Jena. (23.09.99) Dem Erdbebenrisiko für Ostthüringen gehen Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität genau auf den Grund. In einem Projekt zur "seismischen Mikrozonierung" erstellt ein Team von Geophysikern um Prof. Dr. Gerhard Jentzsch anhand detaillierter Messungen eine spezielle Landkarte, die besondere Gefährdungsgebiete ausweist. Fast täglich ,knackt' es in der Region um Ronneburg und Gera im Untergrund.
Allerdings ist an der Oberfläche von den Minibeben, die auf der Richterskala Werte zwischen 0 und 2 erreichen, fast nichts zu spüren. Indes müsse man in einem Zeitraum von 200 Jahren auch mindestens einer heftigeren Erschütterung gewärtig sein, warnt Jentzsch - etwa so, als 1872 mit Epizentrum Posterstein die Thüringer Erde beinahe so stark bebte wie Anfang September in Athen. Damit gehört Ostthüringen, wie das benachbarte Vogtland, zu den erdaktivsten Zonen Mitteleuropa.
"Es gibt keinen Grund, in Panik auszubrechen", meint Prof. Jentzsch, "aber wir müssen unsere Anstrengungen in der seismischen Forschung erheblich verstärken." Das Projekt mit den beiden Wissenschaftlern Dr. Roswitha Heinrich und Dr. Dieter Kracke startete im Januar und ist zunächst nur bis zum Jahresende bewilligt. Die Zusage über eine Weiterfinanzierung steht bislang noch aus; am besten, so Jentzsch, wäre eine dauerhafte Institutionalisierung, damit schließlich zuverlässige Planungsdaten für die wirtschaftliche Landesentwicklung erarbeitet werden können. Denn welcher Investor möchte schon gern seine High-Tech-Fabrik auf einen Erdbebenherd bauen? Auch für die Talsperrensicherung spielen die Daten eine erhebliche Rolle.
Eine beachtliche Meßinfrastruktur haben die Jenaer Geophysiker inzwischen in der gefährdeten Region installiert. Mit einem Netz von seismischen ,Horchposten' in Moxa, Tautenburg, Posterstein, Reust, Schönfels, Zeulenroda und Plauen ,lauschen' die Forscher ins Erdinnere nach Erschütterungen. Die Daten werden über Nacht in die Jenaer Zentrale überspielt, und ein Computer berechnet die genaue Lage von vertikalen und horizontalen Erdverschiebungen in fünf bis 20 km Tiefe. Zusätzlich zu den sieben Seismometern sollen in Kürze weitere hochsensible Deformationsmeßsysteme über die Region verteilt werden, die geringfügigste Verspannungen an der Erdoberfläche detektieren und so einen allmählichen Druckaufbau erkennen lassen.
"Damit können wir zwar nicht den Zeitpunkt eines Ereignisses vorhersagen, aber die Gefährdungspotenziale immer realistischer einschätzen", erläutert Jentzsch. Peu à peu kommt sein Team den tektonischen Krisenherden in der Ostthüringer Erdkruste auf die Schliche. "Wir liegen zum Glück nicht am Rande einer großen Kontinentalplatte wie Taiwan, Japan oder San Francisco, jedoch gibt es mehrere kleinere Brüche innerhalb unserer tektonischen Formation", beschreibt der Wissenschaftler die Situation. Eine dieser Störungen verläuft in nord-südlicher Richtung, eine zweite von Nordwest nach Südost.
Um die Anforderungen für erdbebensicheres Bauen genauer bestimmen zu können, gehen die Forscher in der seismischen Mikrozonierung noch einen Schritt weiter und analysieren das potenzielle Verhalten der Oberflächensedimente bei tieferliegender Erschütterung. Denn das Schadensausmaß hängt im Falle eines Falles nicht nur von der Magnitude, also dem objektiven Wert der physikalischen Energiefreisetzung, ab, sondern entscheidend auch von der Bodenbeschaffenheit. Je fester, desto bebensicherer, heißt hier die Faustregel: Wer sein Haus auf Sand baut, hat mehr zu fürchten als ein Nachbar, der auf Felsen steht.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Gerhard Jentzsch
Institut für Geowissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Tel.: 03641/948660, Fax: 948662
e-mail: jentzsch@geo.uni-jena.de
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Wolfgang Hirsch
Fürstengraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641/931031
Fax: 03641/931032
e-mail: h7wohi@sokrates.verwaltung.uni-jena.de
Criteria of this press release:
Geosciences
transregional, national
Research projects
German
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