Ende einer zehnjährigen Herkulesarbeit: Die "Tschechische Bibliothek" ist komplett
"Das Flachland, aus dem man Berlin hervorgestampft hat, ist wirklich traurig. Nichts als sandiger Boden, so fad, dass er Fremde zu Tausenden von treffenden Witzen inspirierte. Ein schrecklicher Räuber und Brandleger soll einst - erzählt jemand - zum Tod verurteilt worden sein. Auf dem Schafott kam es zur Begnadigung, die Strafe wurde ungewandelt, der Verbrecher solle nicht geköpft, sondern Postillion werden und täglich aus Sachsen nach Berlin fahren. Der Delinquent erschauderte - und legte den Kopf auf den Richtblock. - Für einen Berliner ist diese Landschaft allerdings wunderschön."
Nachzulesen sind diese Spitzen in dem jetzt erschienenen Band "Die Hunde von Konstantinopel", einer Sammlung von Reisebildern des tschechischen Schriftstellers Jan Neruda, der zwischen 1863 und 1875 Europa und den Orient bereiste. Dieser Band ist der letzte von 33 Bänden des außergewöhnlich ambitionierten literaturwissenschaftlichen und verlegerischen Vorhabens "Tschechische Bibliothek". Erschienen ist sie in der Deutschen Verlags-Anstalt München.
Eine Entdeckung für den Westen
"Mit Nerudas amüsanten, geistreichen Reisebildern ist die Bibliothek nun komplett", sagt Hans Dieter Zimmermann, Literaturprofessor an der TU Berlin und Leiter des Projektes.
Die "Tschechische Bibliothek" vereint den klassischen Bestand tschechischer Literatur- und Geistesgeschichte. Dazu gehören die Romane von Jaroslav Durych, Karel Polá?ek und Eva Kant?rková, die Erzählungen von Jan ?ep, die Lyrik von Karel Hynek Mácha, die Novellen von Ivan Olbracht, die Dramen von Vàclav Havel und Pavel Kohout und nicht zu vergessen das Werk Bohumil Hrabals, des "Königs der tschechischen Prosa". Aber auch Karel ?apeks "Gespräche mit Masaryk", die Musikerbriefe Smetanas, Dvo?áks und Janá?eks, die Texte tschechischer Philosophen und die Essays der Prager kubistischen Avantgarde wurden editiert. Das Augenmerk lag auf Künstlern, Philosophen und Publizisten des 19. und 20. Jahrhunderts. Eine Besonderheit der Bibliothek ist, dass viele der sorgsam ausgewählten Werke erstmals auf Deutsch erscheinen, wie zum Beispiel Jaroslav Hašeks "Urschwejk".
"Wer diese 33 Bände durchgegangen ist, wird eine Vorstellung bekommen vom Reichtum tschechischer Kultur", sagt Hans Dieter Zimmermann. Bei der Auswahl haben er und seine Mitherausgeber, darunter namhafte Bohemisten wie Peter Demetz und Eckhard Thiele, sich nicht nur von ästhetischen Kriterien leiten lassen, sondern von dem Ziel, mit dieser Sammlung Neugierde auf ein Mitgliedsland der europäischen Union zu wecken, das zumindest für den Westen Deutschlands bis auf die Zeit des Prager Frühlings 1968 durch den Eisernen Vorhang unsichtbar geblieben ist. "Dieses Kennenlernen ist für das Zusammen-wachsen Europas unerlässlich", so Zimmermann.
Zehn Jahre Arbeit stecken in den 33 Bänden. Ohne die großzügige Unterstützung durch die Robert-Bosch-Stiftung freilich, die sich in einem hohen Maß der Völkerverständigung durch Literaturförderung verpflichtet fühlt, wäre die Edition nicht möglich gewesen. Mit 800 000 Euro hat sie das Werden und Wachsen der Bibliothek befördert.
Warum aber ausgerechnet 33 Bände? "Es gibt einen tschechischen Zungenbrecher", sagt Zimmermann, "'Dreihundertdreißig Lerchen fliegen übers Dach'. Wir haben nun dreiunddreißig Lerchen über deutsche Dächer fliegen lassen und hoffen, dass sie wahrgenommen werden."
www.tschechische-bibliothek.de/
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Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Prof. Dr. Hans Dieter Zimmermann, Institut für Literaturwissenschaft, Fachgebiet Neuere Deutsche Philologie und geschäftsführender Herausgeber "Die Tschechische Bibliothek in 33 Bänden", Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin, Tel.: 030/314-22231, -26583, Fax: -23107
http://www.tu-berlin.de/medieninformationen/
http://www.tschechische-bibliothek.de/
Criteria of this press release:
History / archaeology, Language / literature, Social studies
transregional, national
Scientific Publications
German
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