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09/15/2005 15:30

GDCh-Präsident zur Forschungs- und Bildungspolitik sowie zur Neustrukturierung von Forschung und Lehre

Dr. Renate Hoer Abteilung Öffentlichkeitsarbeit
Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.

    GDCh-Pressekonferenz am 12. September 2005 in Düsseldorf
    Statement des GDCh-Präsidenten, Professor Dr. Henning Hopf

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    alle zwei Jahre veranstaltet die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) an wechselnden Universitätsstandorten ihre Jahrestagung. An der Düsseldorfer Universität sind wir nunmehr zum ersten Mal seit unserer Gründung 1949. Den zahlreichen Teilnehmern wird bis einschließlich Mittwoch ein umfassendes wissenschaftliches Programm geboten, das unter dem Motto "Chemie schafft neue Strukturen" steht. Wir wollen in dieser Pressekonferenz aufzeigen, was wir unter diesem Motto verstehen.

    Unseren Jahrestagungen haben wir 2001 eine neue Struktur gegeben. Seitdem gestalten ganz maßgeblich unsere 25 Fachgruppen und Sektionen das wissenschaftliche Programm, auf das Professor Ritter, unser Vor-Ort-Organisator vom Institut für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie, noch genauer eingehen wird.

    Lassen Sie mich heute, so kurz vor der Bundestagswahl, ein wenig über Politik sprechen. Natürlich werden wir keine parteipolitischen Empfehlungen abgeben. Aber die Forschungs-, die Bildungs- und die Umweltpolitik sind die drei Bereiche, die uns Chemikern besonders am Herzen liegen, und die GDCh bringt sich hier immer wieder durch Stellungnahmen, Empfehlungen und Kommentare ein - auch in die Europa-Politik; hier zumeist über die EuCheMS, die European Association for Chemical and Molecular Sciences, in der sich 50 wissenschaftliche Gesellschaften in Europa zusammengeschlossen haben. Die GDCh ist übrigens mit 27.000 Mitgliedern die zweitgrößte Gesellschaft in der EuCheMS, die insgesamt 150.000 Chemiker und Chemikerinnen vertritt.

    Unsere Sorge gilt vor allem den Forschungs- und Bildungsetats in Deutschland und Europa. In Zeiten knapper Kassen wird leider in Forschung und Bildung nicht in dem Maße investiert, wie es für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und Europas wünschenswert wäre. So hatte die EU-Kommission zwar vorgeschlagen, den Forschungsetat zu verdoppeln. Die EU-Ratspräsidentschaft will aber das für das 7. Forschungsrahmenprogramm vorgesehene Budget um rund 50 Prozent kürzen. Dies lehnt die GDCh entschieden ab. Europa braucht Forschung und Entwicklung der Spitzenklasse, um im Wettbewerb gegen Nordamerika und Asien zu bestehen, was ich gleich noch einmal aufgreifen werde.

    Deutschland gibt 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung aus. Das seit Jahren angestrebte Ziel von 3 Prozent wurde bislang nicht erreicht. Auch im Wahlprogramm der CDU findet sich diese magische Zahl wieder, angestrebt für 2010. Außerdem ist zu lesen, dass die jährlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung zusätzlich zur beschlossenen Exzellenzinitiative um 1 Mrd. Euro erhöht werden sollen. Beide großen Parteien betonen in ihren Wahlprogrammen die enorme Bedeutung von Forschung, Entwicklung und Innovation in unserem Land und wollen sich für technologische Spitzenfelder engagieren. Es wurde erkannt, dass Innovationen Arbeitsplätze schaffen, und das ist wohl das Ziel, dass sich alle Parteien auf die Fahnen geschrieben haben.

    Die eben bereits erwähnte, erst kürzlich verabschiedete Exzellenzinitiative, durch die unsere Hochschulen mit 1,9 Mrd. Euro gefördert werden, um ihr Profil zu stärken und im weltweiten Wettbewerb besser bestehen zu können, begrüßt die GDCh natürlich sehr. Wir hätten uns allerdings ein höheres Finanzvolumen erhofft und weniger Bund/Länder-Gerangel bei der Vorbereitung und im Entscheidungsprozess. Gespannt sein darf man auf die Auswahl der förderungswürdigen Hochschulen bzw. Hochschulinstitute und auf die dortigen thematischen Schwerpunkte. Ich befürchte, dass es dabei auch böses Blut geben wird. Es wird schwierig, das Geld gerecht zu verteilen.

    Die Neustrukturierung von Forschung und Lehre in Europa ist zur Zeit ungemein spannend.

    Ausgangspunkt aller gegenwärtigen Strukturüberlegungen ist, dass Forschung und Lehre in Zukunft nicht mehr national, sondern transnational, europäisch organisiert sein müssen. Nur so werden die europäischen Länder den weltweiten Wettbewerb bestehen und gestalten können. Dabei wird davon ausgegangen, dass es drei große Forschungsräume gibt: Nordamerika (im Wesentlichen die USA), Asien (China, Indien, Japan) und Europa. In diesem Räumen ist auch die chemische Industrie besonders hoch entwickelt und leistungsfähig.

    Im Rahmen der universitären Ausbildung streben die europäischen Länder eine sog. European Higher Educational Area an, die durch das Bologna Protokoll gestaltet wird und bis 2010 etabliert sein soll. Kernpunkt dieses Reformvorhabens ist die Etablierung der Bachelor/Master-Studiengänge in ganz Europa für alle Fächer. Nach einem dreijährigen Studium wird mit dem Bachelor-Examen abgeschlossen, das einen ersten Einstieg in den Beruf erlaubt. Diejenigen Studierenden, die an der Hochschule verbleiben wollen, erwerben im anschließenden Studienabschnitt den Master-Grad (der das in vielen Fächern vorhandene klassische Diplom ersetzen wird) und beginnen danach ggf. mit der Anfertigung einer Doktorarbeit. Besonders gute Studenten können den Master "überspringen" und gleich mit dem Promotionsstudium beginnen.

    Die wichtigste Änderung gegenüber den herkömmlichen Studiengängen ist das Bachelor-Examen. Nicht nur werden durch diesen ersten berufsqualifizierenden Abschluss Studienortswechsel innerhalb des europäischen Universitätssystems leichter als in der Vergangenheit (Vergrößerung der Mobilität), sondern vor allen Dingen wird erstmals ein Ausgang für diejenigen jungen Menschen geschaffen, die nicht unbedingt eine Karriere als Forscher anstreben.

    In der Chemie hat man sich traditionell um die "Abbrecher" nicht gekümmert; man nahm einen "Schwund" von rund 40% in Kauf, solange genügend Forschungsnachwuchs vorhanden war. Schon aus Effektivitäts- und Kostengründen kann es nicht länger hingenommen werden, dass rund 40% aller Anfänger in einem nicht billigen Studiengang sang- und klanglos verschwinden. Aber selbst wenn es gelänge, all diese Studierenden dem klassischen Abschluss in der Chemie, der Promotion, zuzuführen, stellt sich die Frage, ob der Arbeitsmarkt eine derartig hohe Zahl klassischer Akademiker überhaupt aufnehmen könnte. Die Antwort dürfte nein sein, zumal immer mehr kleine und mittlere Firmen realisieren, dass sie - wenn sie einen Chemiker, eine Chemikerin einstellen - die hohe Qualifikation der Promotion nicht benötigen. Ähnliches gilt für diejenigen, die die Hochschule verlassen und gar nicht in einem Chemiebereich tätig werden (Versicherungswesen, Banken, Informatikberufe, Politik, Verwaltung). Mit dem Ausscheiden mit einem Bachelor-Grad wird es der Hochschule in Zukunft im Übrigen besser gelingen, nach Öffnung der Universität für alle ("Demokratisierung, Chancengleichheit") diesen Bereich zu strukturieren. Eine nach Leistungsstufen gegliederte Hochschule ist aber Voraussetzung für jede Art von universitärer Elitebildung.

    Parallel zu diesen Entwicklungen, die in der Chemie in Deutschland bereits weit gediehen sind und auch ein entsprechend organisiertes hochwertiges Evalutionssystem erfordern, hat vor einigen Jahren und in neuester Zeit verstärkt der Aufbau eines europäischen Forschungsrats begonnen (ERC - European Research Council). Dieser Rat wird für Europa eine ähnliche Rolle übernehmen, wie sie die Deutsche Forschungsgemeinschaft in der nationalen Forschungspolitik spielt. Der ERC wird aber keinesfalls an Stelle der DFG treten, sondern eine vorher nicht vorhandene europäische Infra- und Förderstruktur für Grundlagenforschung bieten. Er soll dazu beitragen, dass die EU-Forschungsmittel sinnvoll und nach Exzellenzkriterien vergeben werden, und soll den Wettbewerb in der europäischen Forschung fördern. Mit der jüngst erfolgten Berufung der Kommissionsmitglieder ist der ERC jetzt in sein entscheidendes Stadium gerückt.

    Die Jahrestagung hier in Düsseldorf zeigt, dass solche interdisziplinären Forschungsarbeiten in den letzten Jahren ein immer stärkeres Gewicht erhalten haben. Die alten Forschungsstrukturen wurden aufgebrochen. Doch als Wissenschaft bleibt die Chemie die Chemie - das Wissen um stoffliche Zusammensetzung und um stoffliche Veränderungen.


    More information:

    http://www.gdch.de


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    Criteria of this press release:
    Biology, Chemistry
    transregional, national
    Science policy, Studies and teaching
    German


     

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