Ein heißes Eisen hat Miriam Geoghegan in ihrer Magisterarbeit im Fach Soziologie an der FernUniversität in Hagen bearbeitet: Die Untersuchung, die als beste Abschlussarbeit des Jahres 2006 aus der Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften prämiert ist, nimmt Integrationsbarrieren für Migranten in den Blick. Sie thematisiert Hindernisse, die im Inneren der türkischen Gemeinschaft in Deutschland entspringen. Geoghegan ist selbst Migrantin in Deutschland.
"Türken in Deutschland: endogene Integrationsbarrieren, ihre Ursachen und Folgen" heißt die Arbeit, die die Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften für die Auszeichnung der Gesellschaft der Freunde der FernUniversität vorgeschlagen hatte. Betreut wurde sie von PD Dr. Thomas Brüsemeister (Institut für Soziologie). Die Autorin löst Integration von der ethnischen, türkisch-deutschen Ebene. Sie betrachtet sie stattdessen als einen Transformationsprozess von der Traditionalität in die Moderne: Damit wird Integration eine Leistung, die nur Migranten selbst erbringen können. Geoghegan lenkt so den Blick auf bisher vernachlässigte Aspekte der Problematik. Da ist die Frage nach der Motivation türkischer Migranten, sich zu integrieren - und die Frage, ob türkische Gemeinden Integration ermöglichen oder behindern.
In einer Sekundäranalyse zahlreicher quantitativer und qualitativer Untersuchungen sowie biographischen Materials geht Geoghegan dem nach. Ihr Augenmerk gilt vor allem erfolgreich integrierten Migranten und den Barrieren, die diese selbst thematisieren. Sie kommt zu dem Schluss, dass nicht Ausgrenzung das größte Problem der vielen Integrationswilligen sei. Es seien die Hindernisse, die türkische Communities und Familien aufbauen: Diese bestehen von Beginn der Migration an und haben sich mit der Zeit weiter verfestigt. Entstanden sind sie, weil Migranten ihre traditionelle Kultur reproduzieren wollen.
In Teilen der deutschtürkischen Communities, lautet dazu Geoghegans These, gelten miteinander unvereinbare Ziele: Die Integration in Arbeitsmarkt und Bildungssystem der Aufnahmegesellschaft stehen hoch im Kurs. Wichtig sei aber auch, die traditionelle Kultur zu erhalten und zu reproduzieren. Um das erste Ziel zu verwirklichen brauche es Individualität und enge soziale Beziehungen zu Deutschen. Nur so könnten Migranten das notwendige kulturelle und soziale Kapital erwerben. Der Erhalt und die Reproduktion der traditionellen Sozialordnung hingegen erforderten es, Individualität zu unterdrücken und soziale Distanz gegenüber Deutschen aufzubauen.
Verhängnisvollerweise wirke sich alles, was die traditionelle Kultur erhalten solle, negativ auf die berufliche, schulische und soziale Integration in Deutschland aus: das Festhalten an traditionellen Erziehungsmethoden und -werten, die strenge soziale Kontrolle, die Verfestigung der türkischen Communities, die anhaltende Tendenz, Ehepartnerinnen bzw. Ehepartner aus der Türkei zu holen, die Hinwendung zum Islam.
Mit diesen Strategien, so das Fazit der Autorin, sei es türkischen Migranten zwar weitgehend gelungen, ihre soziale Gruppe mit allen ihren Eigenschaften zu reproduzieren. Gleichzeitig hätten sie allerdings Barrieren errichtet, die die soziale und wertmäßige Integration in Deutschland erschweren. Der Preis - und die unbeabsichtigte Folge - sei eine schlechte Integration in das deutsche Berufs- und Bildungssystem.
Geoghegan erinnert daran, dass auch Deutschland den Übergang in eine gesellschaftliche Moderne erst vor einigen Jahrzehnten endgültig geschafft habe. Dies gelang, weil sich eine Kultur der kritischen Selbstreflexion entwickelt hat. Familien wandelten sich von Befehlshaushalten zu Verhandlungshaushalten. Sie fördern Individualität und fordern diese auch; den Antrieb dazu lieferte seinerzeit die Bildungsexpansion. Das implizite Fazit der Autorin lautet deshalb, dass das Gelingen der türkischen Integration eine ähnliche Entwicklung voraussetze: Auch hier sind Bildung und kritische Selbstreflexion der Schlüssel. Deutschland kann und muss seinen Beitrag dazu leisten, den Integrationsweg der türkischen Migranten zu ebnen, indem es Bildung fördert, aber auch fordert. Die sich bereits entwickelnde Kultur der kritischen Selbstreflexion sollte das Land nach Kräften unterstützen.
Weitere Informationen
FernUniversität in Hagen
Stabsstelle Kommunikation
Anemone Schlich - Pressereferentin
Tel. 02331/987-2421
E-Mail anemone.schlich@fernuni-hagen.de
FernUni-Absolventin Miriam Geoghegan
None
Criteria of this press release:
Law, Politics, Social studies
transregional, national
Research results
German
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