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09/11/2006 10:59

Tierversuche vermeiden, ersetzen und verbessern

Rudolf-Werner Dreier Hochschul- und Wissenschaftskommunikation
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

    Gesellschaft für Versuchstierkunde tagt in Freiburg

    Bis zum 12. September findet in Freiburg die 44. Tagung der Gesellschaft für Versuchstierkunde (GV-SOLAS) und der Society of Laboratory Animal Veterinarians (ESLAV) statt. Dazu erwarten die Veranstalter 450 Teilnehmer aus dem In- und Ausland. Im Mittelpunkt der Tagung stehen aktuelle Ansätze, Tierversuche zu vermeiden und ihre Zahl durch den Einsatz alternativer Methoden zu verringern. Daneben werden die Wissenschaftler und Tierärzte diskutieren, wie sich die Lebensbedingungen der Versuchstiere verbessern lassen und wie sie aussagekräftigere Ergebnisse aus den Versuchen gewinnen können.
    Auf der diesjährigen Tagung werden 50 Vorträge und 18 Workshops Fachkenntnisse zu aktuellen Themengebieten vermitteln. Parallel dazu informiert eine Industrieausstellung mit 60 Unternehmen über verschiedene Aspekte der Versuchstierforschung.

    Mittler zwischen Forschung und Tierschutz
    Die GV-SOLAS bringt Wissenschaftler, Behördenvertreter, Lehrkräfte und Tierpfleger zusammen, die in der Versuchstierkunde tätig sind oder sich für sie interessieren. Die Organisation veranstaltet jährlich eine wissenschaftliche Tagung an wechselnden Orten. Dabei stellt sie das Wissen um die Versuchstiere in den Vordergrund sowie das Bemühen, die Belastung der Tiere vor, in und nach den Versuchen möglichst gering zu halten. Weiter engagiert sich die GV-SOLAS in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Personen, die Versuchtiere versorgen oder einsetzen, und sie ist an zahlreichen nationalen und internationalen Ausschüssen beteiligt.

    Die europäischen Tierärzte, die in der Versuchstierkunde arbeiten, sind in der ESLAV organisiert. Sie bietet ihnen eine Plattform, um sich über gemeinsame Fragestellungen auszutauschen wie etwa behördliche Anforderungen und gesetzliche Regelungen, die sich laufend ändern. Zudem strebt die Vereinigung an, dass Projekte, die den Einsatz und die Haltung von Versuchstieren erfordern, in Europa verstärkt unter tierärztliche Aufsicht gestellt werden. Damit will sie erreichen, dass sich die Lebensumstände für die Tiere weiter verbessern. Um ihr Spezialwissen weiterzugeben, unterstützt die ESLAV das European College of Laboratory Animal Medicine (ECLAM).

    Neue Methoden für genauere Ergebnisse und weniger Tierversuche
    Die diesjährige Tagung steht erneut im Zeichen von Refinement - Reduction - Replacement: verbessern, verringern, ersetzen. Bildgebende Verfahren nehmen eine besondere Stellung ein, wenn es darum geht, mehr und bessere Ergebnisse aus Versuchen mit Tieren zu gewinnen. So lassen sich mit Mikrocomputertomographie (microcomputed tomography, µCT) hochauflösende Bilder erstellen. Dabei verringert sich zusätzlich die Strahlenbelastung für die Versuchtiere. Verbesserte Kontrastmittel erhöhen zudem die Effizienz dieser Methode, weil sie kontrastreichere Bilder ermöglichen. Gleichzeitig sind viele dieser Verbindungen für die Versuchstiere weniger giftig.

    Auch Zellen, die mit bestimmten Markierungen versehen sind, können die Aussagekraft solcher Versuche steigern. So kennzeichnen Wissenschaftler etwa Tumorzellen mit Leuchtstoffen, damit sie genau beobachten können, ob und wie ein Tumor sich im Körper ausbreitet. Sogar minimale Tochtergeschwüre lassen sich so erkennen. Andere Arbeitsgruppen haften Ultraschall-Kontrastmittel an Zellen oder Moleküle. Damit verstärken sie die Signale in einer Reihe von Methoden wie 3D-Echo oder Kontrast-Echo, die alle auf Doppler-echokardiografischen Messungen - also auf dem Einsatz von Ultraschall - basieren. Damit können sie die ersten Herzschläge eines Mausembryos sichtbar machen, sich die Kreislauffunktion ungeborener Mäuse ansehen, aber auch nach der Geburt junge und alte Tiere untersuchen.
    Viele dieser Methoden schaden den Versuchstieren kaum oder gar nicht. Sie können deshalb mehrfach zum Einsatz kommen. Weil sie dennoch genauere Ergebnisse liefern, die zusätzlich eine stärkere Aussagekraft besitzen, tragen moderne bildgebende Verfahren dazu bei, dass die Zahl der Versuchtiere abnehmen kann.

    Wenn der Computer die Maus ersetzt
    In manchen Fällen kann der Computer den Einsatz von Versuchstieren weitgehend ersetzen. So lassen sich mit bestimmten Programmen Vorhersagen treffen, wie giftig eine bestimmte chemische Verbindung sein könnte. Dazu untersuchen solche Computerprogramme die Struktur der betreffenden Chemikalie und zerlegen sie in Teilstrukturen. Anschließend prüfen sie, ob sie gleiche oder ähnliche Strukturen sowie Angaben zu deren Schädlichkeit in den Datenbanken finden können, die verfügbar sind. Daraus leitet das Programm dann seine Prognose zur Giftigkeit ab. Fällt sie schlecht aus, erübrigt es sich, die entsprechende Substanz in Tierversuchen zu testen. Deshalb ist die Zahl der Versuchtiere, die für toxikologische Tests herangezogen werden, rückläufig.

    Die Hälfte aller Tierversuche dient der Erforschung menschlicher Krankheiten
    In Deutschland werden jährlich etwa 2 Millionen Tiere in wissenschaftlichen und anderen Versuchen eingesetzt. Noch in den 70er Jahren des zurückliegenden Jahrhunderts benötigte allein die Arzneimittelforschung die doppelte Menge an Versuchtieren. Über die letzten Jahre blieb die Gesamtzahl der Versuchstiere in Deutschland weitgehend konstant. Allerdings kommen immer weniger große Wirbeltiere wie Hunde, Katzen und Affen zum Einsatz. Hier zu Lande machen Ratten und Mäuse 80 Prozent der Versuchstiere aus.

    Mehr als die Hälfte (55 Prozent) aller Tierversuche dient der Erforschung menschlicher Krankheiten, insbesondere von Infektionskrankheiten, Herz- und Kreislauferkrankungen, Krebserkrankungen sowie Störungen des menschlichen Nervensystems. Aber auch die übrigen Versuche kommen größtenteils den Menschen zugute, beispielsweise indem sie Verbraucher vor schädlichen Lebensmitteln oder giftigen Farbstoffen schützen. Etwa jedes siebte Versuchstier wird verwendet, weil gesetzliche Vorschriften es fordern.

    Andererseits ist das deutsche Tierschutzgesetz eines der weltweit strengsten. Seit wenigen Jahren ist der Tierschutz sogar im Grundgesetz verankert. Das deutsche Tierschutzgesetz regelt, dass Versuche an Tieren nur dann stattfinden dürfen, wenn sie unerlässlich sind, um Krankheiten vorzubeugen, zu erkennen oder zu behandeln.

    Gleiches gilt für das Erkennen von Umweltschäden, für die Prüfung von Produkten und Stoffen auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit und ihre Wirkung auf tierische Schädlinge sowie für die Grundlagenforschung. Laut Gesetz muss zudem gewährleistet sein, dass der Zweck der Versuche durch andere Verfahren nicht zu erreichen ist.

    Die GV-SOLAS versteht ihre Arbeit auch als wissenschaftlichen, angewandten Tierschutz in der tierexperimentellen Forschung. Sie erarbeitet Standards zur art- wie auch tierschutzgerechten Haltung und Pflege von Versuchstieren. Dazu berät sie Wissenschaftler und hilft ihnen, die Versuche sinnvoll zu planen und eine geeignete Tierart auszuwählen. Die Vereinigung bemüht sich darum, dass alle Tierversuche sachgerecht sowie nach medizinischen, biologischen und tierschützerischen Grundsätzen optimal ablaufen. Zu diesem Zweck fördert sie die Verbesserung experimenteller Grundlagen von Tierversuchen, vergibt Preise und veranstaltet Fortbildungskurse. Die GV-SOLAS bietet sich aber auch dem Gesetzgeber und der Öffentlichkeit als Ansprechpartner an, wenn Fachwissen zu den genannten Themen gefragt ist.


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    Criteria of this press release:
    interdisciplinary
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Scientific conferences
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