Von der 10. Fachgruppentagung Sozialpsychologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Jena (26.09.05) Rolls Royce gehört zu den Luxuskarossen, Porsche zu den Sportwagen und der Fiesta zu den Kleinwagen. Schemata oder Stereotype gibt es für fast alles - bei Dingen ebenso wie bei Personen. In nahezu allen Lebensbereichen hilft uns die Einteilung in Kategorien, unsere komplexe Umwelt schnell zu verstehen und uns in ihr angemessen zu verhalten. Dazu erwerben wir im Laufe unseres Lebens "Stereotype" über derartige Kategorien. In diesen Kategorien fassen wir unser (vermeintliches) Wissen über Eigenschaften von Mitgliedern dieser Gruppe zusammen.
Im zwischenmenschlichen Bereich verfügen wir über eine große Palette von Kategorien, um unsere soziale Umwelt ordnen zu können. Männer, Handwerker, Senioren, Muslime, Schalke-Fans sind mögliche Beispiele für solche Kategorisierungen. Mit derartigen sozialen Kategorien sind allerdings Erwartungen an bestimmte Eigenschaften verbunden, wie Durchsetzungswille bei Männern gegenüber emotionaler Nähe bei Frauen.
Doch solche Klischeebildungen bringen bekanntlich auch große Probleme mit sich, wie heute während der 10. Fachgruppentagung Sozialpsychologie an der Universität Jena diskutiert wurde. Stereotype sind im Langzeitgedächtnis gespeichert und beeinflussen unser Verhalten im Alltag oft ohne unsere bewusste Kontrolle. So können soziale Stereotype die Wahrnehmung und Verarbeitung solcher Informationen erleichtern, die zu bestehenden Stereotypen passen. Andererseits erschweren sie die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen, die im Widerspruch zu stereotypen Erwartungen stehen. "Mehrdeutige Informationen werden im Sinne bestehender Stereotype interpretiert, und eine bewusste Unterdrückung von Stereotypen etwa mit dem Ziel, sich nicht durch Alters- oder Geschlechterstereotype beeinflussen zu lassen, ist nur eingeschränkt möglich und kann gar zu Bumerang-Effekten führen", erläutert PD Dr. Thorsten Meiser von der Uni Jena.
Soziale Stereotype können nämlich auch die Grundlage für Vorurteile und Diskriminierung bilden, wenn die wahrgenommenen Unterschiede mit einer Abwertung einhergehen. Die Sozialpsychologen haben ermittelt, dass Menschen hochgradig sensitiv für Zusammenhänge in ihrer Umwelt sind, dass sie aus gelernten Regelhaftigkeiten und wahrgenommenen Zusammenhängen aber oftmals falsche Schlussfolgerungen, "Scheinkorrelationen" ableiten. Diese "falschen" Stereotype entstehen zum Beispiel, wenn der Studienort von Studierenden mit einer Bewertung von Leistungen zwischen männlichen und weiblichen Studierenden verbunden wird. Wenn an Universität A die Mehrheit der Studierenden männlich ist und an Universität B die Mehrheit weiblich, und wenn darüber hinaus an Universität A bessere Studienabschlüsse gemacht werden als an Universität B, so wird hieraus leicht der Schluss gezogen, dass männliche Studierende besser sind als weibliche. Diese Schlussfolgerung beruht auf einer "Scheinkorrelation" und kann falsch sein. Im Beispiel können die weiblichen Studierenden innerhalb der Universitäten A und B genauso gut oder auch besser abschneiden als ihre männlichen Kommilitonen. Dennoch bilden solche Scheinkorrelationen eine Grundlage zur Bildung neuer oder zur Beibehaltung und Stärkung bestehender Stereotype.
Bis vor kurzem wurde in der sozialpsychologischen Forschung davon ausgegangen, dass die Bildung derartiger "falscher" Stereotype auf einer verzerrten oder unzureichenden Verarbeitung von Informationen beruht, zum Beispiel auf einer einseitigen Gewichtung seltener Informationen im Langzeitgedächtnis oder auf einer Vernachlässigung von Kontextfaktoren bei der Urteilsbildung. Während der Jenaer Tagung hat heute (26.09.) u. a. PD Dr. Thorsten Meiser dazu neue Forschungsergebnisse präsentiert. Sie zeigen, dass die Erinnerung nicht einseitig verzerrt sein muss und dass relevante Informationen nicht übersehen werden müssen, um solche falschen Stereotype zu bilden. "Im Gegenteil", so Meiser, "verfügen Menschen über ein hohes Maß an Sensitivität für Zusammenhänge in ihrer sozialen Umwelt, auch für Kontextfaktoren in komplexeren Umgebungen, und sie berücksichtigen diese gelernten Zusammenhänge in ihrer Urteilsbildung". Genau hierdurch kann es aber zu Fehlern kommen, wenn die gelernten Zusammenhänge falsch zusammengesetzt werden. Im obigen Beispiel: Es werden Zusammenhänge zwischen Geschlecht und Universität und zwischen Universität und Studienleistung gebildet. Dabei wird die Kontextvariable "Universität" nicht einfach ignoriert, wie früher angenommen wurde. Allerdings wird aus den beiden einzelnen Zusammenhängen auf einen Zusammenhang zwischen Geschlecht und Studienleistung geschlossen, was zu Fehlurteilen führen kann.
Die Ursache für die Wahrnehmung von Scheinzusammenhängen liegt also nicht in einem verzerrten Lern- oder Gedächtnisprozess, sondern in einer fehlenden Kontrolle darüber, wie gelernte Zusammenhänge zu Urteilen integriert werden können. Die Sozialpsychologen gehen daher nun von einem "metakognitiven Defizit" aus. Es besagt, dass Menschen sehr gut darin sind, Regelhaftigkeiten und Zusammenhänge in ihrer Umwelt zu erkennen, sie allerdings nur in unzureichendem Maße über die Fähigkeit verfügen, ihre darauf aufbauenden Urteilsprozesse zu kontrollieren und zu korrigieren.
In zukünftigen Untersuchungen will die von Dr. Meiser geleitete Nachwuchsforschergruppe an der Universität Jena nun unter anderem analysieren, welche individuellen Persönlichkeitsmerkmale die Anfälligkeit gegenüber der Bildung falscher Stereotype begünstigen oder ihr entgegen wirken.
Man kann klischeehafte Vorstellungen dennoch verändern - aber nur langsam, wie in anderen Untersuchungen gezeigt wurde. Die Veränderung ist am ehesten durch Informationen erfolgreich, die die Stereotype nur moderat in Frage stellen. Widerspricht eine Information einem bestehenden Stereotyp extrem, so wird sie als Sonderfall - als eine "Ausnahme von der Regel" - aus dem Stereotyp ausgegrenzt, das Klischee als Ganzes jedoch beibehalten oder sogar bestärkt. Werden Personen jedoch mit mehreren Informationen konfrontiert, die einem Stereotyp leicht entgegenwirken und nicht als Ausnahmen ausgegrenzt werden können, so kann das Stereotyp schließlich aufgeweicht werden. "Kein Stereotyp muss bis in die Ewigkeit unverändert bleiben", macht Meiser Hoffnung.
Criteria of this press release:
Psychology
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Research results, Scientific conferences
German
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