Kinder, die vom Schulbesuch zurückgestellt und verspätet eingeschult werden, errei-chen dadurch keinen nachweisbar besseren Schulabschluss. Auch ihre Wahrschein-lichkeit, eine Klasse zu wiederholen, sinkt offenbar nicht, so eine aktuelle Untersu-chung des RWI Essen. Kinder sollten daher nicht ohne triftigen Grund vom Schulbe-such zurückgestellt werden. Zudem legen die Ergebnisse nahe, dass die bisher für die Einschulung gültige Stichtagsregelung die individuellen Reifeunterschiede der Kinder teilweise nicht genügend berücksichtigt.
Eine spätere Einschulung beeinflusst offenbar weder den später erreichten Schulabschluss noch die Wahrscheinlichkeit, eine Klasse zu wiederholen. Michael Fertig und Jochen Klu-ve analysierten Daten des "Junge-Erwachsenen-Längsschnitts", der rund 2.800 Personen aus Ost- und Westdeutschland umfasst, die zwischen den Jahren 1966 und 1980 einge-schult wurden. Diese wurden in den Jahren 1991 bis 1995/96 rückblickend zu ihrer Kind-heit und Jugend befragt. Dabei wurden auch sozio-demographische Merkmale erhoben, wie beispielsweise Informationen zum Eltern-Kind-Verhältnis, die Zahl der Geschwister und der Bildungshintergrund der Eltern.
Im Mittelpunkt der Untersuchung stand das Einschulungsalter. In (West-)Deutschland gilt die Regel, dass alle Kinder eingeschult werden, die bis zum 30. Juni eines Jahres ihr sechstes Lebensjahr vollendet haben. Kinder, die zwischen dem 1. Juli und 1. August ei-nes Jahres sechs Jahre alt werden, beginnen üblicherweise erst im darauf folgenden Jahr mit der Schule. Bei Nachweis ihrer "Schulreife" können diese Kinder jedoch auch im glei-chen Jahr mit der Schule starten. Zudem gibt es weitere Ausnahmen, die ein frühzeitiges Einschulen oder Zurückstellen in Einzelfällen ermöglichen. In der vorliegenden Studie werden insbesondere Kinder betrachtet, die verspätet eingeschult wurden. Dies ist beson-ders deshalb interessant, weil das schlechte Abschneiden deutscher Schüler im Rahmen der Pisa-Studie teils auf das hohe Durchschnittsalter bei Schuleintritt zurückgeführt wur-de.
Einschulungsalter beeinflusst den Schulerfolg nicht
Der Bildungserfolg der Schüler wurde anhand zweier Indikatoren gemessen. Als kurzfris-tiges Maß galt, ob ein Schüler in seiner Schullaufbahn eine Klasse wiederholt hat. Als Maß für den längerfristigen Bildungserfolg wurde der erreichte Schulabschluss verwendet. Die Auswertung der Daten mit Hilfe ökonometrischer Methoden ergab, dass eine spätere Einschulung keinen signifikanten Einfluss auf den Bildungserfolg hat. Dies galt sowohl für die Wahrscheinlichkeit, eine Klasse zu wiederholen, als auch für den erreichten Bil-dungsabschluss. Hinsichtlich des erreichten Schulabschlusses zeigte sich stattdessen, dass dieser anscheinend stark mit dem Bildungshintergrund der Eltern verbunden ist - je höher ihr Abschluss ist, desto höher ist tendenziell auch der ihrer Kinder. Aber auch das Eltern-Kind-Verhältnis in der frühen Kindheit spielt eine nicht unbedeutende Rolle.
Kinder nicht ohne dringenden Grund zurückstellen
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse erscheint es nicht angebracht, Kinder ohne trifti-gen Grund vom Schulbesuch zurückzustellen. Zudem wird die bisher angewandte Stich-tagsregelung, die das physische Alter des Kindes als Reifemaß benutzt, dem individuellen Entwicklungsstand der Kinder offenbar teilweise nicht gerecht. Individuelle Schulein-gangstests könnten hier voraussichtlich zu besseren Ergebnissen führen.
Ihre Ansprechpartner dazu:
Dr. Jochen Kluve, Tel.: (0201) 8149-202
Dr. Michael Fertig, Tel.: (0201) 81 49-201
Sabine Weiler (Pressestelle), Tel.: (0201) 81 49-213
Die Untersuchung mit dem Titel "The Effect of Age at School Entry on Educational At-tainment in Germany" ist als RWI : Discussion Paper 27 unter www.rwi-essen.de/dp als pdf-Datei erhältlich.
Criteria of this press release:
Economics / business administration, Law, Politics, Social studies
transregional, national
Research results
German
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