Ein für den Menschen harmloses Virus kann prinzipiell gentechnisch so umgerüstet werden, dass es gezielt nur noch in bestimmte Körperzellen eindringt. Bestückt mit therapeutischen Genen, könnten solche Viren im Rahmen einer Gentherapie den Patienten direkt injiziert werden. Dies belegen aktuelle Untersuchungen eines Forscherteams um Dr. Michael Hallek von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Wissenschaftler, die sowohl am Genzentrum als auch am Universitätsklinikum Großhadern arbeiten, berichten über ihre Arbeiten auf dem Weg zur so genannten in-vivo-Gentherapie in der neuesten Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift NATURE MEDICINE.
Weltweit suchen Gentherapeuten nach Methoden, um Patienten mit schweren Erkrankungen wie Krebs, Aids oder Erbleiden heilende Gene effizient und sicher zu übertragen. Viren sind dafür am besten geeignet. Wird das Erbgut dieser Mikroben mit zusätzlichen Genen beladen, deponieren sie bei einer Infektion auch diese Fracht. Doch nicht jedes Virus kommt als Gen-Fähre (Vektor) infrage: Viele machen krank, manche können im Erbgut Schäden anrichten, andere haben eine Art "Generalschlüssel" und infizieren darum im Körper verschiedene Zellen.
Dieser Mangel an geeigneten und vor allem gezielt wirkenden Vektoren hemmt nach Meinung der Experten derzeit die erfolgreiche Umsetzung gentherapeutischer Strategien, die derzeit weltweit an rund 3000 Patienten geprüft werden. Nötig wären Vektoren, die für den Menschen harmlos sind und zielgenau nur bestimmte Zellen infizieren. Diese könnten den Patienten direkt ("in-vivo") injiziert werden. Die derzeit übliche aufwendige Reagenzglas-Behandlung ("in-vitro") von Zellen, die den Patienten entnommen und nach der Therapie wieder injiziert werden müssen, wäre überflüssig.
Schon seit langem haben Gentherapeuten bei ihrer Suche nach dafür geeigneten Viren einen Kandidaten im Visier: das sogenannte Adeno-assoziierte Virus Typ 2, AAV2. Seine Vorteile: erstens schadet es dem Menschen nicht. Zweitens verankert es sein Erbgut in dem der infizierten Zelle. (Dies ist bei Gentherapien, die lange wirken sollen, entscheidend wichtig.) Und es klinkt sich - drittens - nur an einer bestimmten Stelle im Genom ein, verursacht also keine unvorhersehbaren Schäden. Sein Nachteil: AAV2 kann in viele verschiedene Zellarten des menschlichen Körpers eindringen.
"Als wir überlegten, dieses Virus gentechnisch zu verändern", erinnert sich Team-Chef Dr. Michael Hallek, "haben viele Kollegen bezweifelt, dass wir Erfolg haben würden." Der Grund: AAV2 gehört selbst in der Miniatur-Welt der Viren zu den Zwergen. Es ist zehnmal kleiner als ein Herpesvirus und nur ein Drittel so gross wie Schnupfen-Viren. Eine Körperzelle ist sogar tausendmal größer als AAV2. Jede gentechnische "Umbauarbeit", so lautete der Haupteinwand, würde den Winzling funktionsunfähig machen.
Doch die Skeptiker werden nun eines Besseren belehrt: Den Münchner Forschern gelang es - in Zusammenarbeit mit Dr. Jürgen Kleinschmidt und Christiane Wobus vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg sowie französischen Kollegen - AAV2 gentechnisch so zu verändern, dass es nur noch bestimmte Zellen infiziert und dennoch funktionsfähig bleibt.
Zunächst zu Übungszwecken bauten die Forscher dazu in das Erbgut der Viren das Gen für einen ganz spezifischen molekularen Schlüssel ("Ligand") ein. Dieser kann nur ein bestimmtes Tor ("Rezeptor") zur Zelle öffnen, den Integrin-Rezeptor. Ihn haben nur bestimmte Zellen im menschlichen Körper.
Experimente an Zellkulturen belegen, dass die Viren nach dieser "Umrüstung" spezifisch Zellen infizierten, die den Integrin-Rezeptor auf ihrer Oberfläche tragen. Der sogenannte Wildtyp von AAV2, die "Normalversion", schafft dies hingegen nicht. Darüber hinaus wird durch die gentechnische Veränderung der natürliche Schlüssel der Mikroben quasi deformiert. Es gelingt ihnen kaum noch Zellen zu befallen, in die der Wildtyp problemlos hineinkommt.
"Unsere Forschungen", schreiben die Wissenschaftler in NATURE MEDICINE, "belegen erstmals, dass es möglich ist, AAV2 durch gentechnische Veränderung zu zielgerichteten Vektoren zu machen, die in der Gentherapie, besonders zur in-vivo-Behandlung, eingesetzt werden könnten." Ein Wissenschaftlergremium, dass die Arbeiten vor der Veröffentlichung prüft, bescheinigt ihnen eine "große Bedeutung für das Feld der Gentherapie".
Die nächsten Schritte hat das Forscherteam bereits geplant: Sobald die bereits lau-fenden Sicherheitsstudien in etwa zwei Jahren abgeschlossen sind, wollen die For-scher AAV2 zunächst mit einem spezifischen Schlüssel für Leukämie-Zellen ausrüsten. Derart ausgestattet, sollen die Viren nach einer direkten Injektion in die Blutbahn von Patienten in den bösartigen Zellen Gene deponieren, die gegen diesen Blutkrebs gerichtet sind.
Rückfragen an: Dr. Michael Hallek
Med. Klinik III und Genzentrum
Tel. 089/2180-6774
Fax: 089/2180 6797
e-mail: hallek@lmb.uni-muenchen.de
http://www.LMB.uni-muenchen.de/groups/Hallek/Hallek.htm
Criteria of this press release:
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
transregional, national
Research results
German
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