Plankton-Vorhersage
Aus dem Geschaeftsbereich des Bundesministeriums fuer Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie
Nr. 2/1995 v. 22.5.1995
Plankton-Vorhersage
Die Klimaaenderung wird auch die Nordsee nicht verschonen. Dr. Wulf Greve will mit seiner Arbeitsgruppe an der Biologischen Anstalt Helgoland herausfinden, wie die Lebensgemeinschaften des Planktons darauf reagieren. Langfristige Prognosen scheinen auf den ersten Blick wenig aussichtsreich: Zu sehr sind die winzig kleinen Planktonorganismen, die nur wenige Wochen leben, von den schnellen Wetteraenderungen und veraenderlichen Stroemungen abhaengig. Zwischen den zahlreichen unterschiedlichen Formen gibt es zudem ein fast unueberschaubares Netz von Abhaengigkeiten. Dennoch hat Greve bereits jetzt mathematische Gleichungen fuer die Vorhersage der Entwicklung des Zooplanktons aufgestellt. Fuer Zeitraeume von sieben, 14 und 28 Tage testet er derzeit, welche seiner Methoden den geringsten Fehler hat. Auf dieser Grundlage kann man spaeter rechnerisch untersuchen, wie das marine Oekosystem auf den klimatischen Wandel reagiert.
Verhalten des Zooplanktons einfacher vorhersagbar
Wetterschwankungen, Sonnenscheindauer, Stroemungen und Wasserschichtung beeinflussen kurzlebige Organismen, wie das Phytoplankton, sehr viel staerker, als die laenger lebenden Tiere des Planktons. Tiere haben im Laufe der Evolution Faehigkeiten entwickelt, kurzfristige Aenderungen in ihrer Umwelt durch ihr Verhalten und ihren Stoffwechsel auszugleichen. Sie sind damit besser fuer die Entwicklung langfristiger Prognosen geeignet, die ueber den Bereich der Wettervorhersage hinausgehen.
Lange Beobachtungsreihen noetig
Prognosen setzen sehr lange Beobachtungszeitraeume voraus, um erkennen zu koennen, wie sich das Plankton bei unterschiedlichen Wetterlagen verhaelt. Nur so lassen sich Regeln und Abweichungen fuer laengere Zeitspannen ableiten. Umgekehrt koennen erkannte Gesetzmaessigkeiten an den aktuellen Messwerten getestet werden. Korrigierend fliessen in die Vorhersagegleichungen ausserdem die Reaktionen der Tiere auf Veraenderungen ein. Dieser Fortschritt in der Vorhersage oekologischer Veraenderungen war nur moeglich, weil die Biologische Anstalt Helgoland ueber eine der laengsten und umfangreichsten Datenreihen in der Nordsee verfuegt. Seit 1962 werden an der Messstation *Helgoland Reede* an jedem Werktag Wasserproben gesammelt und auf ihren Gehalt an Phytoplankton und Naehrsalzen untersucht. Seit mehr als 20 Jahren bestimmen die Forscher auch die Menge und Artenzusammensetzung des Zooplanktons.
Begriff der Nahrungs*kette* ueberholt
Diese Kausalbeziehungen im Planktonoekosystem sind noch laengst nicht alle erforscht. Am wichtigsten sind zunaechst Schluesselgruppen, die die Hauptrolle in den Nahrungsbeziehungen spielen. Es sind nicht unbedingt die am haeufigsten vorkommenden Arten: Beispielsweise kann im einem Teil des Nahrungsnetzes auf dem Festland ein zahlenmaessig kleines Wolfsrudel die Lebensverhaeltnisse sehr viel staerker veraendern als ebensoviele Rehe oder Schafe. Ist die langfristige Dynamik eines Oekosystems klar, folgt die Analyse der Struktur und der Steuerungsmechanismen. Wegen der grossen Anzahl wichtiger Planktonarten koennen herkoemmliche Vorstellungen von Oekosystemmodellen - wie etwa das Bild von der Nahrungs*kette* - nicht mehr angewendet werden. Vielmehr geht man heute von einem Nahrungs*netz* mit vielfaeltigen Abhaengigkeiten aus. Das Gleichungssystem, das Greve entwickelte, musste deshalb fuer alle Artengruppen gueltig sein.
Criteria of this press release:
Biology, Environment / ecology, Oceanology / climate
transregional, national
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