbstverständnis und Image des Reviers unverkennbar, vor allem aber in den Köpfen von Besuchern der Region.


Criteria of this press release:
interdisciplinary
regional
Miscellaneous scientific news/publications, Studies and teaching
German


 

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