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11/17/2005 14:26

Stellungnahme des Senats der Universität Heidelberg

Dr. Michael Schwarz Kommunikation und Marketing
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

    zum Entwurf des "Gesetzes zur Änderung des Landeshochschulgebührengesetzes und anderer Gesetze" vom 5. September 2005

    Der Senat der Universität Heidelberg nimmt mit Unverständnis zur Kenntnis, dass der Entwurf des "Gesetzes zur Änderung des Landeshochschulgebührengesetzes und anderer Gesetze" (Anlage zu Az.: 640.5-3/248) vom 5. September 2005 nicht den ursprünglichen Intentionen entspricht, mit denen für Studiengebühren geworben wurde, und zahlreiche Schwachstellen aufweist, die einen unverantwortlich großen Anteil der Studiengebühren zweckentfremden.

    - Studienbeiträge müssen zusätzliche Mittel für die Lehre sein. Die vorgesehenen Verwaltungsabläufe zur Umsetzung des Gesetzes, vor allem zur Bearbeitung der zahlreichen Ausnahmeregelungen und Befreiungstatbestände, werden einen riesigen Verwaltungsaufwand verursachen, der nach dem derzeitigen Entwurf ausschließlich von den Universitäten zu tragen ist.

    - Das derzeitige Konzept des Studienfonds ist nicht akzeptabel. Der Studienfonds hat die Aufgabe, den Ausfall bei der Rückzahlung von Darlehen für Studiengebühren zu decken. Die Öffentlichkeit wird kein Verständnis dafür haben, dass das Darlehensrisiko ausschließlich von den Universitäten zu tragen ist und die Banken in keiner Weise in die Pflicht genommen werden. Angesichts der (unpräzisen) Regelungen des Verzichts auf eine Rückzahlung und der angespannten Haushaltslage der Universitäten bedeutet diese Organisationsform de facto, dass ein beträchtlicher Teil der Studiengebühren zur Risikoabsicherung für nicht zurückgezahlte Darlehen eingesetzt werden muss. Angesichts der weichen Formulierungen der Ausnahmeregelungen kann das Ausfallsrisiko nicht abgeschätzt werden.

    - Die von den Universitäten zu leistenden Einzahlungen an den Studienfonds (Ausfallsrisiko) sollten nicht nach den Studentenzahlen, sondern in den ersten Jahren nach den Zahlen der Darlehensempfänger und später nach den tatsächlichen Ausfallquoten berechnet werden.

    - Der Gesetzentwurf weist mehrere handwerkliche Fehler (unpräzise Formulierungen) auf, von denen einige bei etwaigen Prozessen den Universitäten hohe Kosten verursachen können. Dazu nur zwei Beispiele:

    -- § 6 (1) 1 legt fest, dass von der Gebührenpflicht solche Studierende befreit werden können, "die ein Kind pflegen und erziehen, das zu Beginn des jeweiligen Semesters das achte Lebensjahr noch nicht vollendet hat". Diese unpräzise Formulierung würde es jedem Studierenden, der als Babysitter ein "fremdes" Kind pflegt und erzieht, erlauben, einen Antrag um Befreiung von den Studiengebühren zu stellen. ( Mit dem Hinweis auf diese verbesserungswürdige Formulierung wird keineswegs das grundsätzliche Prinzip in Frage gestellt, dass Studierende mit Kindern Befreiungen erhalten sollen.)

    -- § 9 (3) 2 legt fest, dass der Studienfonds dann an die L-Bank den Ausfall der Rückzahlung zu zahlen hat, "wenn der Aufenthalt des Darlehensnehmers über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten nicht ermittelt werden konnte". Wer wird denn in diesem Falle wie intensiv ermitteln? Soll ein Detektivbüro eingeschaltet werden? Wer kommt für die Kosten einer professionellen Ermittlung auf? Wie hoch dürfen die Kosten für die Ermittlung maximal werden? Warum wird bei ausbleibender Rückzahlung der Darlehen nicht die Schufa eingeschaltet?

    - Mit diesem Gesetz kann die angestrebte Verbesserung der Betreuungsrelation Wissenschaftler : Studierende nicht in dem erforderlichen Maße erreicht werden. Mit den Mitteln der Studiengebühren sollten die Universitäten nicht nur Tutoren oder Lehrmaterialien etc. bezahlen dürfen, viel wichtiger wäre, dass aus den Studiengebühren auch qualifizierte Nachwuchswissenschaftler für die Verbesserung der Lehre (kleinere Gruppengrößen, intensivere Betreuung) finanziert werden können.

    - Die teilweise Verwendung von Studiengebühren zur Einstellung von Nachwuchswissenschaftlern darf sich nicht kapazitätserhöhend auswirken, sondern muss in erster Linie einer Verbesserung der Betreuungsrelationen dienen. Denn auf diesem Gebiet haben die deutschen Universitäten die größten Defizite im Vergleich zu ausländischen Elite-Universitäten.

    Wenn das Gesetz nicht durchgreifend geändert wird, ist zu befürchten, dass ein beträchtlicher Anteil der anfallenden Studiengebühren zweckentfremdet wird bzw. für bürokratische Abläufe und zur Risikoabsicherung eingesetzt wird. Dies ist höchst unsozial und der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln. Auf die Errichtung eines Studienfonds, dessen Kosten von den Universitäten zu tragen sind, sollte deshalb verzichtet werden. Die für den Studienfonds vorgesehenen Aufgaben können dem Bankensystem übertragen werden, das über diese Darlehen einen wichtigen Kundenstock von zukünftigen Akademikern an sich binden kann.

    Falls der Landtag dieses Gesetz trotz aller Einwände beschließen sollte, bitten wir den Gesetzgeber, nach drei Jahren durch unabhängige Wirtschaftsprüfer berechnen zu lassen, wie groß der Verwaltungsaufwand für die Durchführung dieses Gesetzes und die Kosten der Universitäten für den Studienfonds sind.

    Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, welcher Anteil der Studiengebühren tatsächlich für die Verbesserung der Lehre und Studienbedingungen eingesetzt wird und welcher Anteil in einer nicht notwendigen Bürokratie versickert.
    An der Universität Heidelberg wird die Verwendung der Studiengebühren auf Fakultäts- und Institutsebene sehr sorgfältig unter maßgeblicher Beteiligung der Studierenden geprüft und transparent gemacht werden. Eine ähnliche Transparenz über die Verwendung der Mittel erwarten wir auch auf Landesebene.

    Nach Ansicht des Senats der Universität Heidelberg müssen mindestens neunzig Prozent der Studiengebühren unmittelbar für die Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen in den Instituten und Fachbereichen eingesetzt werden.

    Rückfragen bitte an:
    Prof. Dr. Peter Meusburger
    Erster Sprecher des Senats
    Tel. 06221 544535, Fax 545556
    peter.meusburger@urz.uni-heidelberg.de

    Dr. Michael Schwarz
    Pressesprecher der Universität Heidelberg
    Tel. 06221 542310, Fax 542317
    michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
    http://www.uni-heidelberg.de/presse


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    Criteria of this press release:
    interdisciplinary
    transregional, national
    Science policy, Studies and teaching
    German


     

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