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06/26/1997 00:00

Europäische Umfrage zur Gentechnik: Moralische Bewertung ist wichtiger als vermutete Risiken

Gudrun Fischer Pressestelle
Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg

    AKADEMIE FUER TECHNIKFOLGENABSCHAETZUNG IN BADEN-WUERTTEMBERG

    ((In der renommierten englischen Wissenschaftszeitschrift "Nature" werden am Donnerstag, den 26. 6. 1997 die ersten Ergebnisse des Eurobarometers 1996 zum Thema: "Einschaetzung der Gentechnik durch die europaeische Oeffentlichkeit" vorgestellt. Hier die wichtigsten Ergebnisse:))

    Europaeische Umfrage zur Gentechnik: Moralische Bewertung ist wichtiger als vermutete Risiken

    Erstmals gibt eine international vergleichende Studie Auskunft darueber, welche Faktoren die Einstellung der Oeffentlichkeit zur Gentechnik bestimmen. Dies ermoeglichte das "Eurobarometer 96", fuer das insgesamt 16.246 Personen in allen Mitgliedsstaaten der EU befragt wurden. Mit der Konzeption und Auswertung waren Experten aus 13 Laendern betraut, u.a. von der London School of Economics und des Science Museum London. Aus Deutschland war der Soziologe Dr. Juergen Hampel von der Akademie fuer Technikfolgenabschaetzung in Baden-Wuerttemberg (Stuttgart) beteiligt. Erhoben wurden unter anderem die Bewertung des Nutzens einzelner gentechnischer Anwendungen, die Bewertung ihres Risikos und ihre moralischen Akzeptabilitaet.

    Die wichtigsten Ergebnisse:

    - Die Akzeptanz der Gentechnik ist - ueberraschend - in erster Linie von der ethischen Bewertung abhaengig. Wenn ethische Bedenken vorliegen, wird die Anwendung unabhaengig von der Einschaetzung von Nutzen und Risiken abgelehnt. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die meisten Europaeer durchaus bereit sind, Risiken in Kauf zu nehmen, wenn der Nutzen als hoch eingestuft wird und keine moralischen Bedenken bestehen.

    - Mehr Wissen ueber die wissenschaftlichen Grundlagen der Gentechnik fuehrt entgegen weit verbreiteten Annahmen nicht zu mehr Akzeptanz, sondern lediglich zu einem dezidierteren Urteil. Ob dieses Urteil dann positiv oder negativ ausfaellt, bleibt offen.

    - Den Faehigkeiten von Regierungen und anderen oeffentlichen Institutionen, effektiv auf die Bedenken der Oeffentlichkeit einzugehen, wird ueberall in Europa wenig Vertrauen entgegengebracht.

    - Die europaeische Oeffentlichkeit steht der Gentechnik hochgradig ambivalent gegenuebersteht. Waehrend etwa die gentechnische Erzeugung von Medikamenten und Impfstoffen auf breite Zustimmung stoesst (Deutschland: 67%, Europa: ueber 70%), lehnt eine Mehrheit der Deutschen (55%) die gentechnische Veraenderung von Tieren als Organspender ab (Europaeer 47%). Nach wie vor stoesst die Gentechnik in Deutschland und Oesterreich auf die geringste Akzeptanz in Europa. Nur wenig positiver aeussert sich die Oeffentlichkeit in Daenemark, Schweden und Luxemburg. Am staerksten unterstuetzen dagegen Portugiesen und Spanier gentechnische Anwendungen, gefolgt von Belgien, Finnland und Griechenland. Deutschland nimmt innerhalb Europas eine Sonderstellung ein. Die Deutschen verbinden mit Gentechnik vergleichsweise geringe Nutzenerwartungen, gleichzeitig nehmen sie aber auch ein hohes Mass an Bedrohlichkeit der Gentechnik wahr. In den uebrigen Laendern ist entweder das eine oder das andere gegeben. Hier herrscht in staerkerem Ausmass Ambivalenz vor als in Deutschland, wo die kritischen Einstellungen ueberwiegen. Aehnliches gilt auch fuer Oesterreich. Bei negativen Erwartungen und der Angemessenheit der Regulierung liegen die Deutschen im europaeischen Mittelfeld. Was das Wissen ueber Gentechnik anbelangt, nehmen die Deutschen, wie auch bei den vorangegangenen Eurobarometer-Befragungen eine mittlere Position ein. In den skandinavischen Laendern, aber auch in den Niederlanden und Grossbritannien, ist das durchschnittliche Wissen der Bevoelkerung ueber Gentechnik hoeher als in Deutschland. Kurios ist, dass fast jeder zweite Deutsche (ueber 44%) der offenkundig falschen Auffassung ist, dass normale Tomaten, wie man sie im Supermarkt kaufen kann, keine Gene haben. In keinem anderen Land mit der Ausnahme Oesterreichs ist diese Einschaetzung verbreiteter. (Zum Vergleich: nur 22% der Briten sind dieser Auffassung). Wendet man sich einzelnen Anwendungen der Gentechnik zu, lassen sich ebenfalls deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Laendern feststellen.

    - Gentechnische Anwendungen in der Landwirtschaft und bei der Lebensmittelerzeugung finden hohe Unterstuetzung nur in Belgien und Finnland sowie auf der iberischen Halbinsel. Niedrige Unterstuetzungswerte finden wir demgegenueber in Oesterreich, Deutschland, Daenemark, Luxemburg und Schweden. Die restlichen Laender zeichnen sich durch mittlere Unterstuetzungswerte aus.

    - Bei transgenen Tieren finden wir ein hohes Mass an Unterstuetzung in Griechenland, Spanien und Portugal, waehrend Frankreich eine Mittelposition einnimmt. Ein geringes Mass an Unterstuetzung finden wir in den Staaten Mittel- und Nordeuropas.

    - Hohe Unterstuetzungswerte finden wir bei medizinischen Anwendungen der Gentechnik. Eine Ausnahme machen lediglich Oesterreich und Deutschland, wo wir mittlere Unterstuetzungswerte finden koennen. Wenn gefragt wird, wer den Umgang mit Gentechnik regulieren soll, werden von den Europaeern vor allem internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen oder die Weltgesundheitsorganisation genannt. Relativ haeufig wird auch die Selbstregulierung durch wissenschaftliche Koerperschaften genannt, selten dagegen nationale politische Institutionen.

    Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass Gentechnik als etwas gesehen wird, das auf der Ebene einzelner Staaten nicht ausreichend reguliert werden kann. 53% der Europaeer sind der Auffassung, dass die gegenwaertige Regulierung der Gentechnik nicht ausreichend sei, um die Menschen vor den Gefahren der Gentechnik zu schuetzen. 74% der Europaeer (72% der Deutschen) sind der Auffassung, dass gentechnisch veraenderte Lebensmittel als solche gekennzeichnet werden sollen. Wem bringen die Europaeer Vertrauen entgegen? Bei den Anwendungen der Gentechnik fuer die Gesundheit wird den Aerzten das meiste Vertrauen entgegengebracht. Bei den landwirtschaftlichen Anwendungen der Gentechnik geniessen die Umweltverbaende ein besonders hohes Mass an Glaubwuerdigkeit.

    Die Ergebnisse des "Eurobarometers" werden im Rahmen des Projekts "Biotechnology and the European Public" mit einer international vergleichenden Analyse der Medienberichterstattung (aus Deutschland: Prof. Dr. Georg Ruhrmann; TU Ilmenau) und der politischen Regulierung der Gentechnik verknuepft. Kontakt: Dr. Juergen Hampel (Tel.: 0711/9063-164)


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    Criteria of this press release:
    Biology, Information technology, Law, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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