idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
03/23/2000 09:56

Tantal-180: Stuttgarter Wissenschaftler klären Entstehung des seltensten Isotops

Dr. Ulrich Engler Stabsstelle Hochschulkommunikation
Universität Stuttgart

    Spitzenergebnisse der Grundlagenforschung sind nicht nur in Großforschungseinrichtungen möglich, sondern auch an Universitätsinstituten mit entsprechender Ausstattung. Dies zeigen die Ergebnisse der von der Fachwelt stark beachteten Messungen im Institut für Strahlenphysik der Universität Stuttgart an dem seltensten Isotop des Universums, Tantal-180, einer Variante des hellgrau glänzenden Metalls Tantal. Die Enträtselung der Entstehung des Isotops lieferte gleichzeitig wichtige Aufschlüsse über gegenwärtige Sternmodelle. Das Stuttgarter Experiment hat bereits kurz nach der Veröffentlichung der Ergebnisse in der angesehenen Zeitschrift "Physical Review Letters" (D. Belic et al., Phys. Rev. Lett. 83 (1999) 5242) ein großes Echo hervorgerufen. Die Ergebnisse wurden zuletzt in "Physics Today" unter der Rubrik "Physics Update" im Februar 2000-Heft besprochen, ebenso in den lnternet-Mitteilungen "Physics News Update" des American Institute of Physics (AlP).

    Die meisten der schweren Elemente, die auf der Erde und im Universum vorkommen, werden über zwei Prozesse im Lebenszyklus der Sterne erzeugt; den langsamen Neutronen-Einfang im heißen Sterninneren (s-Prozeß) oder den schnellen Neutronen-Einfang bei sogenannten Supernova-Explosionen der Sterne (r-Prozeß). Mit dem vorhandenen Wissen über den Ablauf dieser Prozesse konnte die Entstehung fast aller in der Natur vorkommender Isotope geklärt werden - das Vorhandensein von Tantal-180 jedoch nicht.

    Das seltenste Isotop
    Das Schwermetall Tantal ist bereits das seltenste in der Natur vorkommende Element. Wegen seiner außerordentlich hohen chemischen Resistenz gegen Säuren und seines hohen Schmelzpunktes wird das 1802 entdeckte natürliche Tantal heute für chemische Geräte und medizinische Instrumente benutzt. Auch bei der Herstellung von Elektrolytkondensatoren und als Legierungsbestandteil von Edelstählen kommt es zum Einsatz. Natürliches Tantal besteht fast ausschließlich aus dem Isotop Tantal-181; darin ist das Isotop Tantal-180 nur zu 0,012 Prozent enthalten. Und auch diese winzige Menge kann nur in einem physikalisch angeregten Zustand überleben und stabil bleiben; dann aber hat es eine Lebensdauer von mehr als einer Billiarde Jahre. In seinem unangeregten Grundzustand dagegen zerfällt Tantal-180 mit einer Halbwertszeit von rund acht Stunden.

    Enstehung ungeklärt
    Trotz beträchtlicher experimenteller und theoretischer Anstrengungen stellt die Nukleosynthese von Tantal-180 immer noch ein Rätsel dar. Das geringe Vorkommen erklärt sich im Prinzip daraus, daß es im sogenannten r-Prozeß grundsätzlich nicht entstehen kann und, daß es im sogenannten s-Prozeß abseits des Hauptpfades der Elemententstehung liegt. Bei der immerhin möglichen Entstehung von Tantal-180 durch eine s-Prozeß-Synthese im Sterninneren ergibt sich jedoch ein weiteres Problem. Während der s-Prozeß- Reaktionen herrschen in den Sternen Temperaturen von einigen Hundert Millionen Grad. Bei diesen Temperaturen existiert ein "Photonenbad", in dem das Isotop an seinem langlebigen Zustand vorbei in den Grundzustand mit einer Lebensdauer von nur wenigen Stunden befördert würde. Das heißt, das gesamte beim s-Prozeß erzeugte Tantal-180 würde im Photonenbad gleich wieder zerstört. Dieser mögliche "thermische Photoaktivierungsprozeß" in Sternen wurde nun im Labor am Stuttgarter DYNAMITRON-Teilchenbeschleuniger simuliert und eingehend untersucht.

    DYNAMITRON-Teilchenbeschleuniger
    Die bewährte Bremsstrahlungs-Einrichtung am Stuttgarter DYNAMITRON-Teilchenbeschleuniger mit seiner Infrastruktur ist weltweit die am besten geeignete Anlage für Untersuchungen derartiger photo-induzierter Kernreaktionen. Daher gelang es einem Zusammenschluß von rund 20 Wissenschaftlern (einschließlich etlicher Doktoranden und Diplomanden) aus Stuttgart, Darmstadt, Karlsruhe, München und Youngstown, den gesamten Weltvorrat an angereichertem Tantal-180 für ein Jahr vom amerikanischen National-Laboratorium Oak Ridge nach Stuttgart auszuleihen. Die Probe bestand aus etwa 150 Milligramm Tantaloxyd, die zu 5,45 Prozent mit Tantal-180 angereichert war, das heißt die totale Menge an Tantal-180 betrug lediglich 6,7 Milligramm. Diese Probe hat allerdings einen Wert von 2,3 Millionen US Dollar. Daher waren besondere Vorsichtsmaßnahmen bei der Probenbearbeitung und den Bestrahlungen notwendig, aber auch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen im Institut für Strahlenphysik der Universität Stuttgart.

    Sternmodelle
    Die eigentlichen Experimente wurden im Dezember 1997 und Mai/Juni 1998 mit insgesamt sieben Wochen Meßzeit durchgeführt. Die Empfindlichkeit der Messungen konnte dabei etwa um den Faktor 4000 gegenüber früheren Untersuchungen gesteigert werden. Die bei den Messungen erzielten Ergebnisse sind von großer Bedeutung für Sternmodellrechnungen. Denn geht man von einer stellaren Umgebung mit einem statischen Neutronenfluß bei konstanter Temperatur aus, wie es das sogenannte "kanonische" Sternmodell vorsieht, hätten die Stuttgarter Ergebnisse zur Folge, daß sich die Lebensdauer von Tantal-180 in einer derartigen Umgebung drastisch um etwa 17 Größenordnungen auf weniger als einen Monat reduziert. Mit der Folge, daß alles erzeugte Tantal-180 im thermischen Photonenbad wieder zerstört würde.

    Realistischere und aktuellere Sternmodell-Rechnungen Karlsruher Astrophysiker dagegen, in denen die zeitliche Dynamik der neutronenproduzierenden Reaktionen im Heliumbrennen der Sterne und der schnelle Transport des erzeugten Tantals in kühlere äußere Zonen der Sterne durch Konvektion berücksichtigt wird, haben jedoch gezeigt, daß zwischen 50 und 100 Prozent der beobachteten solaren Häufigkeit von Tantal-180 in einer solchen realistischeren s-Prozeß-Umgebung überleben kann.

    "Der Erfolg der Stuttgarter Untersuchungen zeigt", so betonte der Leiter des Instituts für Strahlenphysik der Universität Stuttgart, Professor Ulrich Kneißl, "daß Spitzenergebnisse der Grundlagenforschung nicht nur an Großforschungseinrichtungen erzielt werden können, sondern auch an Universitätsinstituten mit entsprechender Ausstattung und Förderung und begeisterungsfähigen Mitarbeitern."

    Die beteiligten Institute:
    Institut für Strahlenphysik, Universität Stuttgart
    Institut für Kernphysik, Technische Universität Darmstadt
    Institut für Kernphysik, Forschungszentrum Karlsruhe
    Sektion Physik, Ludwig-Maximilians-Universität München
    Dep. of Physics and Astronomy, Youngstown State University, Youngstown, Ohio, USA

    Kontakt:
    Prof. Dr. Ulrich Kneißl,
    Institut für Strahlenphysik, Universität Stuttgart, Allmandring 3
    Tel: 0711/685-3872
    Fax: 0711/686-3866
    e-mail: kneissl@ifs.physik.uni-stuttgart.de
    http://www.ifs.physik.uni-stuttgart.de


    More information:

    http://www.ifs.physik.uni-stuttgart.de


    Images

    Stuttgarter Teilchenbeschleuniger DYNAMITRON
    Stuttgarter Teilchenbeschleuniger DYNAMITRON

    None


    Criteria of this press release:
    Biology, Chemistry, Electrical engineering, Energy, Materials sciences, Mathematics, Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Stuttgarter Teilchenbeschleuniger DYNAMITRON


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).