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12/08/2005 10:11

Francesco Bianchini (1662 - 1729) und die Anfänge öffentlicher Museen in Rom

Klaus P. Prem Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Augsburg

    Für ihre wegweisende Studie über die Entstehungsgeschichte des historischen Museums wurde die Kunsthistorikerin Dr. Brigitte Sölch in Rom mit dem international renommierten Premio Federico Zeri und in Augsburg mit einem Preis der Universitätsstiftung ausgezeichnet.
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    Wann und wo ist die moderne Vorstellung des historischen Museums, das über Exponate geschichtliche Erkenntnis vermittelt, entstanden? Wie waren entsprechende Konzepte in der frühneuzeitlichen Methodologie der Geschichte verankert und unter welchen ideologischen Leitvorstellungen konnten sie ihre ersten Konturen gewinnen? Die Augsburger Kunsthistorikerin Dr. Brigitte Sölch ist diesen Fragen in ihrer Dissertation über "Francesco Bianchini (1662 - 1729) und die Anfänge öffentlicher Museen in Rom" auf den Grund gegangen. Anfang Oktober 2005 wurde Sölchs Studie in Rom mit dem international renommierten "Premio Federico Zeri" gewürdigt. Ein Preis der Stiftung der Universität Augsburg kam kürzlich als weitere Auszeichnung hinzu.

    Fragen der Museologie nehmen in der heutigen kunstwissenschaftlichen Forschung einen herausragenden Stellenwert ein. Dennoch wurde gerade zur Frühgeschichte der Museen - die in Italien ihre prägenden Stationen durchlief - noch längst nicht alles relevante Material gehoben und ausgewertet. Einen Beleg dafür liefert Brigitte Sölch mit ihrer Dissertation: Ihr ist es gelungen, ein bisher in seiner Priorität völlig verkanntes Museumskonzept neu zu beleuchten und erstmals kritisch zu durchdringen.

    RICHTUNGWEISEND AUF DEM WEG ZUM HISTORISCHEN MUSEUM

    Bekannt als Historiker, Archäologe und Naturwissenschaftler, hat Francesco Bianchini zwischen 1700 und 1710 für den Vatikan das Projekt eines 'Museo Ecclesiastico' entwickelt. Mit Hilfe neu erschlossener Quellen hat Sölch die Museumsidee Bianchinis erstmals rekonstruiert. In einer subtilen Analyse von hier erstmals ausgewerteten Kupferstichen, Zeichnungen und schriftlichen Aufzeichnungen arbeitet Sölch die "Sichtbarkeit der Geschichte" - "la visibilità della storia" - als Leitidee dieser neuartigen Museumskonzeption heraus. Zugleich wird diese Konzeption in einen breiten ideen- und wirkungsgeschichtlichen Kontext gerückt, ihre herausragende Rolle in der Sammlungs- und Wissenskultur des frühen 18. Jahrhunderts wird präzise ermittelt. Sölchs Studie zeigt, wie sich im Zeitalter von Leibnitz und Newton ein italienischer Universalgelehrter gleichermaßen den Natur- und Geisteswissenschaften zugewandt hatte, wie er Astronomie und Antike, Kunst und Geschichte erforscht und aus diesem weiten Horizont heraus mit dem Museumskonzept im Wortsinn das Geschichtsbild seiner Zeit gestaltet hat. Denn das Museo Ecclesiastico sacro, das für den Vatican geplant worden war, kann als wichtige Vorstufe für die Entwicklung des historischen Museums gesehen werden.

    MUSEUMSGESCHICHTE ALS BEITRAG ZUR "ARCHÄOLOGIE DES WISSENS"

    In der Auseinandersetzung mit Bianchini und seinem Konzept führt Sölch die moderne Vorstellung von historischen Museen so erstmals auf ihre historischen Wurzeln zurück; zugleich demonstriert sie, wie die Erforschung der Museumsgeschichte einen wesentlichen Beitrag zur "Archäologie des Wissens" (Foucault) liefern kann. Kollegial betreut von dem Kunsthistoriker Prof. Dr. Andreas Tönnesmann (früher Augsburg, jetzt Zürich) und dem Archäologen Prof. Dr. Valentin Kockel, stehe ihre Dissertation für ein interdisziplinäres, kulturwissenschaftliches Verständnis visueller Wissensgeschichte, hieß es in der Laudatio bei der Verleihung des mit 1500 Euro dotierten Preises der Augsburger Universitätsstiftung. Der offene Blick einer exzellenten Forscherin paare sich hier mit Gelehrsamkeit, strenger Systematik sowie einem sicheren Gespür für Zusammenhänge und verleihe dieser Studie Ausnahmerang.

    INTERNATIONAL RENOMMIERTE ZERI-JURY

    Nicht anders sahen dies Michel Laclotte, ehemaliger Direktor des Musée du Louvre, Willibald Sauerländer, ehemaliger Direktor des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München, sowie Caroline Mary Elam von der National Gallery Washington und Mauro Natale von der Universität Genf als prominente Mitglieder der Jury des Premio Federico Zeri, den Brigitte Sölch am 5. Oktober 2005 bereits in der Villa Medici auf dem Pincio in Rom als Erstprämierte unter den drei diesjährigen entgegennehmen konnte. Zur Auszeichnung gehört der Druck von Sölchs Studie im renommierten Verlag Skira.

    WÜRDIGUNG INNOVATIVER BEITRÄGE ZUR ITALIENISCHEN KUNSTGESCHICHTE

    Der Premio Federico Zeri steht unter der Schirmherrschaft des italienischen Staatpräsidenten. Er wurde 2003 zum Andenken an einen der herausragendsten italienischen Kunsthistoriker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingerichtet. Federico Zeri (1921-1998) war sowohl ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der italienischen Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts als auch ein öffentlicher Anwalt für die Bewahrung des italienischen Kulturerbes. In Deutschland ist er vor allem mit seinem in Übersetzung erschienen Buch "Hinter den Bildern. Die Kunst, Kunstwerke zu sehen" (1987/1989) bekannt geworden. In der internationalen Forschung hat er sich durch grundlegende Werke zur Kunst der Gegenreformation ("Pittura e Contrariforma", 1970) sowie zur visuellen Wahrnehmung Italiens und der Italiener ("La percezione visiva dell'Italia e degli italiani", 1989) einen Namen gemacht. Zeri hinterließ der Kunstgeschichte eine Stiftung an der Universität Bologna, die sich der Elite-Ausbildung des Nachwuchses in einem internationalen Rahmen widmet, sowie seine umfangreiche Fotothek, Bibliothek und eine epigraphische Sammlung. Den Schwerpunkten von Zeris Arbeit entspricht die Ausrichtung des Preises, mit dem alle zwei Jahre alternierend Initiativen für die Bewahrung des kulturellen Erbes Italiens und innovative Forschungsarbeiten zur italienischen Kunstgeschichte ausgezeichnet werden.

    PROMINENTER VORGÄNGER: SALVATORE SETTIS

    Erster Zeri-Preisträger war 2003 Salvatore Settis, gegenwärtig der herausragendste italienische Archäologe und Kunsthistoriker. Er leitet die Scuola Normale Superiore di Pisa und war von 1994 bis 1999 Präsident des Getty Research Institute for the History of Art and the Humanities in Los Angeles. Die diesjährige, zweite Preisverleihung war ausdrücklich der Nachwuchsförderung gewidmet. Es wurden Dissertationen prämiert, um - so die Begründung - junge Forscher auf ihrem Weg in die wissenschaftlichen Institutionen zu unterstützen. Zugleich sollte damit aber auch auf die Erfahrung reagiert werden, dass wesentliche Beiträge zur Forschung häufig aus den Ideen einer innovativen Erstlingsarbeit schöpfen.
    _____________________

    ANSPRECHPARTNERIN:
    Dr. Brigitte Sölch
    c/o Lehrstuhl für Kunstgeschichte
    Universität Augsburg
    86135 Augsburg
    Telefon 0821/598-5667 oder -5662
    brigitte.soelch@phil.uni-augsburg.de


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    Die Kunsthistorikerin Prof. Dr. Gabriele Bickendorf (rechts) und der Archäologe Prof. Dr. Valentin Kockel, einer der beiden Betreuer ihrer Dissertation, waren in Rom mit dabei, als Dr. Brigitte Sölch ...
    Die Kunsthistorikerin Prof. Dr. Gabriele Bickendorf (rechts) und der Archäologe Prof. Dr. Valentin K ...
    Foto: privat
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    ... in der Villa Medici den Premio Federico Zeri entgegennahm.
    ... in der Villa Medici den Premio Federico Zeri entgegennahm.
    Fotos: privat
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    Criteria of this press release:
    Art / design, History / archaeology, Music / theatre
    transregional, national
    Personnel announcements, Research results
    German


     

    Die Kunsthistorikerin Prof. Dr. Gabriele Bickendorf (rechts) und der Archäologe Prof. Dr. Valentin Kockel, einer der beiden Betreuer ihrer Dissertation, waren in Rom mit dabei, als Dr. Brigitte Sölch ...


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