Mathematiker der Universität Jena sind am 30. September Gastgeber für den 4. Thüringer Geometrietag
Jena (29.09.05) Die Architekten des Domes von Florenz und anderer gotischer Bauwerke konnten meisterhaft mit Zirkel und Lineal umgehen und nutzten die Geometrie nach allen Regeln der Kunst. Mit dem Goldenen Schnitt, jenem besonderen Verhältnis von zwei Strecken unterschiedlicher Länge zueinander, gaben sie Kirchenportalen, Fenstern und ganzen Häuserfronten fast ideale Proportionen. Selbst Jahrhunderte später empfindet der Betrachter diese Architektur als etwas besonders Harmonisches und Schönes. Das Geheimnis der gotischen Baumeister beschäftigt auch die Teilnehmer des 4. Thüringer Geometrietages, der am Freitag (30.09.) an der Friedrich-Schiller-Universität Jena stattfindet. Der Lehrstuhl für Geometrie von Prof. Dr. Eike Hertel am Mathematischen Institut ist dabei Gastgeber für Geometer aus ganz Mitteldeutschland, aber auch aus Ungarn, Tschechien und Österreich.
"Wie für Architekten so ist die Geometrie auch für Maschinenbaukonstrukteure, Kartografen, selbst für Modedesigner und Künstler ein wichtiges Werkzeug", beschreibt der Mathematiker sein Spezialgebiet. Selbst in der Computertechnik, bei der Bildverarbeitung und der Medizintechnik gehe im Prinzip nichts ohne die Geometrie. Das Stichwort sei "diskrete Geometrie", die eine Gerade als Summe unzähliger einzelner, diskreter Punkte beschreibt. "Aus einer Vielzahl solcher diskreter Punkte besteht jedes Computerbild. Dabei ist es egal, ob es sich um ein dreidimensionales Modell eines Werkzeuges handelt, um Bilder von der Erde, die im Weltraum aufgenommen wurden, oder um Gewebeschnitte, die mittels Computertomografie erzeugt wurden", erklärt er. Auch nach genetischen Defekten sucht heute keine Laborantin mehr am Mikroskop, sondern am Computer, der die Rasterpunkte einzelner Genbausteine abtastet und miteinander vergleicht. "Ohne die digitale Geometrie wäre das nicht möglich", sagt Hertel.
Auf dem 4. Geometrietag werden deshalb unter anderem Probleme diskutiert, die bei der Anwendung der Geometrie in der modernen Bildverarbeitung entstehen. "Die Tagung wird sich aber auch mit schwierigen theoretischen Fragen unseres Fachgebietes beschäftigen und Anregungen für den Geometrieunterricht an den Schulen geben", sagte Organisationsleiter Dr. Christian Richter.
Der Geometrieunterricht an den Schulen sei antiquiert und müsse dringend modernisiert werden, ist Prof. Hertel überzeugt. "Dort dominiert noch immer die klassische Geometrie, das macht es für die Schüler oft langweilig", beschreibt er ein Manko der Lehrpläne etwa an den Thüringer Schulen. "Dabei ist es ohne Probleme möglich, die Computergeometrie im Unterricht zu behandeln und praktisch auszuprobieren, denn die Technik dafür ist in den Medienkabinetten der Schulen vorhanden". Ein gutes Beispiel gebe Österreich, wo Darstellende Geometrie ein separates Unterrichtsfach sei.
Durch ein Festkolloquium beim 4. Thüringer Geometrietag soll das Engagement Jenaer Geometrie-Professoren für ihr Spezialgebiet besondere Würdigung erfahren. Es ist Prof. Eike Hertel gewidmet, der am Vortag des Geometrietags seinen 65. Geburtstag feiert und demnächst in den Ruhestand geht, sowie seinem Vorgänger Prof. Dr. Johannes Böhm zum 80. Geburtstag. Langjährige Forschungspartner der Jenaer Mathematiker wie Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg M. Wills von der Universität Siegen oder Prof. Dr. Hans Vogler von der Technischen Universität Graz halten Festreden.
Kontakt:
Dr. Mathias Richter
Dekanat der Fakultät für Mathematik und Informatik der Universität Jena
Ernst-Abbe-Platz 1-4, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 946003, Fax: 03641 / 946002
E-Mail: dekan@minet.uni-jena.de
Criteria of this press release:
Mathematics, Physics / astronomy
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