Jenaer Forscher patentieren neues computergestütztes 3D-Verfahren zur Fertigung von "Ersatzknochen"
Jena (07.10.99) Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem individuelle Implantate in kürzester Zeit passgenau modelliert und gefertigt werden können. Das zum Patent angemeldete Verfahren wird bislang nur bei Operationen am Schädel eingesetzt - dessen Komplexität und Funktionalität allerdings hohe Ansprüche an die Jenaer Ingenieure stellt.
Vorliegende zweidimensionale computertomographische Daten des verletzten Patientenschädels werden so aufbereitet, dass ein dreidimensionales Modell entsteht. Diese Simulation wird nun mit einem Referenzmodell - einem ähnlichen, dem Computer bereits bekannten Schädel - verglichen. An diesem Referenzschädel wird die geschädigte Stelle exakt bestimmt und das Implantat vor der Operation virtuell modelliert. Die Daten werden dann per Internet versandt, damit umgehend die Anfertigung des passgenauen Knochenersatzes mit modernsten Konstruktionstechniken gestartet werden kann - prinzipiell können Chirurgen von jedem Ort der Welt aus bestellen.
Die Entwicklung resultiert nur aus der guten Zusammenarbeit zwischen den Ingenieuren und den Medizinern, betont der Projektleiter PD Dr. Wolfgang Fried. Am Projekt, das mit Landesmitteln gefördert wird, sind fünf Institute und Kliniken der Jenaer Universität sowie vier Firmen beteiligt. Bisher wurden mit Hilfe des neuen Verfahrens rund 20 Operationen durchgeführt, bei denen in einem Arbeitsgang Geschädigtes herausgeschnitten und das Implantat eingesetzt werden konnte. Schädelfrakturen nach Unfällen, Schädelkarzinome oder gravierende Missbildungen wurden behandelt. Dabei kann das Implantat eine beliebige Größe und Komplexität haben. In der Praxis "müssen aber die operativen Bedingungen immer realisiert werden", erklärt der Ingenieur. Damit beim Ersetzen eines geschädigten Knochens keine Nerven oder Muskeln durchtrennt werden müssen, um das Implantat einzusetzen, arbeiten die Mediziner und Techniker Hand in Hand. Um dieses Wechselspiel noch effizienter zu gestalten, haben die Forscher - gemeinsam mit Studierenden und Mitarbeitern des Technischen Instituts, wie Dr. Fried betont - eine eigene Software entwickelt. "3D MedWorks" ermöglicht es dem Arzt, das Schädelmodell zwei- oder dreidimensional zu betrachten und die verletzte Stelle sowie das Implantat getrennt zu begutachten. Dadurch kann der Eingriff optimal vorbereitet und das Implantat den operativen Bedürfnissen angepasst werden.
Als Implantatmaterial kommt die Glaskeramik Bioverit II® zum Einsatz - das neue Verfahren erlaubt die Herstellung der Implantate auch aus Titan oder jedem anderen Material. Bioverit®, das vor 18 Jahren in Jena entwickelt wurde, erweist sich als optimaler Werkstoff, der zudem als medizinisches Material zugelassen ist. Außerdem lassen sich mit der Glaskeramik durch das neue Verfahren sowohl großflächige als auch komplizierte und dünnste Strukturen anfertigen. "Wir sind der Meinung: Das kann so zurzeit noch keiner", ist Dr. Fried überzeugt. Die ersten Operationen wurden vor etwa 15 Monaten durchgeführt. "Was wir bisher gesehen haben bestätigt unsere Hoffnung, dass wir einen guten Weg eingeschlagen haben", ist sich Fried sicher.
Seinen Optimismus teilen auch die beteiligten Mediziner. So spricht sich der Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Uni-Klinikums, Prof. Dr. Dr. Dieter Schumann, eindeutig für das Jenaer Verfahren aus: "Alternativen sind zurzeit in dieser Größe, zu diesem Preis und in dieser Passgenauigkeit nicht erkennbar".
Bis Mitte nächsten Jahres will die Forschergruppe das Verfahren weiterentwickeln. Bisher werden rund zwei Tage für die Anfertigung eines Implantats mit mittlerem Schwierigkeitsgrad benötigt - eine vergleichsweise geringe Zeit, die aber noch verkürzt werden soll. Außerdem soll die Fertigung noch effizienter gestaltet und auch der Datentransfer soll weiter beschleunigt werden.
Einen Überblick über das Projekt wird auf der Messe "Medica" gegeben, die vom 17.-20. November in Düsseldorf stattfindet, sowie am 8. Oktober beim Jenaer Workshop "CAE-Glaskeramikimplantate und ihre klinische Anwendung". Ab 14 Uhr stellen die beteiligten Partner im Hörsaal der Uni-Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde (Lessingstr. 2) ihre Erfahrungen mit dem Biomaterial vor.
Ansprechpartner:
PD Dr. Wolfgang Fried
Technisches Institut der Universität Jena
Löbdergraben 32
07743 Jena
Tel.: 03641/947780
Fax: 03641/947702
E-Mail: pwf@rz.uni-jena.de
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Axel Burchardt M. A.
Fürstengraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641/931041
Fax: 03641/931042
e-mail: hab@sokrates.verwaltung.uni-jena.de
Criteria of this press release:
Biology, Information technology, Materials sciences, Mathematics, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Physics / astronomy
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Research results
German
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