Projekt von Indogermanisten der Universität Jena zu Normen und Werten erneut gefördert
Jena (12.06.07) "Lassen Sie uns mehr Freiheit wagen!" Mit diesen Worten startete Bundeskanzlerin Angela Merkel im November 2005 in ihre Regierungszeit. "Lassen Sie uns die Wachstumsbremsen lösen!", ergänzte sie ihren Aufruf. Gemeint war also vor allem mehr Freiheit für wirtschaftliches Handeln. Diese Verwendung von "Freiheit" ist in Westeuropa weit verbreitet, in Osteuropa wird der Begriff oft anders interpretiert. "Wenn in Albanien oder der Ukraine die Rede von Freiheit ist, wird darunter meist nationale Freiheit verstanden", erläutert Prof. Dr. Rosemarie Lühr, Inhaberin des Lehrstuhls für Indogermanistik der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
In dem Projekt "Normen und Werte in der Verständigung zwischen Ost- und Westeuropa" hat die Sprachwissenschaftlerin gemeinsam mit Soziologen und Philosophen die unterschiedlichen Bedeutungen von "Freiheit", "Gleichheit" und "Gerechtigkeit" untersucht. "Wir haben teilweise große Unterschiede festgestellt", berichtet Lührs Mitarbeiterin Bettina Bock. So werde etwa der Begriff "Gleichheit" in Osteuropa vor allem im Sinne von sozialer Gleichheit verstanden, die Gleichheit vor Gericht sei viel weniger bedeutend. Dabei verläuft die Trennlinie häufig schon innerhalb Deutschlands. "In Ostdeutschland spielt die soziale Gleichheit eine große Rolle, im Westen ist dagegen die Freiheit wichtiger als Grundlage der sozialen Gerechtigkeit", so Bock. Zudem gibt es eine unterschiedliche Wahrnehmung des Begriffs "Freiheit" selbst: "Für die Ostdeutschen war 1989 die Reisefreiheit am wichtigsten, im Westen geht es eher um wirtschaftliche und politische Freiheit", so Bock.
Für die Fortsetzung des Projekts "Normen und Werte in der Verständigung zwischen Ost- und Westeuropa", an dem auch Wissenschaftler aus zehn west- und osteuropäischen Ländern beteiligt sind, hat die Volkswagenstiftung im Rahmen ihrer "Europa-Förderinitiative" nun 380.000 Euro bewilligt. Das Projekt wird gemeinsam von Prof. Dr. Rosemarie Lühr und ihrem Jenaer Kollegen Prof. Dr. Hartmut Rosa (Lehrstuhl für allgemeine und theoretische Soziologie) sowie Prof. Dr. Matthias Kaufmann, Professor für Ethik am Institut für Philosophie der Universität Halle-Wittenberg, durchgeführt. Mit dem Fördergeld werden unter anderem drei halbe Stellen an der Friedrich-Schiller-Universität und der Universität Halle-Wittenberg finanziert.
In den kommenden drei Jahren sollen insgesamt knapp 20 weitere Begriffe untersucht werden. "Neben einer Feinanalyse sprachwissenschaftlicher Art, einer philosophisch ausgerichteten Begriffsgeschichte der einzelnen Wörter und einer soziologischen Diskursanalyse gehen wir auch der Frage nach: Welche Normen und Werte konstituieren Europa?", erläutert Bock. Daher werden in der am 1. Juni angelaufenen zweiten Projektphase unter anderem Begriffe wie "Demokratie", "Autonomie" und "Solidarität" untersucht.
"Zum Abschluss geben wir eine Art Wörterbuch heraus, in dem man beispielsweise erkennen kann, welcher Aspekt eines Begriffes in welcher Sprache eine Rolle spielt und welcher nicht", erläutert Bettina Bock das Ziel des Projekts. Neben einer Ausgabe als Buch plus CD-Rom soll das Wörterbuch auch als Onlineversion erscheinen und als Nachschlagewerk zum Beispiel für Lehrer, Übersetzer oder Journalisten dienen. Es richte sich allerdings auch an Politiker, "damit sie ein Hilfsmittel haben, um einerseits die oft als Worthülsen empfundenen Begriffe mit konkreten Inhalten füllen und andererseits gerade bei Gesprächen im Ausland feine Nuancen beachten zu können", ergänzt Prof. Lühr.
Kontakt:
Prof. Dr. Rosemarie Lühr
Lehrstuhl für Indogermanistik der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Zwätzengasse 12
07743 Jena
Tel.: 03641 / 944380
E-Mail: g5rolu@uni-jena.de
Prof. Dr. Hartmut Rosa
Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Carl-Zeiß-Straße 2
07743 Jena
Tel.: 03641 / 945511
E-Mail: hartmut.rosa@uni-jena.de
Prof. Dr. Matthias Kaufmann
Seminar für Philosophie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Schleiermacherstr. 1
06114 Halle/S.
Tel.: 0345 / 5524393
E-Mail: matthias.kaufmann@phil.uni-halle.de
Projektleiterin Prof. Dr. Rosemarie Lühr.
Foto: Peter Scheere/FSU
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Criteria of this press release:
Language / literature, Law, Philosophy / ethics, Politics, Religion, Social studies
transregional, national
Research projects
German
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