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01/18/2000 09:57

Ein Student aus Kamerun über sein Land: Was fehlt, ist wahre Demokratie

Ole Lünnemann Referat Hochschulkommunikation
Universität Dortmund

    Vincent de Paul Djeumo tauschte vor sechs Jahren seine warme Heimat am "Knick Afrikas" gegen das winterliche Deutschland ein. Sein erklärtes Ziel: Journalistik am anerkannten Modellstudiengang der Universität Dortmund zu studieren. Ein schweres Unterfangen, denn selbst mit einer Zugangsquote für ausländische Antragsteller musste Djeumo, wie er unter seinen Kommilitonen bekannt ist, erst ausreichende Sprachkenntnisse vorweisen. Im mehrsprachigen Land Kamerun, wo Französisch und Englisch koexistieren, hatte er ausnahmsweise Deutsch in der Schule gehabt, "doch der Unterricht brachte nicht viel - um eine Sprache zu lernen, muss man ins Ursprungsland reisen". Gesagt, getan. Neben dem Deutsch-Sprachkurs besuchte er vorab als Gasthörer Seminare am Institut für Journalistik. "Dadurch lernte man mich kennen, und im Wintersemester 1994/95 wurde ich aufgenommen."

    Mit seiner Entscheidung, in Deutschland zu studieren, folgte Djeumo einem neuen Trend. Die Ausbildungssituation in Kamerun verschlechterte sich seiner Meinung nach Anfang der 90er Jahre zunehmend. In der Zeit entschieden sich viele junge Kameruner für ein Auslandsstudium, immer auch mit dem idealistischen Hintergedanken, in ihre Heimat zurückzukehren und einen Beitrag zur Entwicklung des Landes zu leisten. Die anfängliche Orientierung galt Frankreich, der ehemaligen Kolonialmacht. Aus Erfahrung legt das französische Hochschulsystem wesentlich mehr Wert auf Theorie als das deutsche.

    Dagegen bescheinigt Djeumo den deutschen Universitäten höhere Praxisbezogenheit. Dies sprach sich unter den ausreisewilligen Studierenden herum. Die ständige Kritik an mangelnder Attraktivität und Internationalität der hiesigen akademischen Landschaft scheint bei den Kamerunern keinen Anklang zu finden. Es gibt daher nur noch wenige, die in Frankreich oder Belgien studieren wollen. In den vergangenen Jahren ist die Zahl derer, die nach Deutschland kommen, gestiegen, "weil wir etwas Vernünftiges lernen wollen und das in die Praxis umsetzen können, was wir hier lernen", sagt Djeumo. Seiner Meinung nach fördert dies den Willen zur Selbst-ständigkeit nach dem Studium, im Gegensatz zu der Erwartungshaltung der Absolventen in den frankophonen Ländern, die einfach nach dem nächstbesten Job Ausschau halten. "Dieser Wille ist wichtig für ein Land, das sich im Entwicklungsprozess befindet", urteilt Djeumo. "Besser, man weiß, wie man Ideen direkt umsetzen kann, als dass man auf den Staat wartet."

    Leider hätte Djeumo lange warten müssen, um in der deutschen Medienpraxis aktiv werden zu können. Der Studiengang beinhaltet ein einjähriges Volontariat nach dem Grundstudium. Diese Verzahnung von Hochschulstudium mit integrierter Ausbildung in den Medienbetrieben ist, laut Eigenwerbung, einzigartig in Europa. Jedoch auch im Pressewesen macht sich der Festungsgedanke bemerkbar, und Djeumo wurde ein Volontariatsplatz versagt. Kein Einzelfall unter den ausländischen Studierenden. "Ich musste mich in meiner Heimat umschauen und dort einen Volontariatsplatz organisieren."

    Im November 1998 ließ er seine Freundin in Deutschland zurück und flog nach Kamerun, um beim staatlichen Sender CRTV das Fernsehhandwerk zu lernen. Trotz eines seit neun Jahren geltenden Gesetzes zur Liberalisierung des Rundfunks hält die Regierung an dem Medienmonopol fest. "Sie hat eindeutig Angst, Macht einzubüßen und dass die Menschen aus der Presse unabhängige Informationen erhalten", vermutet Djeumo. Wie seit längerem bekannt, wird die Pressefreiheit von der Regierung Kameruns stark eingeschränkt. Der umstrittene Präsident Paul Biya greift zu Zensur- und Einschüchterungsmaßnahmen, um kritische Medien in Schach zu halten. Viele Journalistinnen und Journalisten bezahlen laut Amnesty International ihre Tätigkeit mit Gefängnisstrafen und Berufsverboten.

    Djeumo würde nie beim Staatsfernsehen arbeiten wollen, wo seine kritische Einstellung während des Volontariats starkem Druck ausgesetzt war. Während der 12 Monate sah er als Beobachter der Arbeitsabläufe im staatlichen Sender, wie Meinungen verbreitet wurden, wie über die Bevölkerung gedacht wurde, was die eigentlichen Ziele waren. Schon die Bedingungen beim Sender waren alles andere als optimal, besonders die technischen Möglichkeiten waren beschränkt. Und das nicht, weil es an finanziellen Mitteln gemangelt hätte - schließlich verfügte CRTV über die gesamten Werbeeinnahmen - sondern weil die Regierung von vorne herein den Journalisten freie Recherche erschweren wollte, um sie zu kontrollieren. Und die Journalisten ließen es zu. Dies war mitunter das größte Problem für Djeumo. Er gehört einer Generation von Kamerunern an, die Demokratie für ihr Land verwirklichen will und Veränderungen in der Außenpolitik Europas bezüglich Afrika anstrebt.

    Der Journalistikstudent kritisiert mit Bitterkeit die erdrückende Beziehung zur ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. Noch immer übe sie über viele Wirtschaftsbereiche einen erheblichen Einfluss aus. Dadurch werde die Entwicklung Kameruns schlichtweg verhindert. Seiner Meinung nach unterstützen die Franzosen nämlich gerade jene Politiker, die das Land ausplündern. "Es ist an der Zeit, dass wir den Kern unserer Probleme attackieren", ereifert sich Djeumo, ein Gefühl, das er mit vielen Landsleuten "im Exil" teilt. Er glaubt nicht, dass Kamerun den Entwicklungsstand Europas erreichen wird. Aber er wünscht seinen Landsleuten einen besseren Lebensstandard. "Wir haben alle Voraussetzungen dafür, aber was können wir tun, wenn die Macht in den Händen einiger weniger ist?" Außerdem würden die USA und Europa diese Machtelite mit Entwicklungshilfe-Geldern unterstützen.

    Ende 1990 war der Weg in Kamerun frei für die Gründung von Parteien. Doch das sollte nicht mit Demokratisierung verwechselt werden. Es gibt seitdem über 150 Parteien in Kamerun. Die Dominanz der Regierungspartei RDPC können sie kaum brechen. Die anfängliche Unzufriedenheit in der Bevölkerung wich einer "laissez faire, laissez passer"-Attitüde. "Meine Landsleute sind nicht mehr bereit, sich in irgendwelchen Befreiungsbewegungen zu organisieren. Sie haben resigniert und sehen keine Möglichkeit, etwas zu ändern", sagt Djeumo wehmütig. "Die Menschen haben Anfang der 90er Jahre viel geopfert, damit sich die Verhältnisse in Kamerun ändern. Nun geht es ihnen hauptsächlich ums Überleben. Djeumo selbst hat die Hoffnung auf Veränderungen jedoch nicht aufgegeben. Jedenfalls denkt er daran, nach seinem Journalistik-Studium in Dortmund in seine Heimat zurückzukehren, und das als kritischer Journalist.
    (Tomàs Pereira)


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    Criteria of this press release:
    Law, Media and communication sciences, Politics, Social studies
    transregional, national
    Scientific Publications, Studies and teaching
    German


     

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