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07/13/2007 10:50

Überlebensstrategie des Tuberkuloseerregers aufgedeckt

lic. phil. Christoph Dieffenbacher Öffentlichkeitsarbeit
Universität Basel

    Ein Drittel der Weltbevölkerung ist mit dem Tuberkuloseerreger Mycobacterium tuberculosis infiziert, und gegen zwei Millionen Menschen sterben jährlich an der Infektionskrankheit. Ein Forscherteam am Biozentrum der Universität Basel hat nun einen Weg erkannt, auf dem das tödliche Bakterium seine Zerstörung durch die menschliche Immunabwehr verhindert. Die Forschungsergebnisse werden heute in der der Fachzeitschrift "Cell" veröffentlicht.

    Der Tuberkuloseerreger M. tuberculosis besitzt die aussergewöhnliche Fähigkeit, sich innerhalb von Fresszellen (so genannten Makrophagen) zu verstecken, ohne vernichtet zu werden. Dort kann sich das Bakterium über lange Zeit unbehelligt verbergen, und die Krankheit bricht erst aus, wenn der Gesundheitszustand des Wirts beeinträchtigt ist. Diese Persistenz ist mit ein Grund, weshalb durch Tuberkulose mehr Menschen sterben als durch jeden anderen bakteriellen Krankheitserreger.

    Normalerweise werden Bakterien im Inneren der Makrophagen von so genannten Phagosomen aufgenommen und an bestimmte Zellorganellen (Lysosomen) weitergereicht, die die Erreger verdauen. M. tuberculosis hat indes eine sehr effektive Strategie entwickelt, um gegen diese Immunabwehr zu bestehen, indem es seine Auslieferung an die Lysosomen verhindert und in den einigermassen komfortablen Phagosomen überlebt.

    Bereits 1999 hatten Prof. Dr. Jean Pieters und sein damaliger Forschungsassistent Giorgio Ferrari ein Protein namens TACO identifiziert (heute als coronin 1 bezeichnet), von dem sie vermuteten, dass es die Auslieferung der Krankheitserreger an die Lysosomen verhindert. "Nun ging es um den Nachweis, dass TACO/coronin 1 der entscheidende Faktor für das Überleben von M. tuberculosis war", erläutert Pieters. Denn andere Forschungsergebnisse legten nahe, dass dieses Protein vielmehr die Regulierung der Zellstruktur beeinflusst.

    Der Doktorand Jan Massner entwickelte deshalb zusammen mit der Transgenic Mouse Core Facility am Biozentrum ein Mausmodell ohne das coronin 1-Protein. Und gleich, welchen Aspekt der Zellstruktur die Basler Wissenschaftler analysierten, zeigte sich kein Unterschied zwischen Tieren mit und ohne coronin 1.

    Also fuhr das Forscherteam - verstärkt durch die beiden Postdocs Rajesh Jayachandran und Varadha Sundaramurthy - fort, die Rolle des Proteins beim Überleben von M. tuberculosis im Labor zu untersuchen. Mit ausgefeilten Experimentanlagen gelang schliesslich der Nachweis: Wenn coronin 1 fehlt, hat M. tuberculosis keine Chance. Die Bakterien werden unverzüglich zu den Lysosomen transportiert und zerstört.

    Doch damit war noch nicht erklärt, wie die Anwesenheit von coronin 1 den Abbau von M. tuberculosis blockiert. Eine wichtige Idee lieferte schliesslich Rajesh Jayachandran, der vorschlug, bei der Infektion der Zellen mit den Mykobakterien die beiden Substanzen Cyclosporin A und FK506 (Tacrolimus) hinzuzufügen. Diese zwei Wirkstoffe sind gebräuchlich, um das Signalmolekül Calcineurin zu blockieren. Die Resultate waren erstaunlich: Der Zusatz der Calcineurinhemmer imitierte die Beseitigung von coronin 1 perfekt. Das wies darauf hin, dass coronin 1 das Signalmolekül Calcineurin aktiviert, um den Transport der Erreger zu den Lysosomen zu unterbinden.

    Nun galt es zu zeigen, ob die Behandlung infizierter Mäuse mit Calcineurinhemmern das Verhalten von M. tuberculosis beeinflusst. Diese Experimente wurden in einem speziellen Biosicherheitslabor am Institut Pasteur in Brüssel durchgeführt. Und tatsächlich: Während die Tuberkelbakterien bei den unbehandelten Mäusen fern der Lysosomen verharrten, wurden sie bei den Tieren, die Calcineurinhemmer erhalten hatten, unverzüglich an die Lysosomen weitergereicht. Damit war der Nachweis erbracht, dass sich M. tuberculosis den Signalweg von Calcineurin für sein Überleben im Zellinnern zunutze macht.

    Die Forschungsergebnisse eröffnen neue Perspektiven zur Bekämpfung von Tuberkulose, auch wenn es bis zu Präparaten für eine Behandlung der Krankheit noch ein weiter Weg ist. "Was wir jetzt in der Hand haben, ist ein komplett neuer und unerwarteter Pfad, von dem wir wissen, dass wir über ihn kleine Moleküle zu den Zielzellen hin schleusen können. Eine unserer künftigen Herausforderungen wird es sein, die einzelnen Prozesse besser zu verstehen und zu begreifen, welche Elemente sie in Gang setzen und stoppen", so Pieters.

    Die Forschungsarbeit wurde unterstützt durch Beiträge des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der Weltgesundheitsorganisation WHO, der Roche Research Foundation, der Olga-Mayenfisch-Stiftung und der Jubiläumsstiftung für Volksgesundheit und medizinische Forschung der Schweizerische Lebensversicherungs- und Rentenanstalt (Swiss Life).

    Weitere Auskünfte
    Prof. Dr. Jean Pieters, Biozentrum der Universität Basel, Klingelbergstrasse 50, 4056 Basel, Tel. +41 61 267 14 94, mobil: +41 79 749 01 15, E-Mail: jean.pieters@unibas.ch

    Originalbeitrag
    Rajesh Jayachandran et al.
    Survival of Mycobacteria in Macrophages is Mediated by Coronin 1 Dependent Activation of Calcineurin
    "Cell" published July 13, 2007


    More information:

    http://www.biozentrum.unibas.ch/pieters/index.html - Gruppe Jean Pieters
    http://www.biozentrum.unibas.ch/bionews/bionews_E_20070713.html - Engl. Version


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    Criteria of this press release:
    Biology, Information technology, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Research projects, Research results
    German


     

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