Auch wenn es keine alleinige Erklärung für alle Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen gibt: Hinter Aggressionen, genauso wie hinter anderen Auffälligkeiten oder körperlichen Symptomen, kann eine Depression stecken. Darauf weist das "Berliner Bündnis gegen Depression" gerade auch angesichts der mitunter vereinfachten Diskussion über Gewalt an Schulen hin. Insgesamt wird das Thema Depressionen im Kindes- und Jugendalter teils sträflich vernachlässigt. Das hat auch damit zu tun, dass die Erscheinungsbilder sich von denen bei depressiven Erwachsenen meist unterscheiden und dass sowohl Eltern als auch Ärzte zu selten auf die Idee kommen, das Kind könne an einer Depression leiden. "Die Folge ist oft eine viel zu späte fachkundige Behandlung", erklärte jetzt Dr. Meryam Schouler-Ocak, Leiterin des Berliner Bündnisses.
Es ist noch gar nicht lange her, als auch Fachkreise davon ausgingen, dass es bei Kindern Depressionen gar nicht geben könne. Inzwischen ist klar, dass immerhin rund zwei von 100 Kindern im Vor- und Grundschulalter an einer Depression erkranken. Ab der Pubertät steigt die Häufigkeit an. Insgesamt beträgt die Möglichkeit, im Laufe der gesamten Jugendzeit eine Depression zu erleiden, zwischen 9,4 und 18,5 % (nach verschiedenen Angaben in der Fachliteratur).
AUSLÖSER können - müssen aber nicht - frühkindliche Erfahrungen sowie aktuell Tod oder Trennung in der Familie oder von engen Bezugspersonen sein. Wenn Eltern depressiv sind, kann sich das ferner auf den Nachwuchs auswirken. In Fachkreisen ist heute unumstritten, dass sowohl Komponenten aus der persönlichen Umwelt als auch biologische Faktoren eine Rolle dabei spielen, ob ein Mensch anfällig für Depressionen ist oder nicht. Als verstärkend für seelische Krankheiten bei Kindern gelten zudem gesellschaftliche Faktoren wie soziale Ungleichheit, Migrationshintergrund und zu große Leistungsanforderungen, aber auch "Beliebigkeit" oder Vernachlässigung in der Erziehung.
Die SYMPTOME unterscheidet sich nicht nur je nach Alter, sondern auch stark von Fall zu Fall, so dass die Abgrenzung von "normaler" Traurigkeit bei Kindern und besonders in der Pubertät schwierig sein kann. Eltern, Lehrer und Ärzte übersehen die Depression viel zu häufig. Auch falsche Ratschläge wie "Reiß Dich doch zusammen" tragen dazu bei, dass die Depression nicht behandelt wird. Zudem haben Betroffenen und deren Familien Angst davor, als "verrückt" abgestempelt zu werden.
Bei Kindern sind die Anzeichen der Depression fast immer untypisch. Erst im Jugendalter ähneln sie denen von Erwachsenen. Bei jüngeren Kindern ist es besonders wichtig, ihr Spiel-, Ess- und Schlafverhalten zu beobachten. Bei älteren Kindern muss zusätzlich auch der Umgang mit Leistungsanforderungen beachtet werden. Besonders wichtig ist es ferner, auch Eltern, Lehrer oder Kindergärtnerinnen zu befragen. Letztlich können nur Fachärzte und Psychotherapeuten die DIAGNOSE sicher stellen. Eine enge Kooperation mit Familienärzten ist daher besonders wichtig.
Die BEHANDLUNG von depressiven Kindern und Jugendlichen besteht zunächst in einer Psychotherapie, in die in der Regel auch die Familie einbezogen wird. Auch Interventionen im Lebensumfeld können angezeigt sein. Mitunter ist zusätzlich eine Gabe von antidepressiven Medikamenten notwendig, die genau auf Alter des Patienten und Art der Depression abzustimmen sind. Auch wenn gerade bei Kindern und Jugendlichen besondere Sorgfalt im Umgang mit Psychopharmaka notwendig ist: Sie sind besser als ihr Ruf. Hier kann "ideologische Voreingenommenheit" schaden. Eine stationäre Behandlung von depressiven Kindern und Jugendlichen in Fachkliniken ist nur in besonders schwerwiegenden Fällen notwendig.
Betreuerinnen und Betreuer, Lehrkräfte, Eltern und andere Erwachsene aus der engeren Umgebung können HELFEN, verspätete Diagnosen und Therapien zu vermeiden, indem sie auf Verhaltensänderungen wie Leistungseinbruch, sozialer Rückzug, ständige Gereiztheit, häufige Traurigkeit oder gar suizidale Äußerungen achten. Sie sollen jedoch weder eine Diagnose stellen noch therapieren, sondern ihre Eindrücke übermitteln und Hilfe vermitteln. Für Lehrkräfte stehen ebenfalls Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Wichtig für alle, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, welche an einer Depression leiden: akzeptieren, vermitteln, dass es sich ebenso wie bei körperlichen Störungen um eine Krankheit handelt, einbinden in Unterricht und soziales Leben, ohne zu überfordern, Schonraum bieten, ohne störendes Verhalten hinzunehmen, zu kleinen Schritten ermutigen und positive Rückmeldungen auch bei kleinen Erfolgen geben.
Bei sehr schweren Depressionen, die mit Selbsttötungsgedanken und -äußerungen einhergehen, ist die Thematisierung durchaus angezeigt; dies sollte aber nicht zum Beispiel im Klassenverbund geschehen. Denn auch bei gut gemeinter Vermittlung der Problematik sind die Folgen schwer einschätzbar, unter anderem, weil kaum ein Einzelner vor den anderen Schülern nachfragen wird, wenn er gefährdet ist. Auch Nachahmungen (Werther-Effekt) sind nicht auszuschließen. Günstiger ist es, generell zu vermitteln, welche Hilfsangebote es für Jugendliche in einer Krise gibt.
Zusammengefasst: Auch Kinder und Jugendliche können depressiv sein. Die Unterscheidung zwischen einer normalen Verstimmung und einer Krankheit müssen Fachleute vornehmen. Die Behandlung hat sehr gute Erfolgsaussichten. Und: Das Umfeld des Betroffenen kann zur rechtzeitigen Erkennung und zur Genesung viel beitragen.
HINWEIS FÜR LESERINNEN UND LESER IN BERLIN UND UMGEBUNG:
Eine kostenlose Informationsbroschüre über Depressionen und ihre Behandlung mit Kontaktadressen auch für Jugendliche, Eltern etc. kann angefordert werden beim:
Berliner Bündnis gegen Depression
Psychiatrische Universitätsklinik der Charité (Mitte) im St. Hedwig Krankenhaus
Große Hamburger Straße 5-11, 10115 Berlin
Tel.: 030/2311-2120; Fax: -2787
Mail: kontakt@berlinerbuendnisgegendepression.de
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Criteria of this press release:
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Psychology, Social studies
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German
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