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05/16/2000 09:23

Hörsturz-Therapie auf dem Prüfstand

Dipl. Biol. Barbara Ritzert Pressearbeit
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

    Die Ursache eines Hörsturzes ist bis heute unbekannt. Dies dürfte der entscheidende Grund dafür sein, dass es bislang kein Therapieverfahren gibt, dessen Wirksamkeit in klinischen Studien zweifelsfrei nachgewiesen wurde. Da ein plötzlicher Hörverlust jedoch nicht einfach hingenommen werden kann, empfehlen Experten auf dem 4. Europäischen Kongress für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie in Berlin einen Stufenplan zur Behandlung.

    Ein Hörsturz trifft pro Jahr etwa einen von 3000 Bundesbürgern aus "heiterem Himmel": Plötzlich hören die Betroffen auf einem Ohr schlecht oder gar nichts mehr, 60 Prozent bemerken ein Druckgefühl im Ohr, 80 Prozent haben ein pelziges Gefühl um die Ohrmuschel und bis zu 80 Prozent klagen über lästige Ohrgeräusche (Tinnitus). Bei jedem fünften Betroffenen treten Gleichgewichtsstörungen auf, ein Drittel hört Töne verzerrt.

    Nur in seltenen Fällen entdecken HNO-Ärzte eine eindeutige Ursache, etwa einen Tumor am Hörnerven, Blutverdickung oder Multiple Sklerose. In den meisten Fällen stellen die Ärzte die Diagnose "Hörsturz" darum nach einer gründlichen Untersuchung, bei der solche oder ähnliche Ursachen ausgeschlossen werden.

    Warum es genau zu einem Hörsturz kommt, ist unklar. Sicher ist nur, dass die Durchblutung im Innenohr gestört wird. Möglicherweise spielen dabei erhöhte Cholesterin- und Triglyceridspiegel eine Rolle. Die Durchblutungsstörung kann aber auch die Folge von Virus-Infektionen und dadurch ausgelöster Entzündungen sein. Diese können etwa an den Blutgefäßen des Innenohres auftreten oder an Fasern von Trigeminus-Nerven, die helfen, die Innenohr-Durchblutung zu regeln. Dies belegen neueste Untersuchungen. Vor allem aber scheint der Einfluss der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin auf die Blutgefäße des Innenohrs bedeutsam zu sein.

    Mangels Kenntnis der exakten Ursachen eines Hörsturzes bleibt den Ärzten nur eine vielfältige, "polypragmatische" Therapie. Eingesetzt werden verschiedene durchblutungsfördernde Mittel, die so genannte hyperbare Sauerstofftherapie, Infusion von Plasmaexpandern zur Blutverdünnung, Cortison und die Plasmapherese, um Cholesterin und Fettstoffe aus dem Blut zu filtern.

    Klinische Studien enttäuschend

    Die Ergebnisse von klinischen Studien mit den verschiedensten Medikamenten sind allesamt enttäuschend: Die Substanzen wirken nicht besser als ein Placebo. "Allerdings", erklärt Professor Wolfgang Arnold von der HNO-Klinik der Technischen Universät München, "wurde in den Studien zumeist nur der mittlere Hörgewinn überprüft, nicht aber die Verbesserung oder Persistenz anderer Hörsturz- Symptome wie Tinnitus."
    Das Team von Arnold hat die Ergebnisse von zwei unterschiedlich behandelten Patientengruppen mit jeweils 300 Hörsturz-Betroffenen miteinander verglichen. Die eine Gruppe erhielt entweder durchblutungsfördernde Mittel oder Infusionen zur Blutverdünnung, die zweite zusätzlich zu dieser Behandlung noch eine Kortison-Therapie. Resultat: Bei einer Hörminderung im tiefen und mittleren Bereich waren die Ergebnisse der Kombinationstherapie mit Kortison besser.

    Stufenplan zur Therapie

    Aufgrund umfangreicher tierexperimenteller Untersuchungen empfiehlt Arnold einen Stufenplan zur Behandlung: Drei Tage lang sollten die Patienten eine Infusionstherapie mit Prednisolon und einem Plasma-Expander erhalten. Bleibt der Erfolg aus oder gering, sollte die Infusionstherapie mit dem Plasma-Expander bis zu zehn Tagen weitergeführt werden, das Kortikoid wird als Tablette eingenommen. Erholt sich das Gehör bis zum zehnten Tag nicht, folgt eine hyperbare Sauerstoffbehandlung, begleitet von der Kortikoid-Therapie. "Der endgültige therapeutische Effekt kann erst nach vier bis sechs Wochen beurteilt werden", stellt Arnold fest. Bleibt der Hörverlust deutlich, hilft nur noch ein Hörgerät. Bei geringem Hörverlust und bestehendem Tinnitus empfiehlt Arnold eine Stimulation mit einem angenehmen Rauschen und Musik sowie gegebenenfalls eine Verhaltenstherapie.

    Tinnitus im PET sichtbar

    Untersuchungen von HNO-Ärzten und Nuklearmedizinern der TU München belegen, dass bei Tinnitus-Patienten der Stoffwechsel in jenen Bereichen der Großhirnrinde erhöht ist, in denen akustische Signale verarbeitet werden. Dazu setzten die Ärzte die so genannte Positronen-Emission-Tomographie (PET) ein. Mit solchen Untersuchungen konnten erstmals die bislang zumeist nicht objektivierbaren Hörempfindungen von Tinnituspatienten direkt sichtbar gemacht werden.

    Rückfragen an:
    Univ.-Prof. Dr. med. Wolfgang Arnold
    Direktor der Hals-Nasen-Ohrenklinik
    undPoliklinik der TU München
    Klinikum rechts der Isar
    Ismaningerstr. 22
    81675 München
    Tel.: 089-4140-2371
    Fax: 089-4140-4853
    e-mail: W.Arnold@lrz.tu-muenchen.de

    Pressetelle:
    Barbara Ritzert
    ProScientia GmbH
    Andechser Weg 17
    82343 Pöcking
    Tel. 08157/93 97-0
    Fax: 08157/93 97-97
    e-mail: proscientia@t-online.de


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research results, Scientific conferences
    German


     

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