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06/24/1997 00:00

Die Debatte um die Kernenergie

Jochen Brinkmann Kontaktstelle Schule - Universität
Technische Universität Clausthal

    Die Debatte um die Kernenergie - Grundlagen und Hintergründe

    Das Thema Energie, insbesondere Kernenergie ist seit Jahrzehnten in der Öffentlichkeit heiß umstritten. Nun widmete sich Forum Clausthal am Montag im CUTEC-Institut der Fragestellung. Zunächst wurden die Grundlagen der Entsorgungskonzepte erläutert. So trug Professor Dr. A. G. Herrmann, seit kurzem im Ruhestand lebend, vormals Institut für Mineralogie und Mineralische Rohstoffe der TU Clausthal, über die Grundlagen langfristig sicherer Deponien anthropogener Abfälle vor. Professor Dr. H. Röthemeyer vom Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter stellte die Möglichkeiten zur Realisierung solcher Deponien dar. Dr. M. Cosack, gleichfalls vom Bundesamt für Strahlenschutz, referierte zu den Sicherheitsaspekten beim Transport radioaktiver Stoffe. Nachdem in dieser Weise die technischen Grundlagen des Verständnisses gelegt waren, widmete sich Professor Dr. O. Renn von der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Stuttgart der Thematik aus einem anderen Blickwinkel und griff leitmotivisch eine Feststellung von Konrad Lorenz auf: "Die Gefährdung der heutigen Menschheit, scheint nicht so aus der Macht herzurühren, physikalische Gesetze zu beherrschen, als aus der Ohnmacht, das soziale Geschehen sinnvoll zu steuern."

    Eine generelle Technikfeindlichkeit gebe es in Deutschland nicht, stellte Professor Renn als Resultat soziologischer Untersuchungen fest. Eine grundsätzliche tief pessimistische Ablehnung der Technik gebe es nur in alternativen und kulturpessimistischen Zirkeln, die gerade mal drei Prozent der Bevölkerung ausmachten. Die Menschen unterschieden zwischen der Technik, die sie für den Konsum benötigen könnten - nirgendwo würden soviele Videogeräte und Eierkocher verkauft wie in Deutschland - , der Technik am Arbeitsplatz, die ebenfalls bereitwillig angenommen würde, auch wenn die Deutschen hierbei oft nicht zu den Vorreitern gehörten, und schließlich der Technik als Nachbar, dem Kraftwerk, der Raffinerie vor der Haustüre. "Wenn gefragt wird, soll die Kernenergie auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der Energieversorgung besitzen?", sind 85% dafür", berichtete Renn, "wenn gefragt wird, sind sie damit einverstanden, daß ein Kernkraftwerk vor Ihrer Haustüre gebaut wird, sind 95% dagegen." Dieser Effekt ist aber nicht landestypisch, in Amerika wird dieses Verhalten als "Nimpy" charakterisiert (Not in my backyard). Bei Konsumgütern entscheidet das Kaufverhalten über die Akzeptanz. "Die Solartechnik steht in der Gunst ganz oben. Jeder liebt sie, keiner kauft sie". Aristoteles zitierend, lud Renn seine Zuhörer zum Zweifel an seinen Ausführungen ein, denn der Zweifel sei die "Mutter der Erkenntnis".

    Dr. Schlicht, designierter evangelischer Studentenpfarrer und zur Zeit noch Pfarrer in Bardowick, einer Gemeinde in der Nähe von Lüneburg, hatte sich beim letzten Castor-Transport gemeinsam mit anderen Pfarrern zwischen Demonstranten und Polizei gestellt, als Deeskalierer. Sein Eindruck: Es gehe bei den Protesten längst nicht mehr nur um einen reinen Protest gegenüber der Kernenergie, sondern es seien Zukunftsängste, die sich symbolisch Bann brächen. Renn bestätigte diese Vermutung: Die Natur werde heute oft gleichgesetzt mit Stabilität, "Unschuld", sie sei die säkularisierte Form der Sinnvermittlung. Zur Technik nähmen die Menschen hingegen zunehmend eine ambivalente Haltung ein, Staunen und Schaudern. Sie vermittle ungleiche Lebenschancen und verkörpere die ständige Modernisierung unserer Lebensweise. Für viele sei sie zum säkularisierten äquivalent der Sünde geworden.

    So wurde ersichtlich, wie sehr die Diskussion um die Kernenergie untergründig mit anderen Themen und Ängsten aufgeladen ist; eine Bestätigung des Eingangszitates von Konrad Lorenz. Der Mensch kann Naturgesetze beherrschen, er ist ohnmächtig, das soziale Geschehen sinnvoll zu steuern. Eine Besonderheit bot die diesmalige Forum Clausthal Veranstaltung: Sie wurde im Mbone des Internet übertragen. So konnte der Veranstaltung gleichzeitig wie bei einer, allerdings technisch bescheidenen Videoübertragung in anderen Hochschulen verfolgt werden. Aus etwas zehn deutschen Hochschulen gab es zeitweise Zuschauer. Die Technologie steckt in den Anfängen und das Rechenzentrum der Universität erprobt die neuen Möglichkeiten.


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