(Berlin, 28. Juni 2006) Das Deutsche Studentenwerk (DSW) befürchtet, dass die soziale Schieflage im deutschen Hochschulsystem durch Studiengebühren noch verschärft wird. DSW-Vizepräsident Prof. Dr. Hans Lilie sagte in Berlin: "Studiengebühren sind Gift für die Chancengleichheit im deutschen Hochschulsystem. Sie können insbesondere auf junge Menschen aus einkommensschwächeren und Mittelstands-Familien abschreckend wirken. Gerade diese Schichten sind aber an unseren Hochschulen bereits jetzt deutlich unterrepräsentiert." Lilie verwies auf die soziale Zusammensetzung der Studierenden, wie sie in der aktuellen Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks abgebildet ist. Vier Fünftel der Kinder aus einkommensstarken Haushalten schaffen den Sprung an die Hochschule, aber nur ein Zehntel der Kinder aus einkommensschwächeren Familien. "Die soziale Ungleichheit, die in der Schule ihren Ausgang nimmt, wird durch Studiengebühren ins Hochschulsystem fortgesetzt", sagte Lilie.
"Studiengebühren sind auch ökonomisch widersinnig", betonte der DSW-Vizepräsident. "Sie erschweren den Zugang zu höherer Bildung; das ist das Gegenteil dessen, was Deutschland braucht. Um unsere Innovationskraft zu stärken und einem Fachkräftemangel in der Wirtschaft entgegen zu wirken, müssen wir mehr junge Menschen gerade aus bildungsfernen Schichten für ein Hochschulstudium mobilisieren. Das schafft man nicht mit Studiengebühren."
Der in Halle lehrende Straf- und Medizinrechtler führte weiter aus: "Studiengebühren verteuern das Studium, sie belasten die Studierenden und deren unterhaltsverpflichtete Eltern. Die soziale und wirtschaftliche Situation vieler Studierenden ist schwierig genug. 27% der Studierenden haben weniger als 600 Euro im Monat zur Verfügung." Gerade für diese Studierenden seien die geplanten 500 Euro Studiengebühren im Semester eine erhebliche Belastung. "Und in Hessen sollen in Zukunft Master-Studierende ja schon mit 1.500 Euro im Semester zur Kasse gebeten werden!"
Jene Bundesländer, die Studiengebühren einführen, bieten den Studierenden Darlehen der jeweiligen Landesbanken an; diese Kredite müssen erst nach dem Studium zurückgezahlt werden. Dies sei, so wird argumentiert, sozialverträglich. Dieses Argument überzeugt den DSW-Vizepräsidenten nicht. "Am Ende stehen wenig finanzkräftige Studierende mit Schulden da. Wer die Studiengebühren leichter bezahlen kann, ist schuldenfrei. Das ist nicht sozialverträglich", kritisierte Lilie. "In Nordrhein-Westfalen gilt eine Kappungsgrenze von 10.000 Euro für BAföG-Darlehensanteil plus Studiengebühren-Darlehen als sozialverträglich, in Hamburg sollen es 17.000 Euro sein. Das zeigt die Dehnbarkeit und Fragwürdigkeit des Begriffs."
Von einem Stipendiensystem, das zur sozialen Abfederung von Studiengebühren immer wieder ins Feld geführt wird, sei man in Deutschland weit entfernt, klagte Lilie. "Gerade einmal 2% der zwei Millionen Studierenden erhalten derzeit ein Stipendium, und selbst das reicht in den meisten Fällen nicht aus. Neue Stipendienprogramme sind nicht in Sicht; bisher blieb es bei Lippenbekenntnissen."
Kontakt: Stefan Grob, Tel.: 030/29 77 27-20, E-Mail: stefan.grob@studentenwerke.de
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interdisciplinary
transregional, national
Science policy, Studies and teaching
German
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