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01/20/2000 14:54

Kirchenasyl: Pflicht in der Frühen Neuzeit - Ausstellung dokumentiert Grundlagen

Dr. Thomas Pleil Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

    Kirchenasyl, heute heftig diskutiert, gehört zu den ältesten Traditionen der europäischen Rechtsgeschichte. Diese These will die Ausstellung "Asylanten im Schutz der Kirche (1650 - 1800)", die heute (20. Januar 2000, 20 Uhr) in der Universitätsbibliothek der Katholischen Universität Eichstätt (KUE) eröffnet wird, anhand konkreter Beispiele belegen. Elf Studenten der Landesgeschichte an der KUE haben im vergangenen Jahr im Archiv die Akten von 130 historischen Fällen von Kirchenasyl durchgearbeitet und sind dabei auf manch tragisches Schicksal der Asylanten im 17. und 18. Jahrhundert gestoßen. Darüber hinaus wurden Fälle in Burghausen, Freising, Augsburg und Neumarkt bearbeitet. Die Ergebnisse dieser Recherchen, also die rechtlichen Grundlagen sowie die Verfahren beim Kirchenasyl sind Thema der Ausstellung. Asylgründe und soziale Verhältnisse der Asylanten werden ebenso dokumentiert wie ausgewählte Einzelfälle.

    "In der Zeit 1650 bis 1806 nahmen viele Menschen in den katholischen Territorien des Reiches immer wieder Kirchenasyl in Anspruch", erläutert Ferdinand Kramer, Professor für Landesgeschichte an der KUE. Oft waren es Soldaten, die desertierten und den Schutz der Kirche suchten. Außerdem fanden Menschen der sozialen Unterschichten, meist wenn sie straffällig geworden waren, Zuflucht im Kirchenasyl. Zwar wurden die Asylanten in der Regel den staatlichen Stellen übergeben, doch nur unter der Voraussetzung, dass sie keine schweren Leibesstrafen oder gar die Todesstrafe zu befürchten hatten. In seltenen Fällen verhalfen die Priester den Asylanten auch zur Flucht. Kein Wunder, dass es wegen des Kirchenasyls auch im 18. Jahrhundert häufig zu Spannungen zwischen kirchlichen Stellen und den weltlichen Behörden kam.

    Im Jahr 1743 gelang es einer Frau in Hilpoltstein, die mit anderen Straftätern im Amtshaus inhaftiert war, in das Asyl der Pfarrkirche zu fliehen. Ihr zweimonatiges Kind blieb im Amtshaus zurück. Pfarrer Mack von Hilpoltstein übergab daraufhin das Kind der Obhut der Mesnersfamilie, da ein Wachsoldat an der Kirchentüre verhinderte, dass das Kind zur Mutter gebracht werden konnte. Schließlich verhalf der Pfarrer der Frau zur Flucht und brachte ihr später den Säugling zu. Während die Mitgefangenen zum Tode verurteilt wurden, war es der Frau mit Hilfe des Kirchenasyls gelungen, die Freiheit zu erlangen. Dies ist nur ein Asylantenschicksal von über 130 Fällen, die allein für die Diözese Eichstätt in der Zeit von 1650 bis 1806 bekannt wurden.

    Das katholische Kirchenrecht verpflichtete in der Frühen Neuzeit die Bischöfe in den Kirchen, Klöstern und Pfarrhäusern ihrer Diözese Kirchenasyl zu gewähren, so Kramer. Erst in der Neufassung des Codex Juris Canonici von 1983 wurde diese Bestimmung nicht mehr aufgenommen.

    Die Ausstellung ist bis Donnerstag, 20. April 2000, in der Universitätsbibliothek Eichstätt (Universitätsallee 1, 85072 Eichstätt) zu sehen. Öffnungszeiten: Mo - Fr, 8.30 Uhr bis 20.30 Uhr, Sa, 9.00 Uhr bis 12.30 Uhr.


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    Criteria of this press release:
    History / archaeology, Philosophy / ethics, Religion, Social studies
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research projects
    German


     

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