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01/27/2000 14:06

Gigantische Bildfrequenzen

Peter Pietschmann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Ulm

    Sperrfrist: 28.1.2000, 16.00 Uhr
    Gigantische Bildfrequenzen
    Baden-württembergischer Landesforschungspreis 2000

    Am 28. Januar 2000 hat Wissenschaftsminister Klaus von Trotha zum zehnten Mal den Landesforschungspreis Baden-Württemberg verliehen. Er wurde erstmalig zweigeteilt, nämlich in den Kategorien Grundlagenforschung und angewandte Forschung vergeben und ist in beiden Sektoren mit jeweils 100.000 Euro dotiert. Damit stellt er das höchste Preisgeld dar, das ein deutsches Bundesland für die Wissenschaft auswirft. Den Landesforschungspreis 2000 für Grundlagenforschung erhielt Prof. Dr. Reinhart Ahlrichs vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Karlsruhe. In der Kategorie angewandte Forschung wurden Prof. Dr. Eberhard P. Hofer, Leiter der Abteilung Meß-, Regel- und Mikrotechnik der Universität Ulm, und sein Mitarbeiter Dr.-Ing. Christian Rembe ausgezeichnet.

    Mikrosysteme optimieren

    Extrem schnell ablaufende Vorgänge in mikroskopisch kleinen Systemen - zum Beispiel thermischen Titendruckköpfen - exakt erfassen zu können, stellt die Voraussetzung für ihre Optimierung dar. Bei Vorgängen, die sich identisch wiederholen, bei reproduzierbaren transienten Prozessen wird die Stroboskoptechnik benutzt: man läßt den Prozeß mehrfach ablaufen und blitzt dabei jedesmal zu einem um Nuancen späteren Zeitpunkt. Aus diesen separaten Standbildern wird anschließend eine Bildsequenz, die pseudo-kinematographische Aufzeichnung, zusammengesetzt. Was zwischen den Verschlußzeiten der Kamera passiert, entgeht der Messung. Bei nicht reproduzierbaren transienten Prozessen, wenn sich also jeder Einzeldurchgang vom vorhergehenden und nachfolgenden unterscheidet, führt deshalb kein Weg an der Echtzeitkinematographie vorbei: das Ereignis muß im Ablauf gefilmt werden. Die Bildung unregelmäßiger Muster auf der Dampfblasenoberfläche im Tinten-Druckkopf ist zum Beispiel ein solcher einzigartiger Prozeß, ebenso wie die Entstehung von Satellitentropfen, winzigen Ausreißern bei der Tropfenejakulation, und das Auftreffen der Tintentropfen im Druckbetrieb.

    Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Eberhard P. Hofer und Dr.-Ing. Christian Rembe - derzeit Feodor-Lynen-Stipendiat an der University of California in Berkley, USA - hat ein neues Verfahren entwickelt, das erstmalig hochdynamische Funktionsabläufe innerhalb von Mikrosystemen echtzeitkinematographisch erfaßt. Der Tropfen aus einem thermischen Tintendruckkopf trifft schon 100 Mikrosekunden nach seiner Entstehung aufs Papier; die Lebensdauer der Dampfblase, die ihn erzeugt, beträgt nur 15 Mikrosekunden. Tropfen und Dampfblase haben einen Durchmesser von 60 Mikrometern. Die apparative Konfiguration zur Aufzeichnung derartig schneller Abläufe in mikrometrischen Dimensionen besteht aus einer Hochgeschwindigkeitskamera, einem Mikroskop und einer Hochleistungslichtquelle. Mit Hilfe mathematischer Modelle lassen sich aus den Aufnahmen Systemparameter gewinnen.

    100 Millionen Bilder pro Sekunde

    Die erforderlichen gigantischen Bildfrequenzen erreicht der Ulmer Meßaufbau dadurch, daß seine Kamera mit mehreren Bildsensoren arbeitet. Ein Strahlteiler innerhalb der Kamera sorgt dafür, daß das vom Mikroskop vergrößerte Bild des Objekts auf alle Sensoren gleichzeitig abgebildet wird. Vor jedem einzelnen Sensor ist über eine Glasfaserverbindung ein Mikrokanalplattenverstärker angebracht. Diese Verstärker schalten bei einer angelegten Hochspannung durch und ermöglichen so die extrem kurzen Belichtungszeiten zu definierten Zeitpunkten - das bedeutet in Zahlen eine Bildfrequenz von bis zu 100 Millionen Aufnahmen pro Sekunde, mikrometerscharf, bei einer Belichtungszeit von 10 Nanosekunden. Danach lassen sich die digitalisierten Bilddaten im angeschlossenen Computer auswerten. Da der Schließmechanismus der Kamera als Zeitgeber wirkt, ist ein Vergleich der aufgezeichneten Meßdaten mit den anhand der Modelle berechneten Verläufen möglich. Dieser Vergleich läßt eine Charakterisierung des Mikrosystems zu. Dabei hat sich gezeigt, daß Materialparameter, wie sie aus Tabellenwerken bekannt sind, im Bereich der mikroskopisch kleinen Bauteile nicht gelten.

    Die Weiterentwicklung der Kamera konnte in Zusammenarbeit mit der englischen Firma DRS Hadland Ltd. vorangetrieben werden. Mit dem Ernst-Mach-Institut der Fraunhofer-Gesellschaft in Freiburg wurde die Lichtquelle entwickelt und angepaßt. Das Institut für Mikrostrukturtechnik des Forschungszentrums Karlsruhe steuerte sein technologisches Wissen bei und überließ dem Team in Ulm Funktionsmuster von mikroelektromechanischen Systemen, sogenannten MEMS.

    Dreidimensional

    Ursprüngliche Bubblejet-Drucker erzeugten die Tintentröpfchen kontinuierlich. Tröpfchen, die der Drucker für das Druckbild nicht benötigte, wurden abgelenkt, gesammelt und in einem aufwendigen Recyclingprozeß dem Tintenreservoir wieder zugeführt. Bei einer durchschnittlich bedruckten Seite machte dieser Anteil über 90 Prozent der Tinte aus. Mit dem mittlerweile eingesetzten DOD-Verfahren (Drop on Demand) werden nur die Tropfen produziert, die auch tatsächlich erforderlich sind. Damit ausgestattete Drucker liefern optimale Druckqualität bei minimalem Tintenverbrauch. Im Kontext der Arbeiten spielt die Entwicklung einer neuen Generation thermischer Mikroaktoren auf der Basis von Diamant eine wichtige Rolle. Hofer kooperiert hierbei mit der Ulmer Abteilung Elektronische Bauelemente und Schaltungen.

    Ihr Verfahren haben Hofer und Rembe inzwischen an verschiedenen Mikrosystemen erprobt. Zum Beispiel an Mikroturbinen (Querschnitt des Turbinenrotors 300 Mikrometer, 200.000 Umdrehungen pro Minute), wie sie künftig in der Medizin Bedeutung erlangen könnten. Bilddaten zum Anlaufvorgang machten deutlich, daß das Turbinenrad nicht gleichmäßig um den Lagerzapfen kreist, sondern taumelt. Die infolgedessen zwischen Turbinenrad und Zapfen wirkenden Reibungskräfte würden zu einer starken Materialbelastung und damit zu einer verkürzten Lebensdauer des Bauteils führen. Im Fall der Analyse des Pumpverhaltens einer Mikropumpe stellten die Forscher fest, daß die als beweglich angenommene Membran beim Pumpvorgang zu großen Teilen unbeweglich blieb und damit nicht zum gewünschten Pumpeffekt beitragen konnte. Andere Beispiele für die echtzeitkinematographische Funktionskontrolle sind Mikrofräsen als Zukunftswerkzeuge der Medizin oder Mikroschalter für die Kommunikationstechnik. Der Abstand vom Anker zum Kontaktblock beträgt bei solchen Relais etwa 30 Mikrometer; die Schaltungen erfolgen im 400-Mikrosekunden-Takt. Ziel der Arbeitsgruppe um Prof. Hofer ist es, mit der Hochgeschwindigkeits-Kinematographie künftig dreidimensionale Bilder zu erzeugen.

    Reaktionen berechnen

    Prof. Dr. Reinhart Ahlrichs ist es gelungen, mit mathematischen Berechnungen komplexe chemische Reaktionen zu erfassen. Mit Hilfe eines speziellen Computerprogramms kann er Strukturen, Bindungseigenschaften und Stabilität von Molekülen ermitteln. Damit wurde erstmals der Übergang vom Molekül zum ausgedehnten Festkörper rechnerisch abgebildet.


    Images

    Criteria of this press release:
    Electrical engineering, Energy, Mechanical engineering
    transregional, national
    Research results
    German


     

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