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02/16/2000 15:02

Zur Situation der Toxikologie an der Universität Würzburg

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Auf einen dramatischen Schwund von toxikologischen Forschungseinrichtungen in Deutschland hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit einer Denkschrift aufmerksam gemacht: Demzufolge hat sich die Zahl der einschlägigen Universitätsinstitute in den vergangenen Jahren von 20 auf 10 verringert. Die DFG hat deshalb Forderungen formuliert, wie sich das "für eine moderne Industriegesellschaft unverzichtbare" Fach weiter entwickeln soll. Wie ist die Situation an der Universität
    Würzburg?

    Die klassische Aufgabe der Toxikologie ist es, die akuten und chronischen Giftwirkungen von Substanzen zu prüfen, die aus der Umwelt oder am Arbeitsplatz auf den Menschen einwirken. Im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung der Toxikologie für eine wissenschaftlich begründete Risikoabschätzung fordert die DFG, dass an jeder Medizinischen Fakultät ein Lehrstuhl für Toxikologie eingerichtet und der akademische Nachwuchs intensiv gefördert werden soll. Die Diskussion über die Gesundheitsgefährlichkeit von Stoffen dürfe nicht interessengebunden erfolgen oder gar selbsternannten Fachleuten überlassen werden.

    Wo liegen die Probleme des Faches Toxikologie? Hierzu bezieht Prof. Dr. Werner Lutz, Inhaber des Würzburger Lehrstuhls für Toxikologie, Stellung:

    "Kritiker unseres Faches sind in vielen Bereichen zu finden. An den Universitäten gibt es Stimmen, die sagen, die Toxikologie sei kein akademisches Fach. Die Prüfung von Substanzen auf toxische Wirkungen sei Sache der Industrie, die Bestimmung von Grenzwerten Sache der Behörden. Offen bleibt dabei allerdings, wo denn die für eine kompetente Prüfung und Beurteilung notwendigen Kenntnisse erworben werden sollen.

    An manchen Medizinischen Fakultäten sind die Pharmakologen der Auffassung, dass die Ausbildung im Fach Toxikologie ohne Einbuße auch von ihnen übernommen werden könne. Bezüglich der unerwünschten Wirkungen von Arzneimitteln mag dies zutreffen, doch steht heute die Toxizität hoher Arzneimitteldosen nicht mehr im Zentrum der toxikologischen Fragestellungen. Stattdessen rücken chronische Belastungen durch niedrige Dosen aus der Umwelt und am Arbeitsplatz, deren Effekte sich möglicherweise erst nach langer Zeit zeigen, in den Vordergrund. Die Beantwortung solcher Fragen bedingt ein anderes Vorgehen als beim Studium der Wirkungen von Arzneimitteln.

    Auch in der Bevölkerung ist die Skepsis teilweise groß, kann die Toxikologie doch nie eine verbindliche Antwort auf die Frage geben, ob ein Stoff nun giftig ist oder nicht. Selbst die alte Weisheit von Paracelsus ('Allein die Dosis macht, dass ein Stoff kein Gift ist') wird als Unvermögen oder, noch gravierender, als Abwiegelei interpretiert.
    Viele Leistungen der Toxikologie bleiben verborgen, etwa dann, wenn eine Substanz wegen ihrer Toxizität oder ihrem Verhalten in der Umwelt gar nicht erst weiter entwickelt wird oder wenn die Exposition soweit begrenzt wird, dass unerwünschte Effekte nicht auftreten. Hier hat zum Beispiel die Arbeitsstoff-Kommission der DFG, die so genannte MAK-Kommission, in Bezug auf die Begrenzung von Belastungen am Arbeitsplatz Großes geleistet.

    Die Universität Würzburg ließ sich glücklicherweise nicht von negativen Vorstellungen über die Toxikologie leiten. Das Fach hat hier eine lange Tradition, und der 1962 am Institut für Pharmakologie und Toxikologie geschaffene Lehrstuhl für Toxikologie wurde von Prof. Dr. Dietrich Henschler in drei Jahrzehnten zu einem führenden Zentrum ausgebaut. Auch die Wiederbesetzung des Lehrstuhls im Jahre 1994 war nie in Frage gestellt, und das seither bestehende Mit- und Füreinander von Pharmakologie und Toxikologie unter einem Dach und als ein Institut ist für Deutschland beispielhaft.

    In Würzburg sind auch weitere in der DFG-Denkschrift geforderte Maßnahmen bezüglich Forschung, Lehre, Beratung und Nachwuchsförderung verwirklicht:

    Forschung: Den Forschungsschwerpunkt am Lehrstuhl bilden Biotransformation, Gentoxizität und Mutagenität von krebserzeugenden Stoffen. Ziel ist eine möglichst gute Abschätzung von Krebsrisiken für den Menschen.

    Lehre: Neben der Ausbildung von Studierenden der Medizin, Zahnmedizin, Pharmazie und Biologie im Fach Toxikologie besteht insbesondere bei den Chemikern und Lebensmittelchemikern ein großes Interesse an den Lehrveranstaltungen der Toxikologie.

    Weiterbildungsangebot: Der Kurs 'Toxikologische Grundlagen der Risikobeurteilung kanzerogener und mutagener Stoffe' wird für die Gesellschaft Deutscher Chemiker alle zwei bis drei Jahre am Lehrstuhl durchgeführt. Im Rahmen des 'Würzburger Forum Toxikologie' werden in jährlicher Folge Themen an der Schnittstelle zwischen Forschung und Umsetzung zur Diskussion gestellt.

    Beratung: Behörden haben einen großen Bedarf an Toxikologen, die in der Lage sind, Probleme qualitativ und quantitativ zu bewerten, verschiedene Risiken zu vergleichen, damit sinn- und maßvolle Anordnungen getroffen werden können. Als externe Berater werden oft Professoren verpflichtet. Nur dank der Tatsache, dass emeritierte Professoren, im besonderen auch aus Würzburg, einen Teil ihrer Beratertätigkeit weiterführen, hat sich der Mangel an ausgewiesenen aktiven Universitätstoxikologen noch nicht gravierender ausgewirkt.

    Industrieprojekte: Neben der Beratung von Behörden und der Mitarbeit in entsprechenden Gremien führen die Würzburger Toxikologen auch experimentelle Untersuchungen in Zusammenarbeit mit Firmen durch, wenn die Fragestellung für ihre Forschungstätigkeit von Interesse ist und sie aufgrund besonderer methodischer Möglichkeiten und Expertisen einen sinnvollen Beitrag zur toxikologischen Beurteilung leisten können.

    Nachwuchsförderung: Eine Dissertation am Lehrstuhl ist der wohl wichtigste Schritt in der Ausbildung eines Naturwissenschaftlers zum Toxikologen. In Würzburg wird die begleitende Teilnahme an Ausbildungskursen der Deutschen Gesellschaft für experimentelle und klinische Pharmakologie und Toxikologie (DGPT) gefördert. So können die Doktoranden nach weiteren zwei bis drei Jahren Tätigkeit auf dem Gebiet der Toxikologie die Prüfung zum 'Fachtoxikologen DGPT' ablegen.

    Ausblick: Bereits heute erfüllt die Universität Würzburg die Anliegen der DFG zur Förderung der Toxikologie weitgehend. Über dies hinaus wird im Rahmen von Habilitationen eine Entwicklung des Faches über unseren bestehenden Schwerpunkt (krebserzeugende Stoffe) vorangetrieben, und zwar auf den Gebieten Immuntoxikologie und Neurotoxikologie. Dabei geht es um Stoffe, welche das Immunsystem bzw. das Nervensystem verändern."


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Organisational matters, Science policy
    German


     

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