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07/27/1999 00:00

Der Nachlaß Arthur Schnitzlers wird erschlossen

Dr. Werner Boder Stabsreferat Kommunikation
VolkswagenStiftung

    Material in Marbach und Cambridge wird der Forschung zugänglich gemacht

    Der Nachlaß Arthur Schnitzlers wird erschlossen

    Volkswagen-Stiftung fördert Gemeinschaftsprojekt Marbach / Cambridge

    Hannover (vws) Arthur Schnitzler gehört zu den wichtigsten deutschsprachigen Schriftstellern an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Seine Theaterstücke - darunter der "Reigen", der Skandal machte - zeichneten ein Bild von den Illusionen und Lebenslügen der Zeitgenossen vor allem aus dem Mittelstand. Nicht weniger wichtig sind seine Prosawerke, etwa der Roman "Der Weg ins Freie". Schnitzler verwendete zum ersten Mal im deutschen Sprachraum die Technik des "inneren Monologs", so zum Beispiel in den Erzählungen "Lieutenant Gustl" und "Fräulein Else".
    Der Nachlaß Schnitzlers enthält außerordentlich bedeutende Quellen des geistigen und kulturellen Lebens der Wiener Moderne, ist aber der Forschung bisher nur sehr schlecht zugänglich. Ein Teil der Werkmanuskripte und zugehörigen Notizen, Aufzeich-nungen, Korrespondenzen oder Lebensdokumente liegt im Deutschen Literaturarchiv Marbach, ein anderer Teil in der Universitätsbibliothek Cambridge. Ernsthaft arbeiten kann man damit aber nur, wenn man gleichzeitig Zugang zu beiden Teilnachlässen hat. Die Volkswagen-Stiftung hat nun der Deutschen Schillergesellschaft e. V., Marbach (Professor Dr. Ulrich Ott), 265 000 Mark zur Verfügung gestellt, um eine kooperative Erschließung und Erfassung beider Teile durch Bibliothekare und Literaturwissen-schaftler in Marbach und Cambridge zu ermöglichen.

    Arthur Schnitzler, der ursprünglich Arzt war, schrieb 1918 in seinem Testament, er habe seine Manuskripte und Briefe "mehr aus Pedanterie als aus Pietät aufbewahrt", in der Annahme, sie seien "zum mindesten interessant als Beiträge zur Physiologie (auch Pathologie!) des Schaffens". Nach seinem Tod im Jahre 1931 blieb der Nachlaß in seinem Haus in Wien. Bevor er aber der Wissenschaft zugänglich gemacht werden konnte, kam im März 1938 der "Anschluß" Österreichs an das Deutsche Reich.

    Die Nationalsozialisten hielten Schnitzlers Werke für dekadent. Er hatte sich schon um die Jahrhundertwende in einigen seiner Dramen außergewöhnlich offen zu sexuellen Themen geäußert und war zur gleichen Zeit wie Freud, aber weitgehend unabhängig von ihm, zu ganz ähnlichen psychologischen Einsichten gekommen. Die Nazis "überga-ben" seine Bücher den Flammen.

    Sein Nachlaß erlebte eine eigene Geschichte. Ein Untermieter im Hause der Familie Schnitzler erkannte 1938 die Gefahr, in der die Dokumente schwebten: Es war der britische Germanistik-Student Eric A. Blackall, der später als Schnitzler-Forscher inter-national bekannt wurde. Auf seinen Hinweis hin ließ die Botschaft Großbritanniens an der Tür des Archivraums ein britisches Regierungssiegel anbringen, das die nationalso-zialistischen Polizeiorgane, die in den folgenden Wochen mehrere Hausdurchsuchun-gen durchführten, davon abhielt, den Raum zu betreten. Binnen kurzem gelang es, den gesamten handschriftlichen Nachlaß in die Universitätsbibliothek in Cambridge zu brin-gen. Ein umfangreicher Teil, vor allem die Tagebücher und Briefe, teilte in den folgen-den Jahren das Exilschicksal der Erben, er gelangte zuerst in die USA und nach dem Ende des Krieges wieder nach Wien.

    1984 kamen diese Materialien als Legat von Arthur Schnitzlers Sohn in das Deutsche Literaturarchiv nach Marbach. Bis heute ist der Nachlaß also getrennt. Der kleinere, literarisch wohl bedeutendere Teil, der etwa 65 Archivkästen umfaßt, liegt in Cambridge, in Marbach liegt der mit 160 Archivkästen umfangreichere Teil mit den eher persönli-chen Materialien. Da häufig die Texte des einen Nachlasses nur mit den Pendants aus dem anderen korrekt zu deuten sind, ist eine gemeinsame Erschließung und Erfassung dringend erwünscht. In absehbarer Zeit dürfte der Forschung über das world wide web, eventuell auch in gedruckter Form, ein Verzeichnis des gesamten Nachlasses zur Ver-fügung stehen, das internationalen archivarischen Standards genügt und nicht nur der Schnitzler-Forschung neue Impulse geben dürfte.

    Kontakt: Deutsches Literaturarchiv Marbach, Dr. h.c. Friedrich Pfäfflin,
    Tel.: 07144/848-601, E-Mail: Museum@dla-marbach.de


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    Arthur Schnitzler
    Arthur Schnitzler

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    Criteria of this press release:
    Language / literature
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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