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08/04/1999 14:39

Neues RUB-Computerprogramm für Stadtplaner und Klimaforscher

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Mit dem Computerprogramm ENVI-met, das Dr. Michael Bruse von der Arbeitsgruppe Klimaforschung (Geographisches Institut der RUB) für seine Dissertation entwickelt hat, lassen sich städtische Klimasituationen und Beeinflussungsmöglichkeiten berechnen und simulieren, um ein möglichst lebenswertes Umfeld zu schaffen.

    Bochum, 04.08.1999
    Nr. 167

    "ENVI-met" bringt mehr Lebensqualität in die Städte
    Lokale Umweltgestaltung am PC simuliert Behaglichkeit
    Computerprogramm hilft Stadtplanern und Klimaforschern

    Ein Computerprogramm erleichtert die Stadtplanung: Typisch für Ballungsräume und große Städte sind erhöhte Oberflächen- und Lufttemperaturen in der Nacht, veränderte Windströmungen sowie hohe Schadstoffbelastungen. Dies kann die Lebensqualität verschlechtern und sogar die Gesundheit gefährden. Stadtplaner und Klimaforscher versuchen daher, das Stadtklima zu verändern , z. B. indem sie Straßen begrünen und Flächen entsiegeln. Mit dem Computerprogramm ENVI-met, das Dr. Michael Bruse von der Arbeitsgruppe Klimaforschung (Geographisches Institut der RUB) für seine Dissertation entwickelt hat, lassen sich städtische Klimasituationen und Beeinflussungsmöglichkeiten berechnen und simulieren, um ein möglichst lebenswertes Umfeld zu schaffen.

    Die Lösung eines alten Problems

    Die wechselseitige Abhängigkeit zahlreicher Faktoren, die das Klima bestimmen und sich ändern, sobald auch nur eine Komponente modifiziert wird, machte eine Abschätzung von Verbesserungsmöglichkeiten bislang schwer bis unmöglich. Daher konzentrierten sich Modelle auf die Beschreibung von Schadstoffausbreitungen, die aber nur einen kleinen Teil zum Stadtklima beitragen. Mit ENVI-met lässt sich nun alles unter einen Hut bringen: Es ist ein dreidimensionales Modell, das das System Stadt mit all seinen verschiedenen Oberflächen, Gebäuden und Pflanzen erfassen kann und die gegenseitige Abhängigkeit der Faktoren berücksichtigt.

    Und so funktioniert's

    Alle Elemente werden in einem rechtwinkligen Modellquader dargestellt, ähnlich wie beim Bauen mit Legosteinen. Die so entstandenen Strukturen kann man dann rechnerisch mit Wind durchströmen und mit Sonne bescheinen. Durch die Wechselwirkung von Sonne und Schatten und durch die unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften der Materialien (Beton, Holz etc.) entwickeln sich im Laufe eines simulierten Tages unterschiedliche Oberflächentemperaturen, die ihrerseits die Wärme und Feuchtigkeit mehr oder weniger stark an die Luft abgeben. Neben der Lufttemperatur berechnet das Programm noch weitere meteorologische Größen wie Luftfeuchtigkeit, Turbulenzen sowie verschiedene Strahlungseinflüsse. Um Wechselwirkungen zwischen Vegetation und Atmosphäre nachzuempfinden, bildet es das physiologische Verhalten der Pflanzen nach, z. B. wie sie ihre Spalten öffnen und schließen, wie sie Wasser über die Wurzeln aufnehmen und die Blattemperatur ändern.

    Steigende Behaglichkeit

    ENVI-met kann nicht nur vorhersagen, wie das Mikroklima sich innerhalb der Strukturen entwickelt, sondern auch, wie der Mensch diese Veränderung empfindet. Hierzu verfügt das Modell für eine Reihe von bioklimatologischen Verfahren. Mit dem "dPET-Modell" kann sich beispielsweise ein virtueller Mensch durch das Modellgebiet bewegen, und ENVI-met liefert für jeden Wegpunkt wichtige Körperparameter wie Hauttemperatur, Kerntemperatur, Schweißrate oder das Temperaturempfinden (den sog. dPET-Wert). Dieses Verfahren erfasst, wie sich der Körper auf dem Weg durch eine sonnenbeschienene Straße aufheizt und wie die virtuelle Testperson darauf reagiert. Somit ist es möglich, die Auswirkungen von städteplanerischen Maßnahmen für einen Straßenzug oder ein ganzes Viertel in ihrer gesamten Komplexität zu erfassen, so dass optimale Baumaterialien ausgesucht werden könnten - für eine möglichst menschenfreundliche Umwelt.

    Hohe Wirtschaftlichkeit

    Auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist der Einsatz von ENVI-met im Vergleich zu anderen Programmen lohnend. Parallel zum eigentlichen Simula-tionsmodell ENVI-met entwickelte Dr. Bruse das "Distributed Resources Konzept", mit dem Arbeitsprozesse wie Dateneingabe, Verwaltung und Auswertung von Modelldaten getrennt vom eigentlichen Rechenauftrag möglich sind: Während Fachleute vor Ort Daten eingeben und auswerten, könnte ein Dienstleister zentral den Rechenauftrag übernehmen, so dass einzelne Betriebe oder Städte nicht die Kosten für besonders leistungsstarke Computer tragen müssten.

    Vielfältige Verwendung bereits jetzt ...

    Dr. Michael Bruse entwickelte das Programm ENVI-met im Rahmen seiner Dissertation zwischen 1995 und 1998. Es wird mittlerweile in der zweiten Version für verschiedene Fragestellungen der Stadtklimatologie angewendet: in Zusammanarbeit mit dem Sonderforschungsbereich "Probleme eines industriellen Ballungsraumes" an der Universiät zu Köln werden die Auswirkungen von Fassadenbegrü-nungen auf die Schadstoffverteilung untersucht, für die Olympiastadt Sydney wird das Klima im Central Business District simuliert und in Melbourne die Auswirkung von Dachbegrünungen untersucht.

    ... und in der Zukunft noch mehr

    Für die Zukunft sind weitere Verfeinerungen des Programms geplant. So soll es in späteren Versionen möglich sein, die über den Tag variierenden Schadstoffbe-lastungen zu simulieren und die Filterwirkung von Straßenbegrünungen abschätzen zu können. Ein derart erweitertes Programm eröffnet nicht nur Stadtplanern neue Perspektiven, sondern auch Architekten und Privatleuten. Es wird möglich sein, den günstigsten Standort und optimale Baumaterialien für ein Haus zu finden, um eine thermisch behagliche Umgebung zu schaffen. Und gerade für das Ruhrgebiet als Ballungsraum ist es wichtig, Wege zu suchen, wie man auch schon mit kleinen Maßnahmen die Lebensqualität der Menschen steigern und die zahlreichen Brachflächen der ehemaligen Industriestandorte optimal nutzen kann.

    Weitere Informationen

    Dr. Michael Bruse, Arbeitsgruppe Klimaforschung des Geographischen Instituts der RUB, Tel.: 0234/700-4244, Fax: 0234/7094-469, eMail: michael.bruse@ruhr-uni-bochum.de, Internet: http://www.geographie.ruhr-uni-bochum.de/agklima/envimet/index.html


    More information:

    http://www.geographie.ruhr-uni-bochum.de/agklima/envimet/index.html


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    Criteria of this press release:
    Biology, Construction / architecture, Environment / ecology, Geosciences, Oceanology / climate
    transregional, national
    Research results
    German


     

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