Astronomen an der Sternwarte der Universität Bonn haben zusammen mit Wiener Kollegen eine Alternative zu bisherigen Modellen der Sternentstehung gefunden. Diese erklärt zum ersten Mal die Entstehung der äußeren Planeten des Sonnensystems in realistischen Zeitskalen. Die Ergebnisse sind in der Dezember-Ausgabe der Fachzeitschrift "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society" (Band 364, Seite 961) erschienen.
Nach bisheriger Auffassung entstand unser Sonnensystem vor etwa 4,6 Milliarden Jahren zusammen mit Hunderten weiterer Sterne aus einer riesigen Gas- und Staubwolke, ähnlich dem heutigen Orionnebel, dem "Schwert" des Himmelsjägers. Die Wolke zerfiel in zahlreiche "Knoten", die wiederum unter ihrer eigenen Schwerkraft zusammenfielen, bis der steigende Druck in ihrem Inneren das nukleare Feuer der Sterne entfachte.
Um viele dieser Sterne, darunter auch unsere Sonne, bildete sich eine Scheibe aus Gas und Staub. Staubteilchen blieben aneinander kleben und formten größere Körner, bis ihre Schwerkraft groß genug wurde, um das umgebende Material wie ein Staubsauger aufzusammeln. Doch ein solcher Prozess dauert für die äußeren Planeten Uranus, Neptun und Pluto zu lange. Nach den derzeitigen Modellen würden etwa hundert Millionen Jahre vergehen, bis sich solche Planeten bilden. Noch mehr Zeit wäre nötig, damit sich "Transplutos", planetenähnliche Objekte am Rande unseres Sonnensystems wie Sedna und 2003 UB313 (Xena), bilden könnten.
"Soviel Zeit hatten die äußeren Planeten aber gar nicht", meinen Diplom-Physiker Ingo Thies und Professor Dr. Pavel Kroupa vom Argelander-Institut für Astronomie (AIfA, Abteilung Sternwarte) der Universität Bonn sowie Dr. Christian Theis von der Universität Wien. Denn Beobachtungen junger Sterne zeigen, dass sich die so genannte "protoplanetare" Staubscheibe schon nach wenigen Millionen Jahren komplett auflöst - astronomisch gesehen ein Wimpernschlag. Das Material wird entweder von der starken Ionenstrahlung der jungen Sonne hinaus getragen, von der Ultraviolettstrahlung heißer junger Riesensterne verdampft oder von den Schockwellen explodierender Sterne fortgerissen. "Uranus und Pluto dürften nach solchen Modellen gar nicht existieren", so die Forscher.
Geburtshelfer im Kreißsaal der Planeten
Mit einem neuen Ansatz glauben die Bonner Wissenschaftler nun der Lösung dieses Rätsels einen großen Schritt näher gekommen zu sein. Die Planeten hatten möglicherweise einen Geburtshelfer: Ein Nachbarstern kam der jungen Sonne mit ihrer Staubscheibe so nahe, dass seine Anziehungskraft den Staubgürtel regelrecht durcheinander wirbelte. Verklumpungen entstanden, die unter ihrer eigenen Schwere zusammenfielen und dabei riesige Wirbel bildeten. In diesen Wirbeln sammelte sich der Staub, etwa wie sich Teekrümel in der Mitte der Tasse sammeln, wenn man den Tee umrührt. Dadurch konnten sich die Staubkrümel viel schneller zu Protoplaneten zusammenballen als in einer ungestörten Scheibe.
Die Entstehungszeit wäre damit kurz genug gewesen, dass sich selbst die äußersten Planeten vor der Zerstörung ihres solaren Kreißsaals hätten bilden können. Computersimulationen, die jetzt in Bonn an einem Hochleistungsrechner durchgeführt wurden, zeigen, dass solche Gravitationsinstabilitäten nicht nur möglich sind, sondern dass die aus ihnen entstehenden Klumpen sogar die richtigen Umlaufbahnen haben. "Ein Neptun oder ein Pluto ist ebenso möglich wie eine Sedna oder ein 2003 UB313", sagt Thies, wobei er auf zwei der größten bisher gefundenen Objekte jenseits des Neptun verweist.
In den nächsten Jahren wollen die Bonner Astronomen diesen neuen Weg der Planetenbildung mit verfeinerten Methoden und verbesserten Rechnern noch genauer unter die Lupe nehmen.
Bilder zu dieser Pressemitteilung gibt's im Internet unter http://hubblesite.org/gallery/album/entire_collection/pr2002005d/
http://hubblesite.org/gallery/album/entire_collection/pr1995045c/
Das Material kann kostenfrei abgedruckt werden; die genauen Copyright-Bedingungen finden sich hier:
http://hubblesite.org/copyright/
Den Originalartikel als PDF-Datei gibt es unter
http://arxiv.org/abs/astro-ph/0510007
Kontakt:
Ingo Thies
Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn (AIfA)
Telefon: 0228/73-3659 oder 04671/930278 bzw. 0174/3970342
E-Mail: ithies@astro.uni-bonn.de
oder Professor Dr. Pavel Kroupa
Telefon: 0228/73-6140
E-Mail: pavel@astro.uni-bonn.de
http://hubblesite.org/gallery/album/entire_collection/pr2002005d/ - Bilder der NASA zur Pressemitteilung
http://hubblesite.org/gallery/album/entire_collection/pr1995045c/ - weitere Bilder
http://hubblesite.org/copyright/ - Copyright-Bedingungen
http://arxiv.org/abs/astro-ph/0510007 - Originalartikel als PDF-Datei
Criteria of this press release:
Geosciences, Mathematics, Physics / astronomy
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).