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09/14/2006 14:42

Das "Ozonloch" schließt sich noch lange nicht

Dr. Joachim Hoffmann Stabsabteilung Presse, Kommunikation und Marketing
Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft

    Wissenschaftler des Forschungszentrums Karlsruhe können vorzeitige Erholung der stratosphärischen Ozonschicht nicht bestätigen

    Der Gehalt an Chlor in der Stratosphäre, das im antarktischen Frühjahr für die Entstehung des "Ozonlochs" verantwortlich ist, sinkt langsam. Amerikanische Wissenschaftler sagen deshalb schon eine vorzeitige Erholung der Ozonschicht voraus, für die sie in ihren Messungen Hinweise sehen. Wissenschaftler des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung des Forschungszentrums Karlsruhe können dies nicht bestätigen: Im Messnetz des Instituts ist keine Erholungstendenz auszumachen. Eine beobachtete Abkühlung der Stratosphäre fördert die Bildung stratosphärischer Wolken und wirkt der Abnahme des Chlorgehalts entgegen: An der Oberfläche der Wolkenpartikel wird Chlor verstärkt aktiviert und kann so den katalytischen Ozonabbau in Gang setzen.

    Eine schon 1974 in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung ausgesprochene Warnung vor den Folgen immer stärkerer Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoff-Emissionen (FCKW) bestätigte sich 1985 auf dramatische Weise: Britische Forscher entdeckten das "Ozonloch", eine jährlich im antarktischen Frühjahr auftretende Abnahme der Ozonschicht in über 20 km Höhe, in der Stratosphäre. Dies führte schließlich 1987 zur Unterzeichnung des so genannten Montreal-Protokolls, in dem sich die internationale Staatengemeinschaft verpflichtete, die Emissionen von Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen zu senken. Das Abkommen greift: Das Maximum der FCKW-Konzentration in der Troposphäre wurde Mitte der 90er Jahre erreicht. Der Chlorgehalt der Stratosphäre nimmt seit der Jahrtausendwende langsam ab.

    Trotzdem ist der Chlorgehalt in der Stratosphäre nach wie vor sehr hoch. Wegen der langsamen Austauschprozesse nach unten in die Troposphäre wird es noch mehrere Jahrzehnte dauern, bis der Chlorgehalt deutlich gesunken ist und sich die Ozonschicht nachhaltig erholen kann.

    Kürzlich leiteten amerikanische Wissenschaftler aus ihren Messungen ab, dass schon heute eine Erholung der stratosphärischen Ozonschicht zu erkennen sei und prognostizierten, dass die Erholung schneller als angenommen einsetze.

    Diese Ergebnisse können von einer Arbeitsgruppe des Forschungszentrums Karlsruhe nicht bestätigt werden.

    "Ozondaten, die im Rahmen des bodengebundenen Messnetzes unseres Instituts langfristig gemessen werden, zeigen noch keinerlei Erholungstendenz", erläutert Professor Dr. Herbert Fischer, Leiter des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung des Forschungszentrums Karlsruhe. Die wesentliche Unsicherheit in der Prognose der Zukunft der Ozonschicht liegt im Einfluss des Treibhauseffektes auf die Chemie in der Stratosphäre. Dieser führt in der Stratosphäre - im Gegensatz zur Erwärmung in bodennahen Luftschichten - zu einer Abkühlung. Wenn die Stratosphäre kälter wird, werden sich verstärkt so genannte polare Stratosphärenwolken bilden. An der Oberfläche dieser Wolkenpartikel werden Chlorverbindungen aufgespalten und für die Reaktion mit Ozon aktiviert: Der katalytische Ozonabbau kommt in Gang.

    Das verstärkte Auftreten polarer Wolken wirkt somit dem reduzierten Chlorgehalt entgegen: Die Erholung der Ozonschicht verzögert sich. Würde dazu noch, wie es der Nobelpreisträger Paul Crutzen zur Eindämmung des Treibhauseffektes vorgeschlagen hat, Schwefel in der Stratosphäre ausgebracht werden, entstünden daraus Schwefelsäuretröpfchen, die einen Typ der polaren Stratosphärenwolken darstellen. Somit würde, um den Treibhauseffekt einzudämmen, der Preis eines zusätzlichen anthropogenen Ozonabbaus gezahlt werden.

    Polare Stratosphärenwolken sind daher der Schlüssel zum Verständnis der Entwicklung der Ozonschicht. Deshalb ist es wichtig, die Prozesse, die zur Bildung dieser Wolken führen, zu verstehen und in Klima-Chemie-Modelle, die die zukünftige Entwicklung der Atmosphäre simulieren, zu integrieren. Am Institut für Meteorologie und Klimaforschung ist es mit Hilfe des MIPAS-Experiments an Bord des europäischen Umweltsatelliten ENVISAT erstmals gelungen, die verschiedenen Typen der polaren Stratosphärenwolken gleichzeitig global zu messen und mit Modelldaten zu vergleichen. "Diese Vergleiche zeigen an, dass es im Verständnis der ozonrelevanten Prozesse auf den polaren Wolkenpartikeln noch beträchtliche Lücken gibt", sagt Herbert Fischer. Eine zuverlässige Prognose, wann sich die Ozonschicht erholen wird, ist deshalb derzeit noch nicht möglich.

    Das Forschungszentrum Karlsruhe ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, die mit ihren 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,1 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands ist. Die insgesamt 24000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Helmholtz-Gemeinschaft forschen in den Bereichen Struktur der Materie, Erde und Umwelt, Verkehr und Weltraum, Gesundheit, Energie sowie Schlüsseltechnologien.

    Joachim Hoffmann 13. September 2006

    Das Farbfoto senden wir Ihnen auf Wunsch gerne zu (Telefon 07247 82-2861).


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    Polare stratosphärische Wolken: Über Kiruna, Nordschweden, haben sich gegen Ende der Polarnacht stratosphärische Wolken in zwei verschiedenen Höhen gebildet und werden von der Sonne beleuchtet. Die troposphärischen Wolken sind noch nicht von der Sonne beschienen und erscheinen dunkel.
    Polare stratosphärische Wolken: Über Kiruna, Nordschweden, haben sich gegen Ende der Polarnacht stra ...
    Foto: Forschungszentrum Karlsruhe
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    Criteria of this press release:
    Biology, Chemistry, Environment / ecology, Mathematics, Oceanology / climate, Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Polare stratosphärische Wolken: Über Kiruna, Nordschweden, haben sich gegen Ende der Polarnacht stratosphärische Wolken in zwei verschiedenen Höhen gebildet und werden von der Sonne beleuchtet. Die troposphärischen Wolken sind noch nicht von der Sonne beschienen und erscheinen dunkel.


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