Start einer neuen Vorlesungsreihe an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt
"Bibliotheca Amploniana. Bildungsgeschichte(n)" lautet der Titel einer neuen Vorlesungsreihe, die die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Erfurt am Dienstag (17.1.2006) um 19.30 Uhr im Coelicum der Katholisch-Theologischen Fakultät (Domstraße 10, Zugang über die Toten Treppe) eröffnet. Die einzelnen Vorlesungen, die in größeren Abständen stattfinden sollen, werden sich mit der Amploniana, einer der bedeutendsten mittelalterlichen Bibliotheken, ihren Beständen und ihrer Geschichte, aber auch mit der mittelalterlichen und neuzeitlichen Wissenschafts- und Universitätsgeschichte beschäftigen.
Seit einiger Zeit sind die Handschriften und Bücher als Dauerleihgabe Teil der Universitätsbibliothek Erfurt, die sich um die bibliothekarischen Belange und die Erschließung dieses Kulturerbes bemüht. Die Katholisch-Theologische Fakultät hat in der Universität die Aufgabe übernommen, Forschungen zur Amploniana zu initiieren und auch entsprechende Projekte zu organisieren. Mit der Vorlesungsreihe, so der Dekan der Fakultät, Prof. Dr. Benedikt Kranemann, wolle man das öffentliche Interesse an der Bibliotheca Amploniana wach halten und wecken. Die einzelnen Vorträge, die sich an ein breiteres Publikum richten, sollen zur Auseinandersetzung mit mittelalterlichem und neuzeitlichem Universitätsleben anregen. Mit der Untertitel "Bildungsgeschichte" wolle man auf die kulturgeschichtliche Bedeutung der Bibliothek aufmerksam machen. Der in Klammern gesetzt Plural zeige an, wie vielfältige "Bildungsangebote" die Amploniana bis in die Gegenwart hinein bereithalte.
Die erste Vorlesung in der neuen Reihe hält der Theologe und Historiker Prof. Dr. Manfred Gerwing, der an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Eichstätt lehrt. Er hat seinen Vortrag unter das Thema gestellt "Kann Gott alles, was er will? 'De apice theoriae' des Nikolaus von Kues oder: Spätmittelalter aktuell". Im Mittelpunkt steht eine Spätschrift des Theologen und Philosophen Nikolaus von Kues, der ein Zeitgenosse des Amplonius war. Die Schrift gilt als eine letzte Fortführung seines denkerischen Ansatzes und fragt nach der Schärfung menschlichen Geistes für das Sehen Gottes. Der Vortrag wird nicht nur in Thema und Argumentation einer spätmittelalterlichen Schrift einführen, sondern zugleich die Frage stellen, inwieweit solche Texte heute noch Aktualität beanspruchen können.
Manfred Gerwing ist im Bereich der mittelalterlichen Theologie ein ausgewiesener Fachmann. Der gebürtige Westfale studierte Katholische Theologie, Philosophie und Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum. In seiner 1985 eingereichten Dissertation hat er sich mit der Spiritualität des Spätmittelalters beschäftigt. Für diese Arbeit erhielt er 1988 den Fritz-Theodor-Epstein-Preis. Seine Habilitation befasste sich 1994 mit dem Antichristtraktat des Arnald von Villanova, einer akademischen Auseinandersetzung an der Wende zum 14. Jahrhundert. Nach dem Schuldienst, Dozententätigkeiten an einem niederländischen Institut und am Institut für Lehrerfortbildung in Mülheim wurde er 2003 auf den Lehrstuhl für Dogmatik an der Universität Eichstätt berufen. Unter den zahlreichen Buchpublikationen, Editionen und Aufsätzen von Gerwing hat ein im Jahre 2000 erschienener Band über Theologie im Mittelalter große Resonanz gefunden. Er liegt bereits in zweiter Auflage vor und befasst sich mit Stationen theologisch-spiritueller Suchbewegungen im mittelalterlichen Deutschland. Gerwing ist überdies federführend für die Theologie als Herausgeber der "Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters" tätig.
Die Amploniana gilt als die größte noch geschlossen erhaltene Handschriftensammlung eines spätmittelalterlichen Gelehrten. Amplonius Rating de Bercka (gest. um 1435), ein Arzt und Gelehrter, hat sie gesammelt und sie 1412 der Erfurter Universität vermacht. Seit dieser Zeit sind der Handschriften- und später dann der auch der Buchbestand ausgebaut worden. In der Amploniana findet man Handschriften vor allem aus Theologie und Philosophie, aber auch aus Medizin, Musik und Mathematik. Sie ist auch deshalb besonders wertvoll, weil sie ein Dokument für die Wissenschaftsgeschichte der frühen europäischen Universität ist. Fachleute schätzen sie als eine der wertvollsten historischen Bibliotheken dieser Zeit in Deutschland.
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