Türkische Unternehmerinnen in Berlin
Distanz zum eigenen ethnischen Umfeld?
Berlin (wbs) Viele türkische Unternehmerinnen in Berlin gehören nicht zur sogenannten "ethnischen Ökonomie", sondern bewegen sich in den gleichen Märkten wie ihre deutschen Konkurrentinnen. Dies ist einer der Befunde, die eine von Felicitas Hillmann am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) durchgeführte Pilotstudie erbrachte. Sie beschäftigt sich mit der Situation der türkischstämmigen Frauen auf dem Berliner Arbeitsmarkt und widmet sich insbesondere deren Position in der "ethnischen Ökonomie". Das Konzept der "ethnischen Ökonomie" jedoch, dies legen die Untersu-chungsergebnisse nahe, trifft eher auf männliche Unternehmer ethnischer Minderheiten zu, und zwar vor allem auf diejenigen der ersten Zuwanderergeneration.
Vier Merkmale charakterisieren Unternehmen der ethnischen Ökonomie: Sie sind horizontal und vertikal innerhalb der ethnischen Gruppe vernetzt; sie greifen vorrangig auf Arbeitskräfte der gleichen ethnischen Gruppe zurück; sie sprechen insbesondere die jeweilige ethnische "Community" als Zielgruppe an; die Zulieferbetriebe sind ebenfalls "ethnisch" geprägt. Meist spielt in diesen Unternehmen die unentgeltliche bzw. kostengünstige Mitarbeit von Familien-angehörigen eine entscheidende Rolle.
Felicitas Hillmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung "Organisation und Beschäftigung", hat für die Pilotstudie 50 Interviews mit türkischen Frauen anhand eines halbstandardisierten Fragebogens durchgeführt. Zwei Drittel dieser Frauen führten selbständig ein Unter-nehmen (Nahrungsmittel- und Textilsektor, Friseur- und Reinigungsgewerbe, Kosmetikbranche, Kioske), ein Drittel der Interviewpartnerinnen waren abhängig Beschäftigte in türkischen Unternehmen. Flankierend wurden Expertinnen aus Verwaltung und Wirtschaft interviewt.
Wichtige Erkenntnisse dieser Pilotstudie sind: Die Unternehmerinnen waren in der Regel als Kind oder Minderjährige nach Deutschland gekommen, über die Hälfte von ihnen besaß zum Befragungszeitpunkt die deutsche Staatsangehörigkeit oder hatte sie beantragt. Die abhängig beschäftigten Frauen waren dagegen meist als Erwachsene nach Deutschland gekommen, ein Viertel besaß die deutsche Staatsangehörigkeit. Auch der Ausbildungsstand unterschied sich: Die Unternehmerinnen waren qualifizierter und stuften ihre eigenen Sprachkenntnisse besser ein als es ihre abhängig beschäftigten Landsleute taten. Sie hatten ihre Ausbildung häufiger in Deutschland abgeschlossen und diese seltener abgebrochen. Knapp die Hälfte der befragten Frauen war verheiratet.
Ein Fünftel der einbezogenen Unternehmen war vor 1990 eröffnet worden, die anderen wurden vor allem zwischen 1994 und 1996 gegründet. Das Alter der Gründerinnen unterschied sich in den verschiedenen Branchen. Während die älteren Unternehmerinnen sich öfter in der Bekleidungsbranche selbständig machten, eröffneten die jüngeren Unternehmerinnen eher Reisebüros und Friseursalons. Die Unternehmerinnen erfüllten sich entweder ihren Wunsch nach ökonomischer Selbständigkeit oder suchten auf diese Weise den Weg aus der Arbeitslosigkeit. Familienangehörige wurden von den Unternehmerinnen eher ausnahmsweise und nicht regelmäßig beschäftigt. Sie unterstrichen in der Befragung die problematische Seite der Beschäftigung von Familienangehörigen.
Nur wenige Unternehmerinnen waren als Teil des türkischen ethnischen Gewerbes tätig - einige hatten sogar ausdrücklich ihr Unternehmen in einer vornehmlich von deutscher Kundschaft geprägten Umgebung angesiedelt. Die befragten Kosmetikerinnen und Friseurinnen besaßen keinerlei türkische Zuliefererbetriebe, in allen anderen untersuchten Branchen hielten sich die deutschen mit türkischen Zulieferern die Waage.
Die vier eingangs genannten Kriterien für "ethnic business" treffen mithin auf die Untersuchungsgruppe nicht zu. Die Ergebnisse der explorativen Studie lassen darauf schließen, daß die türkischen Unternehmerinnen weder Teil einer Nischen- bzw. ethnischen Ökonomie sind, noch daß sie darauf spekulieren, Teil davon zu sein. Ihre berufliche Selbständigkeit ist offenbar eher als Hinwendung zum selbständigen Unternehmerinnentum zu interpretieren denn als eine Aktivierung ethnischer Ressourcen. Die Emanzipation von ethnischen Bezügen scheint für türkische Frauen oftmals Voraussetzung, nicht Ergebnis des Wegs in die Selbständigkeit zu sein.
Weitere Informationen: Felicitas Hillmann (WZB), Telefon: 030-680 882 66
email: felix@medea.wz-berlin.de
Felicitas Hillmann, Türkische Unternehmerinnen und Beschäftigte im Berliner ethnischen Gewerbe, 49 S.(WZB-Bestellnummer FS I 98-107)
"Türkische Unternehmerinnen", in: WZB-Mitteilungen, Heft 84, Juni 1999, S. 21-24
Criteria of this press release:
Social studies
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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