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04/24/2006 15:08

Ja zu mehr Autonomie - Nein zum Hochschulfreiheitsgesetz

Ullrich-Eberhardt Georgi Stabsstelle für Presse, Kommunikation und Marketing
Universität Siegen

    Einstimmig hat der Senat der Universität Siegen heute eine Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Hochschulfreiheitsgesetz genanntes neues Hochschulgesetz des Landes NRW verabschiedet. Dabei wird die Absicht der Landesregierung, den Hochschulen mehr Autonomie einzuräumen, begrüßt, der vorliegende Gesetzentwurf insgesamt aber eindeutig abgelehnt.
    Kritikpunkte sind dabei vor allem die vorgesehene Stellung des Hochschulrates und die Auswahl seiner Mitglieder, die Einschränkung der Mitbestimmungsrechte der universitären Gremien sowie die Risiken für die an der Universität Beschäftigten durch die Übertragung der Dienstherreneigenschaft auf die Hochschule.

    Die Stellungnahme des Senats hat folgenden Wortlaut:

    "Der Senat der Universität Siegen begrüßt im Grundsatz die Absicht der Landesregierung, den Hochschulen für ihre weitere Entwicklung hochschulpolitisch größere Gestaltungsspielräume zu eröffnen und hierfür den rechtlichen Rahmen zu schaffen. Dieses Ziel wird jedoch mit dem vorliegenden Referentenentwurf nicht erreicht.
    Dieser Entwurf verstößt gegen grundlegende Prinzipien des universitären Selbstverständnisses und verletzt das Recht der Hochschulen auf institutionelle Selbstverwaltung, das sich aus Art. 5 Abs. 3 GG ableitet. Die Universität Siegen bietet dennoch ihre konstruktive Mitarbeit am weiteren Gesetzgebungsverfahren an. Sie fordert, den vorgesehenen Zeitplan der Verabschiedung und des Inkrafttretens des Gesetzes um mindestens um ein Jahr zu verschieben und die nachstehend aufgeführten Bedenken in einem weiteren Referentenentwurf zu berücksichtigen.

    Das Hochschulfreiheitsgesetz (HFG) schränkt in der jetzt vorliegenden Fassung die Freiheit der Hochschulen ein. Die wichtigsten Entscheidungsbefugnisse liegen beim Hochschulrat, einer Instanz, deren Mitglieder nicht durch die Hochschule legitimiert sind, deren Sachkompetenz nicht gewährleistet ist und die von den Folgen ihrer Entscheidungen nicht betroffen sind. Es entspricht in keiner Weise dem Verständnis einer demokratischen Hochschule, dass Externe, deren Betroffenheit gering ist, über Struktur und Finanzen der Hochschule entscheiden können, ohne dass den Hochschulmitgliedern eine Kontrollmöglichkeit eingeräumt wird.

    Die Hochschulen werden, wenn dieser Entwurf Gesetz wird, weder ihre Ziele noch die Methoden ihrer Erreichung selbst bestimmen können. Zudem engt eine hohe Regelungsdichte den Gestaltungsspielraum der Hochschulen mehr denn je ein, z. B. bei Berufungsverfahren. Solche Veränderungen als Erlangung der hochschulpolitischen "Freiheit" zu bezeichnen, ist in jeder Hinsicht fragwürdig.

    Die im Entwurf betonte wirtschaftliche Autonomie der Hochschulen ist nur eine scheinbare; dagegen ist die wissenschaftliche Autonomie der Hochschulen gefährdet. Forschung und Lehre sind universitäre Aufgaben, die nur einem begrenzten Grad dem freien Markt anheim gegeben werden können, ohne Schaden an ihrer Freiheit zu nehmen. Es ist nicht ersichtlich, wie Studienbedingungen und Forschungsleistung der Hochschule durch das Gesetz verbessert werden können.

    Auch die Freiheit der einzelnen Hochschulmitglieder wird stark beschnitten, da ihnen wesentliche Möglichkeiten genommen werden, auf Entscheidungen ihrer Hochschule über von ihnen selbst gewählte Gremien Einfluss zu nehmen. Dies erscheint nicht nur verfassungsrechtlich problematisch, sondern ist unter organisationspsychologischen Aspekten und selbst im Lichte moderner Managementtheorien fragwürdig.

    Der Übergang der Dienstherreneigenschaft bringt zahlreiche Nachteile für die Hochschule und ihre Beschäftigten sowie für das Land selbst, Vorteile sind nicht erkennbar.

    Die Insolvenzfähigkeit von Hochschulen schließlich kann nur als bildungspolitischer Nonsens und perspektivisch verantwortungsloser Umgang mit Steuermitteln bezeichnet werden und sollte ersatzlos gestrichen werden. Das Land ist in der Verantwortung, durch eine verlässliche Grundfinanzierung der Hochschulen Forschung und Lehre abzusichern.

    Gesetze mit einem so weit reichenden Ausmaß an Veränderungen der Struktur des Hochschulbereichs müssen nach breiter hochschulinterner sowie gesamtgesellschaftlicher Diskussion einschließlich gewissenhafter Folgenabschätzung verabschiedet werden. Die hierfür zur Verfügung gestellte Zeit ist nicht ausreichend.
    Der jetzige Zeitpunkt für eine derart weit reichende und in ihren Folgen bisher kaum abzuschätzende Hochschulreform, wie das HFG sie vorsieht, ist nicht zu vertreten: Die Einführung gestufter Studiengänge, die Umsetzung des Hochschulkonzepts 2010, die Einführung des Globalhaushalts zum 1. Januar 2006 sowie die Einführung und (äußerst aufwändige) Verwaltung von Studienbeiträgen sind politische Vorgaben, die sich noch in der Umsetzung befinden und zu einem erheblichen Aufgabenzuwachs bei gleichzeitiger Personalreduzierung führen."


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    Criteria of this press release:
    interdisciplinary
    transregional, national
    Science policy
    German


     

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