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01/12/2000 14:22

Raumplaner beobachten Einwanderung am Borsigplatz

Ole Lünnemann Referat Hochschulkommunikation
Universität Dortmund

    (Uni Dortmund 12.01.00) Vier Aspekte spielen bei der Veränderung eines traditionsgeprägten Stadtviertels durch Zuwanderung von neuen Bewohnern eine besondere Rolle: Der Umgang der Etablierten mit Hinzukommenden oder Außenstehenden, Veränderungen infolge des Wechsels der Generationen, Prozesse der Modernisierung und andere prägende Einflusse, etwa seitens der umgebenden Arbeitswelt. Das Fachbegiet Geographische Grundlagen der Fakultät Raumplanung hat eine umfassende Studie über das Dortmunder Borsigplatz-Viertel erarbeitet und jetzt mehr als 225.000 DM Drittmittel für weitere Untersuchungen eingeworben.

    1998 startete am Institut für Raumplanung an der Universität Dortmund (IRPUD) ein Projekt zu den Auswirkungen der Einwanderung auf Alteingesessene im Borsigplatzviertel, einem klassischen Zuwanderungsstadtteil im Dortmunder Norden. Fundgrube der Wissenschaftler waren biographische Erzählungen langjähriger Bewohner/innen, die zum Teil im Viertel geboren sind. Dipl.-Ing. Gerold Caesperlein und Dipl.-Ing. Katrin Gliemann konnten unter der Leitung von Prof. Volker Kreibich (Fachgebiet Geographische Grundlagen) immer wieder vier Aspekte herausstellen:

    1) Etablierten-Außenseiter-Konflikte, die parallel auf mehreren Ebenen ausgetragen werden: Hier geht es um die sich verändernde Rolle und den Einfluß der überwiegend deutschen Hausbesitzer/innen, der Geschäftsleute, der Facharbeiter/innen, der Einwander/innen seit den 60er Jahren und deren Nachkommen. Hinzu kommen Konflikte zwischen dem Stadtteil und der übrigen Stadt.

    2) Ambivalent erlebter und gewerteter Generationswechsel: Gerade ältere und alte Einwohner/innen müssen erkennen, dass ihre eigenen Lebens- und Wirtschaftskonzepte von den eigenen Kindern außerhalb des Viertels nicht weiter verfolgt werden, im Viertel aber von neuen Einwander/innen weiter erfolgreich angewandt werden.

    3) Ungleichzeitig ablaufende Modernisierungsprozesse: In den letzten Jahrzehnten ist eine enorme Zunahme an Entscheidungsmöglichkeiten für die eigene Biographie zu verzeichnen. Während sich am Borsigplatzviertel alte Lebens- und Wirtschaftskonzepte bis heute halten, sehen viele Menschen diese Konservierung als Einengung. Sie reagieren mit der Flucht aus dem Viertel, um sich dem Veränderungstempo und den sich damit bietenden (Emanzipations)Chancen der übrigen Stadt anzupassen.

    4) Der starke Einfluß eines Montankonzerns, der zusammen mit einer städtebaulich massiven Trennung von der übrigen Stadt eine sehr eigenständige Entwicklung ermöglicht hat: Das Stadtviertel am Borsigplatz wurde von der Montanindustrie stärker beeinflußt als von Stadt und Staat zusammen. So konnte sich im Schatten der Industrie eine besondere wirtschaftliche und damit auch soziale Struktur entwickeln.
    Konflikte nur scheinbar ethnischer Natur

    Die konkrete Verschränkung dieser vier Aspekte mit der Einwanderung seit den 60er Jahren führt zu ethnisierten Konflikten, deren Ursachen aber - so die Feststellung der Wissenschaftler - nicht ethnischer Natur sind.

    Die im Projekt der Raumplaner schon entwickelten Planungsvorschläge für den Stadtteil sollen nun parallel zum neuen Forschungsprojektes im Jahr 2000 vor Ort diskutiert werden. Es gilt, die Umsetzungschancen auszuloten und konkrete Veränderungen auch realisieren zu können. Von Bedeutung ist aber, daß die Umsetzung aus dem Stadtteil selbst heraus erfolgt, da die Bevormundung in der Vergangenheit durch die übrige Stadt, Teil des Problems und damit nicht der Lösung ist.

    Das neue Projekt - »Grenzland oder Schmelztiegel? Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen von Einwander/innen unterschiedlichster Herkunft in einem traditionellen Zuwanderungsstadtteil« kann wegen der bisherigen Untersuchungen nun mit umfangreichem Vorwissen gestartet werden.

    Es wird mit 228.000 DM von der Volkswagen-Stiftung im Rahmen ihres Förderschwerpunktes »Das Fremde und das Eigene« finanziell unterstützt. Die Laufzeit beträgt 21 Monate, beginnend im März 2000.

    Die Forschungsgruppe will dabei einen noch stark vernachlässigten Aspekt untersuchen: die Kontakte zwischen unterschiedlichen Einwandern/innen beziehungsweise einzelnen Einwanderungsgruppen. Die heutige Stadtplanung und -politik sieht Einwander/innen häufig immer noch als einheitlichen »Block«. Die höchst unterschiedlichen Lebenssituationen aufgrund des Zeitpunkts der Einwanderung, der gruppenspezifischen Organisation, der mitgebrachten Qualifikationen, der unterschiedlichen Distanz seitens der deutschen Bevölkerung sollen näher in den Blick genommen werden. Entsprechend bedeutsam sind Forschungen, die das Wissen über den konkreten Alltag verschiedener Einwanderungsgruppen und deren Verhältnis zueinander detaillieren. Denn eine sinnvolle Einflussnahme durch räumliche Planung ist nur dann möglich, wenn bekannt ist, wie die Bedürf-nisse und Wünsche einzelner Gruppen sowie das Beziehungsgeflecht zwischen den Gruppen beschaffen sind.

    Konkreter Forschungsraum bleibt der Dortmunder Borsigplatz, um die Kenntnisse über diesen Stadtteil zu nutzen, aber auch aufgrund der Tatsache, dass der Borsigplatz als innenstadtnahes, aber dennoch ziemlich abgeschottetes Quartier mit zahlreichen, ähnlich strukturierten Stadtteilen vergleichbar ist.

    Mit dem Projekt des Fachgebiets Geographische Grundlagen der Fakultät Raumplanung, das organisatorisch ans IRPUD angegliedert wird, gelingt es, eine methodisch vielfältige und innovative Stadtteilforschung am IRPUD zu erhalten. Die erneute Förderung durch die Volkswagen-Stiftung stellt eine wichtige Anerkennung für diesen Forschungszweig dar.

    Nähere Information:
    Prof. Dr. Volker Kreibich, Fachgebiet Geographische Grundlagen der Raumplanung, Telefon 0231-755-3267.
    Mail geo@rp.uni-dortmund.de


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    Criteria of this press release:
    Construction / architecture, History / archaeology, Law, Politics, Social studies
    regional
    Research projects, Studies and teaching
    German


     

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