Die ,,Regionalisierung der Regionalpolitik" nach nordrhein-westfälischem Muster erfreut sich sowohl politisch als auch wissenschaftlich großer Popularität - obwohl längst nicht alle Erwartungen an das Konzept erfüllt worden sind. In seiner Dissertation ,,Dezentral und koordiniert? Die Innenwelt der regionalisierten Strukturpolitik in NRW", die an der Fakultät für Sozialwissenschaften der RUB entstand und jüngst als Buch erschienen ist, befasst sich Dr. Wolfgang Potratz mit dem Konzept, dessen ehrgeizige Ziele nur allzu schnell wieder alten Mustern gewichen sind. Sein Schluss: Das nach wie vor vernünftige Modell ginge dann auf, wenn Ungleichheiten zugelassen würden - was einen Bruch mit der politischen Tradition des Landes bedeutet.
Bochum, 21.06.2000
Nr. 168
Ungleichheit als Anreiz zum Wettbewerb
RUB-Studie zur regionalisierten Politik in NRW
Gegen den Rückfall in alte Muster
Die ,,Regionalisierung der Regionalpolitik" nach nordrhein-westfälischem Muster erfreut sich sowohl politisch als auch wissenschaftlich großer Popularität - obwohl längst nicht alle Erwartungen an das Konzept erfüllt worden sind. In seiner Dissertation ,,Dezentral und koordiniert? Die Innenwelt der regionalisierten Strukturpolitik in NRW", die an der Fakultät für Sozialwissenschaften der RUB entstand und jüngst als Buch erschienen ist, befasst sich Dr. Wolfgang Potratz mit dem Konzept, dessen ehrgeizige Ziele nur allzu schnell wieder alten Mustern gewichen sind. Sein Schluss: Das nach wie vor vernünftige Modell ginge dann auf, wenn Ungleichheiten zugelassen würden - was einen Bruch mit der politischen Tradition des Landes bedeutet.
Mutiges Konzept: Regionalisierung und kollektives Handeln
Ende der 1980er Jahre war es ein kühner Versuch, Partizipation und Verantwortlichkeit zentraler und dezentraler Akteure in einem Verhandlungssystem mit Qualität und Effektivität zu verknüpfen: Beginnend mit der ,,Zukunftsinitiative für die Montanregionen" hatte man 1987 einen neuen Handlungsrahmen für eine Regionalisierung der Strukturpolitik geschaffen, der kollektives Handeln der Akteure verlangte. In Erwartung einer verbesserten kollektiven Handlungsfähigkeit und qualitativ besserer Ergebnisse versuchte man so, die geradezu symbiotischen Netzwerkbeziehungen zwischen politischen, verbandlichen und privaten Akteuren im Ruhrgebiet aufzubrechen.
Versklavung des Chaos durch die Ordnung
Die Ergebnisse sind ambivalent: Auf Landesebene haben sich zwar durchaus die erhofften Effekte eingestellt; durch eine fehlende institutionelle Infrastruktur, die über die traditionellen Koordinationsmechanismen hinausgeht, haben sich die herkömmlichen ,,negativen" Koordinationsmuster aber in kurzer Zeit wieder durchsetzen können - der Dynamik des Aufbruchs folgte die Versklavung des Chaos durch die Ordnung, die Modernisierer gingen, es kamen die Administratoren und Abwickler. Eine Koordinierung des traditionellen Programms - durch eine auf die Regionen ausgerichtete Projektstruktur - schlug fehl. Der zentrale Befund für die Regionen ist, dass hier mit den Regionalkonferenzen Verhandlungssysteme entstanden sind, die jedoch labil blieben und ein Spiegelbild der innerregionalen Machtbalance darstellen. Feine Unterschiede liegen in der Handlungsorientierung der Akteure: Ist die Machtbalance ausgeglichen, verhalten sie sich eher kooperativ-problemlösend, bei Ungleichgewichten sind sie kompetitiv. Die latente Furcht vor Verteilungsungerechtigkeiten verursachte außerdem eine gewisse Uniformität der regionalen Entwicklungskonzepte, die eher auf konventionelle Infrastrukturmaßnahmen und die herkömmlichen Fachprogramme des Landes zielten als auf regionsspezifische oder gar innovative Problemlösungen. Letztlich konnte sich die Politik nicht entscheiden, sich von der traditionellen, in NRW geradezu kultivierten Gleichberechtigungs- und Bedürftigkeitsphilosophie zu verabschieden.
Ungleichheit als Anreiz zum Wettbewerb
Genau hier sieht Potratz den Fehler bei der Umsetzung des Konzepts: Er plädiert dafür, Ungleichheit als Anreiz zum Wettbewerb zu verstehen, damit das Politikmodell funktionieren kann. Er sieht eine neue Perspektive für die Regionalisierung der Regionalpolitik in einer neuen Absteckung des ,,strategischen Rahmens". Dafür müsste man erstens den Konflikt zwischen Ausgleichsziel und Wachstumsziel klären, und zweitens das Konzept um eine Wettbewerbskomponente erweitern - ein Ansatz mit Folgen: Nicht nur, dass damit die traditionelle nordrhein-westfälische Politiktradition gebrochen würde, NRW müsste es auch hinnehmen, dass nicht alle Regionen gleichmäßig wachsen können, es würde Verlierer geben.
Alle Mittel in einen Topf
Einen Anknüpfungspunkt für mehr Wettbewerb zwischen den Regionen sieht Potratz in dem Bestreben sowohl der Unternehmen wie auch der Regionen, Unsicherheiten und Unübersichtlichkeiten zu verringern. Die bisherige Umsetzung des Konzepts erleichtert dies nicht, denn zum einen wollen Unternehmen bei Regionalkonferenzen nicht mit unkalkulierbaren Gruppen und Akteuren ihre Investitionsvorhaben diskutieren, und zum anderen kamen häufig unüberschaubare ,,übergeordnete" Kalküle beim Entscheidungsverfahren ins Spiel. Statt der vielen unterschiedlichen Fachprogramme und Initiativen schlägt Potratz z. B. einen ,,Regionalfond" vor, in dem die verfügbaren Mittel zusammengelegt und den Regionen in eigener Verantwortung zugewiesen werden sollen. Dieser regionale Wettbewerb bedeutet sicherlich eine Auflösung des vielbeschworenen regionalen Konsenses, aber auch der damit zusammenhängenden Beharrungskartelle.
Weitere Informationen
Dr. Wolfgang Potratz, Institut für Arbeit und Technik, Munscheidstr. 14,45886 Gelsenkirchen, Tel. 0209/1707177, Fax: 0209/1707110, Email: potratz@iatge.de
Titelaufnahme
Potratz, Wolfgang: Dezentral und koordiniert? Die Innenwelt der regionalisierten Strukturpolitik in NRW. Schriftenreihe Arbeit und Technik 16. München und Mering (Hampp) 2000
Criteria of this press release:
Economics / business administration, Law, Politics, Social studies
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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