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11/11/2005 09:51

LMU-Forscher kommen biblischem Goliat auf die Spur - Ausgrabungen in Israel zum biblischen Volk der Philister

Luise Dirscherl Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    München, 11. November 2005 - Eine neue Inschrift vom Grabungshügel Tell es-Safi, identisch mit der in der Bibel erwähnten Philisterstadt Gat, konnte nun entschlüsselt werden und verursacht nicht nur in Israel Aufsehen: Sie nennt Personennamen, die offenbar mit Goliat, dem legendären Helden der Philister, den David mit seiner Steinschleuder zur Strecke brachte, in Verbindung zu bringen sind. Der Tell es-Safi, ein Hügel auf etwa halber Strecke zwischen Jerusalem und Gaza gelegen, wird mit der Stadt Gat identifiziert, einem der fünf im Alten Testament genannten Hauptorte der Philister. Unter Beteiligung von zwei Wissenschaftlern der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München wurde im Sommer auf dem Tell, dem Grabungshügel, gegraben. Professor Manfred Görg und Stefan Wimmer, Ph.D., Lehrstuhl für Alttestamentliche Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät, haben gemeinsam mit dem Grabungsleiter Professor Aren Maeir von der Bar-Ilan-Universität in Ramat Gan, Großraum Tel Aviv, ein binationales Projekt zur Erforschung des noch weitgehend rätselhaften Volkes der Philister initiiert. Das Projekt wird von der Deutsch Israelischen Stiftung für wissenschaftliche Forschung und Entwicklung finanziert.

    Die Bibel schildert die Philister als Widersacher der ungefähr gleichzeitig in Kanaan auftretenden Israeliten. Noch immer ist umstritten, woher die Philister kamen, als sie sich im 12. Jahrhundert vor Christus etwa in den südlichen Küstengegenden des Landes ansiedelten. Auch darauf wirft der überraschende Fund nun neues Licht. Eine unscheinbare, kleine Tonscherbe war es, die die Wissenschaftler bei den Grabungen im August 2005 ganz besonders faszinierte: Darin waren Buchstaben eingeritzt, die Wimmer, der die Inschrift als einer der ersten seit 3.000 Jahren in Händen hielt und nun mit ihrer Entzifferung befasst ist, als frühe, kanaanäische Alphabetschrift deutete. In kanaanäischer Sprache gelesen, ergaben die Worte jedoch keinen Sinn. Offenbar gehören sie zu einer anderen Sprache, der Ursprungssprache der Philister, die diese aus ihrer früheren Heimat mitbrachten.

    "Ich dachte unmittelbar an den Philisternamen Goliat, doch schien mir der Gedanke allzu verwegen", berichtet Wimmer. "Niemand in der Fachwelt, meinte ich, würde uns glauben, dass wir sozusagen Goliat gefunden hätten. Die Stadt Gat, in der wir gruben, wird in der Bibel nämlich als Heimat eben jenes legendären Riesen genannt, und tatsächlich dort auf einen historischen Beleg zu stoßen, muss nüchternen Wissenschaftlern eigentlich als zu schön, um wahr zu sein, erscheinen. Inzwischen sind wir uns jedoch einig, dass auf der Scherbe Namen stehen, in denen eine Frühform eben jenes Personennamens erkannt werden kann, den die Hebräische Bibel 'Goliat' schreibt."

    Belege für solche Frühformen kommen in mykenischen, also frühen griechischen Urkunden vor, was gut zu der bei den Philistern offenbar äußerst beliebten mykenischen Keramik passt. Die Namensform lässt sich aber auch mit Alyattes, einem späteren König der kleinasiatischen Lyder vergleichen, und könnte somit auch anatolische Wurzeln haben. "Dass der Name in der biblischen Schreibung mit 'G' beginnt, könnte sich mit einer bewussten Angleichung an einen ägyptischen Titel erklären", so Professor Görg. "Dadurch wird nämlich dem Namen die Bedeutung 'der Starke' oder 'der Vorkämpfer' zugeschrieben." Die Inschrift reiht sich ein in spektakuläre Funde, die seit einigen Jahren vor dem Hintergrund biblischer Aussagen großes Aufsehen erregen. Die Mehrzahl davon stammt allerdings aus dem Antikenhandel und steht unter dem Verdacht, bewusst von Fälschern in der Absicht manipuliert worden zu sein, einen historischen Wahrheitsgehalt der Bibel zu beweisen. In Israel ist dazu derzeit ein viel beachteter Gerichtsprozess gegen einen mutmaßlichen Fälscherring im Gang.

    "Dass unsere Inschrift aus einer dokumentierten Grabung stammt, potenziert vor diesem Hintergrund ihre Bedeutung", meint Wimmer. "Wenn nun gezeigt werden kann, dass der Name Goliat zur Zeit der Auseinandersetzungen zwischen Philistern und Israeliten in Gat gebräuchlich war, wirft dies ein willkommenes Licht auf das historische Umfeld des archetypischen Zweikampfes zwischen David und seinem nur scheinbar überlegenen Gegner. Darin liegt der wissenschaftliche Wert der Inschrift, die für die Archäologie wie für die Religionsgeschichte als Sensation eingestuft werden kann." Darüber, ob seinerzeit wirklich ein schwer bewaffneter Riese von einem cleveren Jugendlichen, der später König über Israel werden sollte, im Terebinthental bei Gat mit einer Steinschleuder zur Strecke gebracht wurde, sagt sie freilich nichts aus. Die biblische Erzählung folgt hier einem Topos, den die Literatur des Alten Orients immer wieder neu erzählt hat. "Auch wenn sich viele schwer damit tun, von einem vordergründigen Wörtlichnehmen biblischer Texte loszulassen, so verstellt doch diese Einstellung den Blick auf das Eigentliche", meint Wimmer. "Einer Heiligen Schrift geht es nicht um das Protokollieren dessen, was sich wann und wo genau ereignete, sondern um ungleich gehaltvollere Glaubensaussagen. In diesem Sinn ist die Frage, ob die Bibel Recht hat, an Archäologen falsch gestellt." (suwe)

    Ansprechpartner:
    Stefan Jakob Wimmer, Ph.D. (Hebr. Univ. Jerusalem)
    Katholisch-Theologische Fakultät
    Tel.: 089 / 2180-2493
    Fax: 089 / 2180-3754
    E-Mail: stefan.wimmer@kaththeol.uni-muenchen.de


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    Criteria of this press release:
    Philosophy / ethics, Religion
    transregional, national
    Research results
    German


     

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