idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
11/23/1999 13:48

Durchbruch bei der Erforschung der DNS

Claudia Brettar Pressestelle der Universität des Saarlandes
Universität des Saarlandes

    Weltweit erstmalig ist es jetzt einer Gruppe von Forschern mit einem neuen Verfahren gelungen, DNS-Stränge zu isolieren, in bestimmte Form zu bringen - sogar mit DNS zu schreiben: Zur Demonstration der Methode haben die Wissenschaftler mit DNS die Buchstaben DNA (englisch für DNS) geformt - eines der ungewöhnlichsten Schriftstücke der Welt - mit einer Buchstabenhöhe von 300 Nanometern (= millionstel Millimeter) auch eines der kleinsten. Das neue Verfahren ist ein Meilenstein für die zukünftige Forschung - sogar für die Weiterentwicklung der Miniaturisierung von Computern. Entstanden ist es im Rahmen einer Kooperation der Saarbrücker Experimentalphysik (Prof. Uwe Hartmann) mit Wissenschaftlern des Shanghai Institute of Nuclear Research.

    Die Desoxyribonukleinsäure, bekannt unter dem Kürzel DNS, ist als Träger der genetischen Information Bestandteil der Zellkerne aller Lebensformen. Sie gleicht einem ungeordneten Wollknäuel; die langen Stränge winden sich um sich selbst und bilden ein nur schwer zugängliches und kaum zu "bearbeitendes" Wirrwarr. Jetzt haben deutsche und chinesische Forscher an der Saar-Uni Ordnung in das Chaos gebracht: Mit einem neuen Verfahren können die Forscher DNS-Stränge separieren, ordnen, in Muster, etwa in Rautenform, bringen - ihr Verfahren erlaubt es ihnen sogar, mit der DNS zu schreiben: Zur Demonstration ihrer neuen Methode haben sie die Buchstaben DNA aus selbiger geformt. - In einer Größe, die nicht mehr vorstellbar ist - 300 Nanometer, 300 millionstel Millimeter; die Breite eines menschlichen Haares erscheint demgegenüber riesig.

    Hinter dieser scheinbaren Spielerei steckt ein sensationeller Durchbruch, der die Forschung in vielen Bereichen weiterbringen wird. Er wurde bereits im ersten Jahr einer Kooperation des Saarbrücker Experimentalphysikers und Nanotechnologen Prof. Uwe Hartmann mit führenden chinesischen Wissenschaftlern des Shanghai Institute of Nuclear Research erzielt: Die Physiker Prof. Min-Qian Li, (außerdem Mitglied der Chinese Academy of Sciences sowie Direktor des Shanghai Joint Center of Nanotechnology) und Prof. Jun Hu sowie der Molekularbiologe Yi Zhang sind momentan im Rahmen dieser Zusammenarbeit Gäste der Saarbrücker Physik.
    Das am 1. Januar 1999 gestartete Kooperationsprojekt zwischen der Saar-Uni und dem Shanghai Institute of Nuclear Research, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird, vereinigt die Physik mit den Lebenswissenschaften - ein Gebiet auf dem die Saarbrücker Physiker ohnehin Pioniere sind: hier arbeitet der Mediziner Dr. Rainer Hanselmann am Lehrstuhl von Professor Hartmann - eine Zusammenarbeit, die bereits sehr effektiv ist.

    Das neue Verfahren
    Das zweistufige chemisch-nanomechanische Verfahren ist auf alle Arten der DNS anwendbar. Die erste Stufe dieser Technik ermöglicht es, die DNS "in gerade Form" bzw. in ein thermodynamisch stabiles Muster aus gestreckten Strängen zu bringen - etwa in eine Netzstruktur. In einer zweiten Stufe kommt ein spezielles Rasterkraftmikroskop als Werkzeug zum Einsatz. Mit seiner scharfen Spitze ist es möglich, die im ersten Schritt "zurechtgelegte" DNS zu bearbeiten, also etwa aus der Netzstruktur ein einzelnes Rechteck heraus zu schneiden.
    Dabei kommt diese Methode ganz ohne extreme Voraussetzungen - wie besonders niedrige Temperaturen, oder bestimmte Druckverhältnisse - aus: Untersuchungen sind möglich bei Zimmertemperatur!

    Messungen am Einzelmolekül
    Das neue nanotechnologische Präparationsverfahren ermöglicht erstmals eine Vielzahl von Messungen an einzelnen gestreckten DNS-Strängen und Teilsequenzen vorgebbarer Länge.
    In Saarbrücken sollen derartige Messungen insbesondere zur Klärung einer zur Zeit sehr kontrovers diskutierten Fragestellung durchgeführt werden: Wie gut leitet DNS den elektrischen Strom? Bisherige Beobachtungen deuten darauf hin, dass DNS-Moleküle außerordentlich interessante elektronische Eigenschaften besitzen. Das in der Saarbrücker Experimentalphysik entwickelte Verfahren erlaubt es nun weltweit erstmalig, den elektrischen Widerstand einzelner DNA-Stränge als Funktion der Länge des Stranges und als Funktion der angelegten elektrischen Spannung zu messen.
    Die elektrische Leitfähigkeit ist nicht nur hinsichtlich der gezielten technischen Verwendung von DNS-Molekülen von Bedeutung, sondern auch zur Beantwortung einer grundlegenden molekularbiologisch-genetischen Fragestellung. Kommt es z.B. durch Einwirkung radioaktiver Strahlung zu einer lokalen Schädigung des DNS-Stranges, so kann dies zu einer nachhaltigen Veränderung des genetischen Codes, d.h. zu einer Mutation führen. Mutationen bestehen also letztlich in definierten atomaren Veränderungen an bestimmten Positionen entlang eines DNS-Stranges. Überraschenderweise treten diese Veränderungen allerdings durchaus nicht immer am Ort der ursprünglichen Schädigung des Stranges auf, sondern teilweise an räumlich weit entfernten Positionen. Das neue Nanomanipulationsverfahren erlaubt nun Messungen, die Aufschluss darüber geben könnten, wie der chemische Informationstransfer entlang des DNS-Stranges erfolgt.

    Anwendungen
    Die jetzt realisierbare Art des Zugriffs auf die DNS eröffnet eine neue Welt der Möglichkeiten in der Forschung und wird Auswirkungen auf eine heute nicht absehbare Vielfalt von Forschungsbereichen haben. Sie wird fundamentale Grundlage etwa für Weiterentwicklungen in der Biotechnologie, der Molekularbiologie, der Medizin, der Nanotechnologie bis hin zur Elektrotechnik sein.
    Einen wesentlichen Fortschritt sehen die Forscher heute bereits für die Miniaturisierung technischer Geräte - etwa des Computers. Mit Hilfe dieser Technologie können in Zukunft völlig neuartige DNS-Bauelemente hergestellt werden, die in der Mikroelektronik eingesetzt werden können. Diese molekulare Elektronik wäre auch wesentlich anpassungsfähiger. Es könnte etwa ein DNS-"Draht" entwickelt werden, der statt heute bei Mikro-Bauelementen machbarer 100 Nanometer (millionstel Millimeter) nur noch erstaunliche 2 Nanometer "groß" wäre. Ein DNS-Transistor (Halbleiterbauelement in fast jedem modernen technischen Gerät) würde die heute bekannte Technik auf kleinstem Raum möglich machen.
    Ein besonders interessanter und vielversprechender Aspekt für die Herstellung nanoskaliger Bauelemente oder sogar kompletter molekularer Maschinen ist die Fähigkeit der DNS zur "Selbstorganisation". Dieser Mechanismus, der in natürlicher Weise bei der Zellteilung genutzt wird, könnte gezielt dazu eingesetzt werden, dass sich die für einzelne Funktionen, ganze Bauelemente oder sogar komplette molekulare Maschinen benötigten DNS-Strangabschnitte automatisch reproduzieren und in genau vorgegebener Weise selbst zu größeren Einheiten zusammenfinden. Auch die Tatsache, dass die DNS in der Lage ist, eine unvorstellbare Menge an genetischen Informationen zu speichern, ist für technische Anwendungen im Bereich der Informationstechnologie natürlich von erheblichem Interesse. Es handelt sich bei der DNS also um ein für die verschiedensten nanotechnologischen Anwendungen idealen Baustein.

    Die Wissenschaftler versprechen sich auch schon sehr bald neue Erkenntnisse über das Warum von Mutationen und das Verhalten der DNS bei Manipulation - was die Medizin im Kampf gegen Erbkrankheiten und andere durch Mutation entstehende Krankheiten wie Mukoviszidose oder Brustkrebs gleich mehrere Schritte vorwärts bringen kann.
    Hier sind die Forscher in Saarbrücken ebenfalls bereits am Werk: Durch das neue Verfahren ist es schon heute möglich, auch die kleinste Mutation im DNS-Strang, die eine Krankheit verursacht, aufgrund des ersten Verfahrensschritts auf atomarer Ebene direkt sichtbar zu machen und in der zweiten Stufe mit Hilfe der Spitze des Rasterelektronenmikroskops als Werkzeug sogar herauszuschneiden.

    Der Mediziner Dr. Rainer Hanselmann, der im Team von Professor Hartmann arbeitet, erhofft sich durch die neue Technik auch Erkenntnisse zur Interaktion der Proteine (Eiweiße) mit den Genen, die wesentliche Voraussetzung für das Leben ist. Die Grundlagen dieser Interaktion sind, trotz der großen Erfolge der Genetik, z.B. im Rahmen des weltumspannenden humanen Genom-Projekts, weitestgehend unbekannt.

    Zur Person:
    Der Experimentalphysiker Prof. Dr. Uwe Hartmann ist Nanotechnologie- und Nanoskopie-Experte (er wurde u.a. vom Bundesforschungsministerium in den Sachverständigenkreis Nanotechnologie berufen, der die Bundesregierung und das BMBF berät). 1998 wurde er für die Entwicklung des Raster-Squid-Mikroskops mit dem Philip Morris Forschungspreis, einem der höchstdotierten Forschungspreise der Bundesrepublik, ausgezeichnet.

    Prof. Min-Qian Li ist einer der Pioniere und Mitbegründer des neuen Gebietes der Nano-Biotechnologie. Der Physiker arbeitet am Shanghai Institute of Nuclear Research der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und ist gleichzeitig Direktor am Shanghai Joint Center of Nanotechnology. Prof. Li arbeitete im Rahmen seiner internationalen Tätigkeit u.a. an der University of California in Santa Barbara, am Tokyo Institute of Technology und in Deutschland an Max-Planck-Instituten für Kernphysik und Biophysikalische Chemie. Prof. Li wurde mit mehreren wissenschaftlichen Preisen für herausragende interdisziplinäre Forschungsleistungen in der Nanobiologie ausgezeichnet. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit koordiniert Prof. Li den Aufbau und die Entwicklung der Nanotechnologie in der Volksrepublik China. Prof. Li verbringt regelmäßig mehrmonatige Forschungsaufenthalte an der Universität des Saarlandes in der Arbeitsgruppe von Prof. Hartmann.

    Sie haben noch Fragen? Dann setzen Sie sich bitte mit Herrn Professor Uwe Hartmann in Verbindung: Tel: 0681/302-3798, 3799; e-mail: u.hartmann@rz.uni-sb.de


    Images

    Criteria of this press release:
    Biology, Information technology, Materials sciences, Mathematics, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Physics / astronomy
    transregional, national
    Research projects, Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).