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10/29/1997 00:00

Kritik an amtlicher Statistik

Leiterin Pressereferat Annette Bauer Abteilung für Hochschulkommunikation
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

    Presseinformation Nr. 146 vom 29. Oktober 1997

    Antrittsvorlesung nahm amtliche Statistik unter die Lupe: Anzahl der umstrittenen 610-DM-Jobs um ueber drei Millionen unterschaetzt

    In der oeffentlichen Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Gert G. Wagner (44), der gemeinsam von der Europa Universitaet Viadrina Frankfurt (Oder) und dem Deutschen Institut fuer Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin ernannt worden war, wurde am Dienstag abend die amtliche Statistik kritisch unter die Lupe genommen. Prof. Wagner hat den neugeschaffenen Lehrstuhl fuer "Empirische Wirtschaftsforschung und Wirtschaftspolitik" inne und befasste sich mit einem ungewoehnlichen Thema: Der Organisation der amtlichen Statistik bzw. der "statistischen Infrastruktur" im allgemeinen. Wagner schoepft dabei aus seinen Erfahrungen am Deutschen Institut fuer Wirtschaftsforschung, wo er fuer die Erhebung eines wesentlichen Teils der statistischen Infrastruktur zustaendig ist: Dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), welches eine Wiederholungsbefragung bei privaten Haushalten ist. Das SOEP ist z.B. die Quelle fuer die Zunahme der 610-Mark-Jobs, die zur Zeit Gegenstand heftiger politischer Auseinandersetzungen sind. Das SOEP ist nur ein Beispiel fuer eine seit einigen Jahren zunehmende Zahl von Erhebungen, die ausserhalb der amtlichen Statistik durchgefuehrt werden. Ein weiteres Beispiel, das auch in Berlin-Brandenburg angesiedelt ist, ist der "Wohlfahrtssurvey" des Wissenschaftszentrums Berlin fuer Sozialforschung. Wagner analysierte in seiner Antrittsvorlesung die "oekonomik der statistischen Datenproduktion" mit Hilfe der Theorie der Wirtschaftspolitik. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Ausbreitung wichtiger Erhebungen auSSerhalb der amtlichen Statistik kein Zufall ist, da die statistische Datenproduktion kein "natuerliches Monopol" mehr darstellt. "Zwar ist es unumgaenglich, dass der Staat die Produktion statistischer Basisdaten finanziert, jedoch ist es nicht notwendig, dass der Staat selbst (in Form der 'Amtlichen Statistik') als 'Monopol-Produzent' auftritt", ist Wagner ueberzeugt. Zumindest Stichprobenerhebungen, wie die oben genannten, koennten im Auftrag vergeben werden. Dadurch koennte der Staat den Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern ausnutzen, um Kosten zu sparen und eine hoehere Qualitaet zu erhalten. Wagners ueberlegungen stellten keine rein akademischen Gedankenspiele dar, sondern er demonstrierte anhand der Untererfassung der 610-Mark-Jobs durch die amtlichen Statistik und anhand von Problemen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) die praktische Relevanz seiner ueberlegungen. "Die amtliche Statistik unterschaetzt die 610-Mark-Jobs um ueber drei Millionen. Probleme der VGR geben zumindest manchmal falsche wirtschaftspolitische Signale; so wurden z. B. die Lohnstueckkosten in den Neuen Bundeslaendern in den letzten Jahren deutlich ueberschaetzt und die Verbesserung dieses Indikators nicht zutreffend erfasst", unterstrich Wagner. AbschlieSSend zeigte er Wege auf, wie die amtliche Statistik und die nicht-amtliche Datenproduktion besser aufeinander abgestimmt werden koennten. Ein zentraler Reform-Baustein waere die Abloesung der amtlichen Statistik von den Innenministerien. Vielmehr sollten die Wissenschafts- und Forschungsministerien fuer die amtliche und nicht-amtliche Statistik zustaendig werden. "Dadurch wuerde die scharfe institutionelle Trennung zwischen amtlicher und nicht-amtlicher Statistik aufgehoben und die Erhebung von statistischen Daten wuerde weniger an den Interessen der Ministerialbuerokratie, sondern staerker an den brennenden Problemen in einer Gesellschaft orientiert werden", betonte er. Und weiter: "Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung sollte nicht mehr exklusiv von einer statistischen Behoerde durchgefuehrt werden, sondern die VGR sollte in einem wissenschaftlichen Diskussionsprozess erarbeitet werden, an dem alle einschlaegigen Institutionen und Institute gleichberechtigt teilhaben koennen." Im zentralen Beratungsorgan fuer die Statistik, dem "Statistischen Beirat" sollte das Gewicht der Wissenschaft und der Wissenschaftsorganisationen (wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Deutschen Statistischen Gesellschaft und aehnlichem) gestaerkt werden, legte Prof. Wagner abschliessend dar.

    Bei Rueckfragen oder Gespraechswuenschen wenden Sie sich bitte direkt an Herrn Prof. Dr. Gert G. Wagner, Deutsches Institut fuer Wirtschaftsforschung (DIW), Koenigin-Luise-Strasse 5, 14191 Berlin, Telefon: 030/897 89 - 290 oder 283; Fax: 030/ 897 89 - 200 oder 209; e-mail: gwagner@diw-berlin.de


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