11. Februar 1998
Billiger und besser
Zur Reform der Verwaltung - Ein internationaler Vergleich
Berlin (wbs) Stagnation und neue Formen der Burokratisierung kennzeichnen gegenwartig die in der Bundesrepublik Deutschland lau fenden Reformen der offentlichen Leistungsproduktion. Wegen der Haushaltslage werden vorrangig betriebswirtschaftliche Instrumente zur Reform der Verwaltung eingesetzt, nicht aber grundlegende Innovationen der Leistungsgestaltung angestossen. Reformstrategien unter Beteiligung von Politik, Burgern und Belegschaften sucht man hierzulande vergebens. Wettbewerbs- und Kundenorientierung bleiben daher in Deutschland weiterhin unterentwickelt, wie ein internationaler Vergleich des Wissenschaftszentrums Berlin fur Sozialforschung (WZB) ergab.
Die offentliche Verwaltung sieht sich in fast allen hochentwickelten Landern mit der Notwendigkeit konfrontiert, drastische Sparmassnahmen umsetzen und zugleich ihr Leistungsangebot flexibler auf veranderte und gestiegene gesellschaftliche Anforderungen ausrichten zu mussen. Welche Konzepte und Massnahmen, die in der OECD-Welt unter der Bezeichnung New Public Management" zur Erreichung dieser Ziele eingesetzt werden, sich als richtungsweisende Innovationen durchgesetzt haben, ist im Rahmen einer umfangreichen Studie des WZB ermittelt worden.
Immer mehr deutsche Stadte und Gemeinden experimentieren seit Beginn der 90er Jahre mit neuen Steuerungsmodellen. Zugunsten moderner dienstleistungs- und kundenorientierter Produktionskonzepte soll das burokratische Modell der Leistungsproduktion uberwunden werden. Deutschland folgt so mit etwa zehnjahriger Verspatung einem internationalen Reformtrend, der in den angelsachsischen Landern - insbesondere in Grossbritannien - begonnen wurde.
Der gerade erst anlaufende Wandlungsprozess zeigt Tendenzen zur Stagnation und zur Burokratisierung auf neuem Niveau. Zuruckzufuhren ist dieser Trend nicht zuletzt darauf, dass Innovationen allein aus verwaltungsinterner Sicht entwickelt werden; diese beziehen sich in Anbetracht der Haushaltslage wesentlich auf betriebswirtschaftliche Instrumente (Kosten-/Leistungsrech-nung oder Controlling). Entsprechend dieser verengten Reformperspektive bleiben strategische Bundnisse mit der Politik einerseits und mit den Beschaftigten wie auch mit den Burgern andererseits nach wie vor die Ausnahme.
Verglichen mit auslandischen Erfahrungen sind die Einbindung der einzelnen Stadte in Netzwerke des Wissenstransfers und insbesondere die Unterstutzung von Modernisierungsinitiativen durch Bund und Landerregierungen nur schwach ausgepragt. Durch restriktive Auslegung werden Experimentierklauseln, die in den skandinavischen Landern den Reformprozess vorangetrieben haben, hierzulande nachgerade zum Reformhindernis. Eine Neubestimmung des Verhaltnis-ses zwischen Staat und Kommunen ist erforderlich, wenn die Reform Fahrt gewinnen soll. Nicht nur innerhalb der Staats- und Kommunalverwaltung, sondern auch im Austausch zwischen beiden Ebenen mussen die Prinzipien eines New Public Managements" - wie Dezentralisierung, Flexibilisierung und Kooperation - zukunftig verwirklicht werden.
Die WZB-Studie, die Frieder Naschold, Maria Oppen und Alexander Wegener erstellt haben, zeigt, dass unter anderem zwei Reformelemente in Deutschland besonders unterentwickelt sind: namlich die Wettbewerbs- und die Kundenorientierung. Gerade sie sind aber Elemente, die sich in ihrer wechselseitigen Verschrankung als Triebkrafte des Wandels erwiesen haben, wie der Vergleich von Kommunalverwaltungen aus zehn Industrienationen zeigt. Nicht nur Lern- und Innovationsfahigkeit konnen hierdurch auf Dauer abgesichert werden; systematische Vergleiche mit der Leistungsfahigkeit der Mitbewerber sowie eine kontinuierliche Einbeziehung der Feedbacks" von Burgern und Nutzern offenbaren Leistungslucken und Verbesserungspotentiale.
In Deutschland beschrankt sich die Debatte um Vermarktlichung von offentlichen Leistungen insbesondere auf die Privatisierung offentlicher Einrichtungen. Die langjahrigen und breiten Erfahrungen im Ausland mit dem internen Wettbewerb" zwischen verschiedenen Arbeitseinheiten einerseits und der Vergabe von Leistungsauftragen im Wettbewerb zwischen offentlichen und privaten Anbietern andererseits konnen die schwach entwickelte Wahrnehmung von alternativen Moglichkeiten (und Grenzen) der Vermarktlichung und deren dynamisierende Effekte fur die Binnenmodernisierung hierzulande vorantreiben.
Von einzelnen Vorreitern abgesehen, kann in Deutschland gegenwartig nicht von einem Trend zur Kundenorientierung die Rede sein. Beteiligungsformen fur Burgerinnen und Burger (Initiativen) und organisierte Interessen an der Erarbeitung neuer kommunaler Problemlosungen, die nicht nur mehr Lebensqualitat, sondern zugleich eine sinnvollere Nutzung knapperer Ressourcen versprechen (Demokratisierung des Sparens"), werden in Deutschland bislang kaum wahrgenommen. In internationaler Perspektive lasst sich demgegenuber ein Trend zur systematischen Verknupfung verschiedener Kundenfeedbacksysteme sowie diskursiver und interaktiver Instrumente der Burgerbeteiligung ausmachen. Vor allem bilden dabei umfassende partizipative Qualitatsmanagementstrategien zur kontinuierlichen Verbesserung von Prozessen, Strukturen und Produkten oft den Rahmen, um verschiedenen Gruppen von Reformbetroffenen und -beteiligten mit ihren je spezifischen Interessen zu einflussreichen Akteuren des Umbaus zu machen.
Frieder Naschold, Maria Oppen, Alexander Wegener, Innovative Kommunen - Internationale Trends und deutsche Erfahrungen, Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH 1997, 363 S.
Weitere Informationen: Maria Oppen (WZB), Telefon: 030-25 49 12 18 -- Wissenschaftszentrum Berlin fuer Sozialforschung (WZB) Presse- und Informationsreferat Reichpietschufer 50 D-10785 Berlin Tel.: +49-30-25 49 15 13 Fax: +49-30-25 49 16 84 e-mail: presse@medea.wz-berlin.de
Criteria of this press release:
Economics / business administration, Law, Politics, Social studies
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