idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
07/13/1999 08:47

HWWA-Prognose:

Ina Hormuth Öffentlichkeitsarbeit
HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung Hamburg

    HWWA-Prognose:

    Allmähliche Erholung der Konjunktur in Deutschland

    In Deutschland beginnt sich die Konjunktur allmählich von den Auswirkungen der Finanzkrisen in Asien, Rußland und Lateinamerika zu erholen. Die durch die Produktionseinbrüche in den Krisenregionen hervorgerufene Abschwächung im Export, die den konjunkturellen Rückschlag ausgelöst hatte, scheint überwunden. Die Auftragseingänge aus dem Ausland sind bereits seit Ende letzten Jahres aufwärtsgerichtet, und in den ersten Monaten dieses Jahres ist auch die Warenausfuhr wieder leicht gestiegen. Mit nachlassenden retardierenden Einflüssen vom Export beginnen sich auch in der Binnenkonjunktur wieder Auftriebskräfte durchzusetzen. So haben die Inlandsaufträge der Investitionsgüterhersteller, die im Winterhalbjahr als Folge der verschlechterten Absatz- und Ertragserwartungen im Export, aber auch einer Verunsicherung über den finanzpolitischen Kurs der neuen Bundesregierung, deutlich gesunken waren, in den letzten Monaten wieder angezogen. Vom Arbeitsmarkt gibt es dagegen noch keine positiven Signale. In den letzten Monaten hat sich die Zahl der Arbeitslosen saisonbereinigt sogar wieder erhöht; ein leichter Rückgang in Westdeutschland wurde durch einen Anstieg in Ostdeutschland mehr als wettgemacht.

    Gestützt wird die Konjunktur in Deutschland wie auch in den anderen europäischen Ländern durch die günstigen monetären Rahmenbedingungen. Sie haben sich in diesem Jahr insgesamt sogar nochmals verbessert. So hat die Europäische Zentralbank (EZB) Anfang April die Leitzinsen deutlich gesenkt. Mit nominal wie auch real sehr niedrigen Zinsen am kurzen Ende und einer deutlich expandierenden Geldmenge wirkt die Geldpolitik spürbar expansiv. Die langfristigen Zinsen haben die Senkung der Leitzinsen nur begrenzt nachvollzogen. In der letzten Zeit haben sie in Erwartung einer - inzwischen erfolgten - Zinserhöhung in den USA sogar wieder angezogen, gleichwohl sind sie im längerfristigen Vergleich immer noch niedrig.

    Angesichts der moderaten Konjunkturentwicklung in der EWU und eines weiterhin ruhigen Preisklimas ist ein Kurswechsel in der Geldpolitik vorerst wenig wahrscheinlich. Eine leichte Straffung der geldpolitischen Zügel wird im Frühjahr 2000 erwartet, aber auch dann wird die Geldpolitik alles in allem noch leicht anregend wirken. Bei den Kapitalmarktzinsen wird sich - nach zeitweiliger Beruhigung in den nächsten Monaten - zum Jahresende hin in Europa eine leichte Aufwärtstendenz herausbilden. Ausschlaggebend dafür ist ein Anstieg der Kapitalnachfrage an den internationalen Finanzmärkten. Einen Unsicherheitsfaktor bildet die Schwäche des Euro an den Devisenmärkten. Sie ist zum Teil Ausdruck nachlassender zur Konsolidierungsanstrengungen in einer Reihe von EWU-Ländern, mehr noch aber Folge des anhaltenden Konjunktur- und Zinsgefälles zwischen den USA und der EWU. Das Zinsgefälle hat sich jedoch zumindest am Kapitalmarkt in der letzten Zeit bereits wieder etwas verringert, und das Konjunkturgefälle wird sich mit der Festigung der Konjunktur in Europa und einer ruhigeren Gangart in den USA spürbar zurückbilden. Von daher ist bei der Prognose unterstellt, daß der Druck auf den Euro in der zweiten Jahreshälfte 1999 nachläßt.

    Die von den Krisenregionen ausgehenden dämpfenden Einflüsse auf die Weltwirtschaft lassen spürbar nach. Für die USA wird zwar eine Verlangsamung der konjunkturellen Expansion erwartet, auch dann ist aber noch mit merklichen Impulsen für die deutsche Ausfuhr zu rechnen. In den meisten europäischen Ländern beginnt sich die konjunkturelle Expansion aufgrund der anhaltend günstigen monetären Rahmenbedingungen und nachlassender retardierender Effekte im Außenhandel wieder zu verstärken. Alles in allem wird sich somit das weltwirtschaftliche Umfeld weiter verbessern. Überdies stärkt die Schwäche des Euro die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Anbieter gegenüber Konkurrenten außerhalb des Euro-Raums. Zwar steigen aufgrund der kräftigen Lohnerhöhungen in diesem Jahr die Lohnstückkosten wieder, die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Anbieter wird dadurch aber selbst gegenüber Konkurrenten aus dem EWU-Raum im allgemeinen nicht beeinträchtigt.

    Die Finanzpolitik ist schon wegen der Vielzahl der ergriffenen Maßnahmen in ihrer Wirkung auf die Konjunktur derzeit schwer abzuschätzen. Legt man als Kriterium die unmittelbaren Effekte auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zugrunde, so dürfte sie in diesem Jahr per saldo kaum anregend wirken. Zwar werden die privaten Haushalte entlastet, dem stehen aber Mehrbelastungen bei den Unternehmen gegenüber. Für das kommende Jahr ist aufgrund eines Verfassungsgerichtsurteils mit spürbaren Steuerentlastungen für Familien zu rechnen. Gleichzeitig hat die Regierung ein Sparprogramm vorgelegt, das bereits im Jahr 2000 zu Einsparungen in Höhe von rund 30 Mrd. DM im Bundeshaushalt führen soll. Zum Teil handelt es sich dabei lediglich um die Streichung oder Streckung geplanter Vorhaben und um Lastenverlagerungen auf andere Haushalte; auch sind einige der von den Ressorts zugesagten Kürzungen als globale Minderausgaben noch nicht näher spezifiziert. Gleichwohl dürfte - bei Umsetzung des Sparpakets - der Anstieg der Staatsausgaben im Jahre 2000 stark gedrosselt werden, und die Finanzpolitik dürfte insgesamt leicht kontraktiv wirken.

    Der Streit um die Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer und die Einführung einer Ökosteuer sowie das Hickhack um die 630-Mark-Jobs und die Scheinselbständigkeit haben Investoren und Konsumenten verunsichert und zu einem Verlust an Vertrauen in die Wirtschaftspolitik geführt. Das nun vorgelegte Sparpaket reicht allein sicher noch nicht aus, verspieltes Vertrauen zurückzugewinnen; es ist aber - bei durchaus berechtigter Kritik im einzelnen - ein Schritt in die richtige Richtung. Notwendig ist darüber hinaus eine rasche Entscheidung zur Reform der Unternehmensbesteuerung, die auch vor dem Verfassungsgericht Bestand hat.

    Nach drei Jahren moderater Lohnentwicklung hat sich der Lohnanstieg in diesem Jahr spürbar beschleunigt. Damit nehmen auch die Arbeitskosten verstärkt zu; die Entlastungen durch die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge wird durch die stärkeren Lohnsteigerungen überkompensiert. Die höheren Lohnabschlüsse verbessern für sich genommen die Kaufkraft der Arbeitnehmerhaushalte und stärken damit den privaten Konsum. Sollten die nächsten Lohnrunden ähnlich hohe oder sogar noch höhere Abschlüsse bringen, ergäben sich allerdings über kurz oder lang negative Auswirkungen auf die Arbeitskräftenachfrage und die Investitionsentscheidungen der Unternehmen. Gegen eine nachhaltige Verstärkung des Lohnauftriebs spricht nicht zuletzt die nach wie vor unbefriedigende Situation am Arbeitsmarkt. Auch dürfte das Argument eines "Nachholbedarfs" nach den kräftigen Lohnsteigerungen dieses Jahres keine große Rolle mehr spielen.

    Angesichts der günstigen monetären Rahmenbedingungen und der spürbaren Besserung des weltwirtschaftlichen Umfeldes dürfte sich in Deutschland die konjunkturelle Expansion schon bald verstärken und an Breite gewinnen. Der Export wird dank der Nachfragebelebung im Ausland und der wechselkursbedingten Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Laufe dieses Jahres wieder merklich anziehen und im nächsten Jahr etwa im Ausmaß des Welthandels steigen. Die Binnennachfrage wird derzeit zwar noch von den Nachwirkungen der Exportschwäche und der Verunsicherung durch die Finanzpolitik beeinflußt. Im Laufe der zweiten Jahreshälfte wird aber auch sie an Dynamik gewinnen. Der private Verbrauch wird zügig expandieren; in diesem Jahr erhält er vorrangig Impulse aus den kräftigen Lohnsteigerungen, im nächsten Jahr auch durch einen Beschäftigungsanstieg und die steuerliche Entlastung von Familien. Mit der Verbesserung der Absatz- und Ertragserwartungen im Export wird sich die Investitionstätigkeit verstärken. Schließlich ist, gefördert durch den Anstieg der Realeinkommen und die günstigen Finanzierungsbedingungen, zumindest für Westdeutschland auch eine Wende in der Bautätigkeit zu erwarten. Alles in allem wird das reale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland - auf der Basis des neuen ESVG 95 - in diesem Jahr um 1,6 %, im Jahre 2000 um 2,4 % steigen (vgl. Tabelle). Die Zahl der Arbeitslosen wird dabei relativ stark abnehmen. Das ist allerdings in erster Linie auf einen spürbaren Rückgang des Arbeitskräfteangebots zurückzuführen. Die Beschäftigungssituation wird sich nur langsam verbessern.
    Hamburg, 12.07.1999 Telefon 040 42834 354


    Images

    Criteria of this press release:
    Economics / business administration
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).