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09/02/1999 12:54

Ökologische Steuerreform kann langfristig umwelt- und steuerpolitische Ziele verbinden

Jana Schmidt Pressestelle
Umweltbundesamt (UBA)

    Mit einem langfristig angelegten, erweiterten Konzept der Ökologischen Steuerreform lassen sich umwelt- und steuerpolitische Ziele sinnvoll miteinander verknüpfen. Zu diesem Ergebnis kommt eine heute in Berlin vorgestellte Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes, die unter Federführung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln (FiFo) erstellt wurde. Auf zehn Jahre verteilt sollten in kleinen Schritten die Steuern für Energie und Mineralöl steigen, die Lkw-Vignette teurer, Abgaben auf Abfälle und Abwässer sowie langfristig eine allgemeine und fahrstreckenabhängige Straßennutzungsgebühr erhoben werden. Diese Abgaben setzen beim Verursacher von Umweltbelastungen an. Die Ökologische Steuerreform führt zu Umweltentlastungen. Gleichzeitig werden Gelder eingenommen für die notwendige Modernisierung des deutschen Steuersystems und die erforderliche Senkung von Sozialabgaben.

    Die Autoren der Studie schlagen insbesondere folgende Entlastungen für die Unternehmen und privaten Haushalte vor:

    · die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge und
    · denWegfall der Gewerbesteuer.

    Zehn Jahre nach Umsetzung des vorgeschlagenen Reformkonzeptes würden durch die Steuer- und Abgabenerhöhungen 147 Milliarden Mark eingenommen werden. Diese Summe würde in voller Höhe an Unternehmen und private Haushalte zurückfließen. Rund 85 Milliarden Mark würden allein zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge genutzt werden.

    Der Präsident des Umweltbundesamtes, Prof. Dr. Andreas Troge, sagte: "1997 hat das Umweltbundesamt in seinem Buch "Nachhaltiges Deutschland" die Grundzüge einer "Ökologischen Finanzreform" dargestellt, die Umweltbelange im Finanzsystem stärker berücksichtigt. Neben dem Abbau umweltschädlicher Subventionen gehört dazu auch eine Ökologische Steuerreform. Die heute vorgelegte, in mehrjähriger Arbeit entstandene Studie zeigt, daß sich ein langfristiges, berechenbares und vor allem aufkommensneutrales Konzept für eine solche Ökologische Steuerreform auszahlt: Die Umwelt wird entlastet, Spielräume für Reformen des Steuer- und Abgabensystems werden geschaffen. Das stärkt die Wirtschaft und bringt zusätzliche Arbeitsplätze."

    Abgabensenkungen in Mrd. DM

    Senkung der Sozialversicherungsbeiträge: 85,2
    Wegfall der Gewerbesteuer: 48,6
    Wegfall der Vermögenssteuer: 3,6
    Senkung des ermäßigten Satzes der Umsatzsteuer: 9,6

    gesamt: Entlastung 147,0

    Abgabenerhöhungen in Mrd. DM

    Energiesteuer 64,5
    Mineralölsteuer 54,6
    Straßennutzungsgebühren 9,9
    Abfallabgabe 12,0
    Abwasserabgabe 6,0

    gesamt: Belastung 147,0

    Die Autoren der Studie - neben DIW und FiFO auch das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung sowie das Institut für Steuerrecht der Universität Münster - analysieren im ersten Teil der Studie die Defizite des heutigen Steuer- und Sozialabgabensystems in Deutschland. Fazit: Das deutsche Abgaben-, insbesondere Steuersystem ist stark reformbedürftig. Es hat zahlreiche Mängel und bremst im Zuge der Globalisierung der Wirtschaft zunehmend Wachstum und Beschäftigung.

    Umweltsteuern können in wichtigen umweltpolitischen Bereichen wirkungsvoll eingesetzt werden, weil sie - anders als das Ordnungsrecht - Anreize für jedermann setzen, der etwas zum Umweltschutz beitragen kann. Ziel ist es, den Umwelt- und Ressourcenverbrauch durch Verhaltensänderungen der Unternehmen und der privaten Haushalte zu verringern:

    · Eine allgemeine Energiesteuer ist Kernstück des von den Autoren der Studie vorgeschlage-nen Reformkonzeptes. Fossile Brennstoffe wie Kohle oder Öl und Elektrizität sollten nach dem Energiegehalt belastet werden. Regenerative Energien sollten von der Steuer befreit werden.

    · Die Mineralölsteuer sollte schrittweise um bis zu einer Mark je Liter Diesel- oder Otto-Kraftstoff binnen zehn Jahren erhöht werden.

    · Die entfernungsunabhängige Vignette für Lkw auf Autobahnen sollte teurer werden.

    · Längerfristig sollte - in Abhängigkeit von den technischen Voraussetzungen - eine allgemeine, fahrstreckenabhängige Straßennutzungsgebühr eingeführt werden, die für alle Kraftfahrzeuge auf Autobahnen und Fernstraßen gelten sollte. Entsprechend niedriger sollte als Ausgleich dann die Erhöhung der Mineralölsteuer ausfallen.

    · Durch die Abfallabgabe sollte die Deponierung von Abfällen und die Entsorgung besonders überwachungsbedürftige Abfälle (Sonderabfälle) beim Erzeuger verteuert werden.

    · Die vorgeschlagene Umgestaltung und Erhöhung der Abwasserabgabe soll die Einleitung von Schadstoffen in Gewässer verringern. Belastet werden sollten neben den direkten auch indirekte Einleiter, Bemessungsgrundlage sollte die Menge der abgeleiteten Schadstoffe sein.

    Zudem wird als längerfristige Perspektive von den Autoren die Einführung einer Flächenversiegelungsabgabe diskutiert. Für Flächen, die neu versiegelt werden, sollte eine Abgabe gezahlt werden, um die zunehmende Bodenversiegelung zu stoppen.

    Von der Reform erwarten die Autoren der Studie beträchtliche positive Umweltwirkungen, und zwar in folgenden Größenordnungen nach zehn Jahren:

    · eine Verringerung des Benzinverbrauchs um rund 25 Prozent und des Verbrauchs von Dieselkraftstoff um gut 20 Prozent,
    · eine Verringerung des gesamten Primärenergieverbrauchs um gut 13 Prozent,

    · eine Verringerung der deponierten Abfallmenge im Bereich der Sonderabfälle und der Siedlungsabfälle um rund 40 Prozent, im Bereich Erdaushub, Straßenaufbruch, Bauschutt, und produktionsspezifischer Massenabfälle um rund 50 Prozent sowie

    · eine Verringerung der eingeleiteten Schadstoffe im Abwasser um etwa 2,5 Prozent pro Jahr.

    Dabei handelt es sich um Schätzwerte, die - insbesondere im Abwasser- und Abfallbereich - mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sind. Sie zeigen in ihrer Tendenz jedoch, daß eine Ökologische Steuerreform längerfristig einen wesentlichen Beitrag zu einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung leisten kann.

    Die Autoren legen dar, daß eine Ökologische Steuerreform auch sozialverträglich gestaltet werden kann, wenn die zusätzlichen Belastungen durch die Energie- und Mineralölsteuer wieder in Form von Beitragssenkungen bei den Sozialversicherungen und dadurch ausgelöste Erhöhungen der Sozialtransfers an die privaten Haushalte zurückfließen: Haushalte im mittleren Einkommensbereich werden per saldo entlastet, Haushalte mit hohem Einkommen dagegen absolut am stärksten belastet, weil sie in der Regel sowohl einen überdurchschnittlichen Energieverbrauch haben als auch von der Senkung der Sozialversicherungsbeiträge oft nur in geringem Umfang profitieren. Relativ am stärksten zu ihrem Einkommen werden die unteren Einkommensgruppen belastet. Aus Sicht der beiden Forschungsinstitute ist es aber ohne weiteres möglich, sozialen Härten durch eine gezielte Aufstockung von Transferleistungen an einkommensschwache Haushalte entgegenzuwirken.

    Für die Beschäftigung fällt die Bilanz der vorgeschlagenen, erweiterten Ökologischen Steuerreform unter dem Strich positiv aus: So können innerhalb von zehn Jahren etwa 260.000 Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen werden - zum Beispiel im Bereich der Gebäudesanierung und Energietechnik. Das Wirtschaftswachstum bleibt nahezu unverändert, der Preisindex der gesamtwirtschaftlichen Produktion erhöht sich nur unwesentlich - um weniger als einen viertel Prozentpunkt pro Jahr. Nehmen die Gewerkschaften die abgabebedingten Preissteigerungen zum Anlaß, höhere Tariflöhne durchzusetzen, sind die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen weniger positiv. Es bliebe ein merklich geringerer potentieller Beschäftigungszuwachs von 140.000 Arbeitsplätzen. Besonders beschäftigungsfördernd wirkt die im Modell vorgesehene Senkung der Sozialversicherungsbeiträge.

    Troge und die Autoren der Studie betonten, daß die Studie keinen Königsweg für eine Ökologische Steuerreform vorgebe. "Alles oder Nichts"-Entscheidungen im Hinblick auf die verfolgten umwelt- und steuerpolitischen Ziele seien nicht notwendig. Es könnten auch einzelne Elemente des Reformpaketes umgesetzt oder niedrigere Steuer- und Abgabesätze gewählt werden. "Die Bundesregierung hat den Einstieg in die Ökologische Steuerreform gewagt. Einige Vorschläge der Studie sind im Ökosteuer-Paket der Regierung bereits im Kern enthalten. Dieser Einstieg muß in den nächsten Jahren auf eine konsensfähige, breitere Basis gestellt werden. Die Studie zeigt Perspektiven für die Verknüpfung einer nachhaltigen Finanzpolitik mit einer nachhaltigen Umweltpolitik im Rahmen einer Ökologischen Finanzreform auf", sagte Troge

    Berlin, den 02.09.1999

    Eine Zusammenfassung der Studie gibt es in der Pressestelle des Umweltbundesamtes (Tel: 030/8903-2226 oder 2208, Fax: -2798, e-mail: karsten.klenner@uba.de).

    Die komplette Studie: "Anforderungen an und Anknüpfungspunkte für eine Reform des Steuersystems unter ökologischen Aspekten" ist in der Reihe BERICHTE des Umweltbundesamtes (Erich Schmidt Verlag) als Nr. 3/1999 erschienen, umfaßt 630 Seiten, kostet 96 DM und ist im Buchhandel erhältlich (ISBN 3-503-04863-4).

    Eine Kurzfassung mit dem Titel: "Ökologische Steuerreform. Wie die Steuerpolitik Umwelt und Marktwirtschaft versöhnen kann" ist ebenfalls im Erich-Schmidt-Verlag erschienen (ISBN 3-503-04886-3), umfaßt 170 Seiten und kostet 26,80 DM.


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    Criteria of this press release:
    Biology, Economics / business administration, Environment / ecology, Law, Oceanology / climate, Politics
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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