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09/15/2005 08:55

Der Rest vom Paradies

Dipl.-Ing. Margarete Pauls Kommunikation und Medien
Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung

    Wie wichtig sind Wale und Robben für die polaren Ökosysteme?

    Die Polargebiete gehören zu den unwirtlichsten Gegenden der Erde, und doch leben hier die größten Tiere - im Meer. Der Grund für die Vielzahl von Walen und Robben in Arktis und Antarktis schien bisher in dem scheinbar unerschöpflichen Nahrungsreichtum zu liegen. Nun mehren sich Hinweise, dass die Großsäuger ihr Überleben vor allem der Menschenfeindlichkeit dieser Gebiete verdanken und einstmals viel weiter verbreitet waren. Und es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass in den gemäßigten Meeren ihr Verschwinden tief greifende Veränderungen des gesamten Ökosystems nach sich zog.

    Ein besseres Verständnis der ökologischen Bedeutung von Walen und Robben ist nach Ansicht von Prof. Dr. Victor Smetacek vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung und Dr. Stephen Nicol von der tasmanischen Universität in Hobart, Australien, eine wichtige Voraussetzung für Prognosen zum Wandel der polaren Ökosysteme im Rahmen eines globalen Klimawandels. In einem jetzt im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlichten Beitrag stellen die Forscher die These auf, dass die großen Meeressäuger einen formenden und stabilisierenden Einfluss auf marine Ökosysteme haben und einst in allen Meeren weit verbreitet waren.

    Ähnlich wie der Fischreichtum afrikanischer Binnengewässer entscheidend von den Flusspferden abhängt, prägen Großsäuger vielleicht auch in den kältesten Meeren der Erde ihren Lebensraum. Schon jetzt ist klar, dass das Bild von kurzen Nahrungsketten mit wenigen beteiligten Organismen eine zu stark vereinfachte Sicht polarer Ökosysteme ist. Die Produktivität in Arktis und Antarktis ist vergleichbar hoch wie in den Meeren der gemäßigten Breiten. Große Unterschiede finden sich allerdings beim Vergleich zwischen Arktis und Antarktis mit Blick auf die Verfügbarkeit von Nährstoffen und auf die Schlüsselorganismen der Nahrungskette. In der Antarktis begrenzt vor allem die Verfügbarkeit von Eisen das Wachstum im System. Der in ungeheuren Mengen auftretende Krill, eine Krebsart, bildet eine wesentliche Nahrungsgrundlage der größeren Tiere. In der Arktis nehmen Fische die ökologische Bedeutung des Krills ein, die Produktivität der arktischen Meere wird häufiger durch die Verfügbarkeit von Nährstoffen begrenzt. Weitgehend ungeklärt ist in jedem Fall die Bedeutung der großen Säugetiere in den kältesten Meeren der Erde, welchen Einfluss ihre Fraßtätigkeit und ihre Ausscheidungsprodukte auf die Stabilität der Ökosysteme haben.

    Besser verstanden ist die Rolle der großen Säugetiere an Land. Nicht nur in Ostafrika prägten große Pflanzenfresser entscheidend ihren Lebensraum. Vor dem Erscheinen des modernen Menschen waren sie weltweit verbreitet. Mit der Ausrottung der Mammute und fast aller Landgroßtiere in Europa, Asien, Amerika veränderten sich auch die Landschaften. Heute soll in Sibirien durch Wiederansiedlung großer Pflanzenfresser die alte Mammutsteppe renaturiert werden, ähnliches schlagen US-Forscher für Nordamerika vor.

    Mit der Erfindung der Schifffahrt brachte das Landtier Mensch den Exodus auch in die Meere. Die Ausrottung des europäischen Grauwals und der Steller'schen Seekuh im Nordpazifik sind ebenso Beispiele hierfür wie der drastische Rückgang fast aller anderen Großtiere in den Meeren der gemäßigten Breiten. Am längsten überlebten die Riesen der Tierwelt in den für Menschen unzugänglichen Regionen der Erde. Ein weitgehend intaktes Ökosystem und Restbestände früherer Vielfalt erhielten sich vor allem in Arktis und Antarktis, den polaren "Serengetis", und vor allem hier ist eine Erforschung der Wechselwirkungen zwischen marinen Großsäugern und ihrer Umwelt heute noch möglich - und nötig.

    Denn mit dem weltweiten Anstieg der Temperaturen verändern sich auch die polaren Gebiete, wobei die Veränderung aufgrund der Unterschiede in Geographie und Funktion des Ökosystems in Arktis und Antarktis vermutlich nicht gleichartig verlaufen wird. Ein besseres Verständnis der ökologischen Bedeutung der Großtiere in den Meeren ist eine Voraussetzung, um sinnvolle Maßnahmen zu Schutz und Erhalt dieser Gebiete durchführen zu können.

    Bremerhaven, den 15. September 2005
    Bitte senden Sie uns bei Veröffentlichung einen Beleg.

    Hinweise für Redaktionen:
    Quelle: NATURE (437). Ihr Ansprechpartner ist Prof. Dr. Victor Smetacek (Tel.: 0471 4831-1440; E-Mail: vsmetacek@awi-bremerhaven.de), und in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Dr. Andreas Wohltmann (Tel.: 0471 4831-1680; E-Mail: medien@awi-bremerhaven.de). Druckbare Bilder finden Sie auf unserer Webseite unter http://www.awi-bremerhaven.de/AWI/Presse/PM/index-d.html.

    Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der gemäßigten sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der fünfzehn Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.


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    Auch er wird einmal zu den Großen gehören: junger Seeelefant.
    Auch er wird einmal zu den Großen gehören: junger Seeelefant.
    Foto: H. Bornemann, Alfred-Wegener-Institut
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    Nutznießer oder auch Bewahrer: Buckelwale im Polarmeer.
    Nutznießer oder auch Bewahrer: Buckelwale im Polarmeer.
    Foto: Alfred-Wegener-Institut
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    Criteria of this press release:
    Biology, Environment / ecology, Geosciences, Information technology, Oceanology / climate, Social studies
    transregional, national
    Research projects, Scientific Publications
    German


     

    Auch er wird einmal zu den Großen gehören: junger Seeelefant.


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