Internetprofessor Ralf Steinmetz fordert nach Weltinformationsgipfel mehr Demokratie im Netz und warnt vor Gefahren der zentralen Verwaltung. Steinmetz: "Technisch ist es kein Problem alle weltweiten Anfragen auf die deutsche Endung 'de' umzuleiten oder sogar zu blockieren."
Darmstadt / Tunis. Im Anschluss an den Weltinformationsgipfel in Tunis forderte der deutsche Internetprofessor Ralf Steinmetz in einer Stellungnahme mehr Demokratie im Netz. Statt der bisher praktizierten, zentralen Verwaltung plädierte der Darmstädter Multimediawissenschaftler für eine dezentrale Organisation mit Hilfe des sogenannten Peer-to-Peer-Paradigmas (P2P).
"Durch die zentrale Organisation des WWW entstehen potentielle Risiken, die mit Hilfe neuer Internettechnologien gelöst werden können. Wenn Sie heute zum Beispiel die Seite meines Fachgebietes www.kom.tu-darmstadt.de aus einem Land dieser Erde ansteuern, schlüsselt der zentrale Domain Name Server (DNS) diese Adresse in einen Zahlencode auf - hier 130.83.198.178. Dieser Zahlencode ist praktisch meine Netzanschrift." Das Finden des richtigen Weges zu dieser Anschrift funktioniert hierarchisch: "Es existieren dreizehn zentrale DNS-Rechner, von denen zehn in den USA stehen.", so Steinmetz. Wenn etwa von Australien aus eine deutsche Seite besucht wird, werden Nutzer mit Hilfe dieser DNS-Rechner zuerst an einen zentralen Deutschland-Server geleitet. Hierin sieht Steinmetz das Hauptproblem: "Im Prinzip kann die ICANN einzelne Länder vom Internet ausschließen. Technisch ist es kein Problem etwa alle weltweiten Anfragen auf die deutsche Endung 'de' umzuleiten oder sogar blockieren." Die zentrale Architektur birgt für Steinmetz aber noch weitere Gefahren: "Ein koordinierter Terroranschlag durch Hacken oder physikalische Zerstörung aller dreizehn DNS-Computer gleichzeitig könnte das World Wide Web praktisch zerstören und damit eine globale Katastrophe auslösen.", warnt Steinmetz.
Deshalb arbeitet der Multimediaforscher seit Längerem intensiv an alternativen Organisationsprinzipien wie dem P2P-Paradigma, das den meisten Nutzern bisher lediglich durch Musik- und Filmtauschbörsen bekannt geworden ist: "Wenn Sie das Netz dezentral organisieren, werden die Adresslisten nicht zentral gespeichert, sondern auf vielen verschiedenen Rechnern, die alle miteinander autonom vernetzt sind." Wenn an einer Stelle ein wie auch immer gearteter Eingriff erfolge, könne es mit einer dezentralen P2P-Organisation nicht gelingen, einzelne Länder aus dem Internet auszuklinken oder dem WWW durch Angriffe Schaden zuzufügen. "Wenn also etwa die Endung 'de' auf den 13 DNS-Rechnern gelöscht wird, wird sich im P2P-Netz dennoch ein Rechner finden lassen, der weiß, wo der Deutschlandserver steht. Die Anfrage wird dennoch zuverlässig an die richtige Adresse geleitet." Für den Darmstädter Forscher ist P2P deshalb weit mehr als nur Musiktausch: "Es ist ein alternatives Modell zur Organisation des Internets der Zukunft. Mit Hilfe von P2P kann das Netz nach Adressen durchsucht werden, die zuverlässig gefunden werden. Daran forschen wir."
Internetprofessor Ralf Steinmetz ist Inhaber des Lehrstuhls Multimediakommunikation an der TU Darmstadt und Vorstandsvorsitzender des hessischen Telemedia Technologie Kompetenz-Centers e.V. (httc). Seit 2005 ist er Technologiebeirat des Landes Hessen.
Hintergrund ICANN
Seit 1998 hat die US-Organisation ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) die Oberaufsicht über das weltweite Netz. Die Stiftung ist zwar unabhängig, das Handelsministerium in Washington ist aber weisungsbefugt und besitzt ein Veto-Recht.
http://www.kom.tu-darmstadt.de
http://www.multimedia-communications.net
Internetprofessor Ralf Steinmetz: "Mehr Demokratie im Netz"
Foto:Kathrin Binner
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Internetprofessor Ralf Steinmetz: Netz drohen Gefahren durch zentrale Organisation
Foto: Kathrin Binner
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Criteria of this press release:
Economics / business administration, Information technology, Law, Media and communication sciences, Politics, Social studies
transregional, national
Research projects, Science policy
German
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