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06/26/2000 11:12

Arbeitsversion des menschlichen Erbgutes liegt vor

Dr. Jörg Wadzack Geschäftsstelle des Wiss. Koordinierungskomitees
Deutsches Humangenomprojekt

    - Sperrfrist, Mo 26.06.00, 17.00 Uhr -

    Institut für Molekulare Biotechnologie (IMB), Jena
    Max-Planck-Institut fuer Molekulare Genetik, Berlin
    Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF), Braunschweig
    Deutsches Humangenomprojekt DHGP

    Das weltweite öffentliche Humangenomprojekt legt heute seine Arbeitsversion des menschlichen Erbgutes (Genoms), den Bauplan des menschlichen Organismus, vor.
    Die vorgestellte Arbeitsversion besteht aus sich überlappenden DNA-Fragmenten, die 97 % des gesamten Genoms abdecken. Von 85 % der Fragmente wurde bereits die Buchstabenfolge, d.h. die Abfolge der Basen A,T,C und G bestimmt.

    Mit diesem Meilenstein wurden zwei Aufgaben erfolgreich gelöst: die Anordnung der großen sich überlappenden DNA-Fragmente in der richtigen Reihenfolge innerhalb des Genoms sowie die weitgehende Bestimmung der Buchstabenfolge der über 3 Milliarden Buchstaben des menschlichen Genoms.
    Die durchschnittliche Qualität der Arbeitsversion übersteigt das ursprünglich gesteckte Ziel bei weitem. Etwa 20 % der Daten sind vollständig beendet und etwa 50 % der Daten sind nahezu fertig gestellt, d.h. hier liegt die Sequenz schon vor; die von dem Konsortium selbst geforderte Genauigkeit von 99,99 % ist aber noch nicht erreicht. Über das gesamte Genom betrachtet, beträgt die durchschnittliche Länge eines lückenlosen Abschnittes in der Arbeits-version 200.678 Basen.
    Mit den in Form von mehr als 18 Milliarden Basen produzierten Rohdaten, ist die Arbeitsver-sion bedeutend näher an die endgültige Version herangerückt, als das zu diesem Zeitpunkt vom Konsortium erwartet wurde. Basis hierfür ist die explosionsartige Produktion von Se-quenzdaten im vergangenen Jahr. Mehr als 60 % der vorliegenden Daten wurden in den vergangenen sechs Monaten sequenziert. Heute produziert das Konsortium 1.000 Basen Rohsequenz pro Sekunde, sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag.

    Die Sequenzdaten des öffentlichen Projektes wurden in den vergangenen Jahren kontinuier-lich, unmittelbar und für jedermann ohne Restriktionen frei verfügbar im World Wide Web veröffentlicht. Dieses in der Bermuda Konvention festgelegte Vorgehen wurde von allen am Humangenomprojekt beteiligten Ländern und Sponsoren übereinstimmend vereinbart. Mit dem offiziellen Beitritt Chinas zum internationalen Humangenomprojekt im Jahre 1999 er-langt die Bermunda Konvention beinahe Völkerrechtsstatus, was auch in einer Erklärung der UNESCO im Mai dieses Jahres zum Ausdruck gebracht wurde.
    Die Vorlage der Arbeitsversion des menschlichen Genoms bildet die Grundlage für eine Re-volutionierung der medizinischen Diagnostik und Therapie. Schon heute werden die öffent-lich zugänglichen Informationen täglich von akademischen und industriellen Wissenschaft-lern durchsucht. Inzwischen konnten aus den bereitgestellten Sequenzdaten viele tausend Gene identifiziert werden. Einige Dutzend Gene konnten als Auslöser für schwere Krankhei-ten bestimmt werden. Dennoch muss vor Euphorie und übertriebenem Optimismus gewarnt werden. Die Wissenschaft steht jetzt erst am Anfang, die Funktion des menschlichen Orga-nismus verstehen zu lernen. Bis zur Entwicklung neuer Medikamente und Therapien zur Be-handlung schwerer Krankheiten werden noch 15 oder sogar 30 Jahre vergehen.

    Mit der Vorlage der Arbeitsversion hat das internationale Konsortium das eigentliche Ziel, die Fertigstellung der kompletten Sequenz des menschlichen Genoms, jedoch nicht aus den Augen verloren. Obwohl die Arbeitsversion für die meisten biomedizinischen Fragestellungen sehr hilfreich sein wird, ist eine sehr genaue, nahezu perfekte Sequenz notwendig, um alle Informationen aus der Sequenz zu erhalten, wie dies z.B. schon bei den Chromosomen 21 und 22 gezeigt werden konnte.
    Bei der derzeitigen Geschwindigkeit der Sequenzierung sollen bis zum Jahr 2003 oder früher die noch vorhandenen Lücken geschlossen werden und die gesamte Sequenz in einer Ge-nauigkeit von 99,99 % vorliegen.

    Das internationale Sequenzierkonsortium besteht aus 16 Forschungseinrichtungen aus den USA, Großbritannien, Japan, Frankreich, Deutschland und China. Mit großem Koordinie-rungsaufwand wurde sichergestellt, dass keine Region des Genoms übersehen und mögli-che Doppelarbeit minimiert wird. Etwa 1.000 Wissenschaftler arbeiten weltweit an dem Pro-jekt. Die fünf größten Sequenzierzentren (Whitehead Institute for Biomedical Research, MIT, Cambridge, USA, The Sanger Centre, Hinxton, Großbritannien, Washington University Ge-nome Sequencing Center, St. Louis, USA, Joint Genome Institute, Walnut Creek, USA, Baylor College of Medicine, Houston, Texas, USA) haben zusammen etwa 82 % der Daten produziert.

    Die Gesamtkosten der Arbeitsversion liegen weltweit schätzungsweise bei $US 300 Millio-nen. Mit den heutigen Methoden kostet die Analyse einer Base zwischen 0,10 und 0,20 $US.
    Die vielfach zitierte Summe von 3 Milliarden $US war der ursprünglich für den gesamten geplanten Zeitraum (1990 - 2005) des Humangenomprojektes angesetzte Betrag, der aber auch noch eine große Vielfalt anderer Forschungsaktivitäten wie Technologieentwicklungen, Funktionsanalysen, Sequenzierung von Modellorganismen (Maus, Wurm, Fliege und Bakte-rien), Untersuchungen zu genetischen Erkrankungen sowie zu ethischen und rechtlichen Fragestellungen beinhaltet.

    Deutschland beteiligt sich seit 1995 am internationalen Humangenomprojekt und ist mit drei Sequenzierzentren (siehe Liste im Anhang) unter den 16 Institutionen vertreten. Die deut-schen Forscher haben für die Arbeitsversion Daten von den Chromosomen 2, 3, 7, 8, 9, 11, 17, 21 sowie X beigetragen. Insgesamt haben die drei deutschen Zentren 57,8 Millionen Ba-sen für die Arbeitsversion sequenziert.
    Das größte Sequenzierungsprojekt, an dem sich die deutschen Institute beteiligten, war die erfolgreiche, vollständige Entschlüsselung des Chromosoms 21. Gemeinsam mit den japani-schen Kollegen sind die Ergebnisse dieser Arbeit Anfang Mai der Öffentlichkeit präsentiert worden.
    Neben der Sequenzierung des menschlichen Genoms werden im Rahmen des Deutschen Humangenom-projektes vor allem Forschungsarbeiten zur Funktions-analyse von Genen, Ar-beiten mit Modellorganismen sowie der Transfer der Erkenntnisse in die medizinische For-schung gefördert. Derzeit laufen 42 Projekte, die das Bundesministerium für Forschung und Bildung mit jährlich 44 Millionen Mark finanziert. Zusätzlich unterhält das Deutsche Human-genomprojekt ein Ressourcenzentrum als zentrale Serviceeinrichtung, das biologische Pro-ben und Materialien lagert, vervielfältigt und Forschern in aller Welt für ihre Forschungspro-jekte zur Verfügung stellt.

    In einer parallelen Ankündigung wird heute in Washington (USA) die Firma Celera Genomics ebenfalls eine eigene erste Version der Sequenz des menschlichen Genoms vorstellen.
    Während das öffentliche und das private Projekt die gleichen Roboter- und Sequenzie-rungstechnologien einsetzen, unterscheiden sich die gewählten Strategien deutlich. Das öf-fentliche Projekt nutzt die sogenannte hierarchische 'Shotgun' (= Schrotschuss) Methode, bei der die menschliche Erbsubstanz (DNA) in große Fragmente zerlegt und auf den Chromo-somen genau positioniert wird (Erstellung von Chromosomenkarten). Die definierten DNA-Fragmente werden dann mittels Shotgun - d.h. mechanischer Zerkleinerung in sich überlap-pende handhabbare kleine Stücke - sequenziert und anschließend im Computer zu einer Buchstabenabfolge wieder zusammengesetzt.

    Celera Genomics setzt auf den Ansatz der 'Komplett-Genom Shotgun' Methode, bei der die komplette menschliche DNA in kleine Bruchstücke zerkleinert und anschließend sequenziert wird. Ohne Kenntnis der Lage der Fragmente auf den Chromosomen ist die Computeranaly-se ungleich schwieriger.
    Es hat sich gezeigt, dass es aufgrund der Größe des menschlichen Genoms und der heute zur Verfügung stehenden Methoden unmöglich ist, mit der Komplett-Genom Shotgun Metho-de die vollständige Sequenz zusammenzusetzen, ohne auf die vom öffentlichen Projekt be-reitgestellten Chromosomenkarten zurückzugreifen.

    Eine Kombination der beiden Strategien für zukünftige Sequenzierungsprojekte wird zwi-schen dem öffentlichen Projekt und Celera Genomics diskutiert.

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    Liste der sechzehn weltweiten Institutionen, die das Sequenzierkonsortium des Humange-nomprojektes bilden (in alphabetische Reihenfolge):

    1. Baylor College of Medicine, Houston, Texas, USA
    2. Beijing Human Genome Center, Institute of Genetics, Chinesische Akademie der Wis-senschaften, Peking, China
    3. Genome Therapeutics Corporation, Waltham, USA
    4. Genoscope, Evry, Frankreich
    5. Gesellschaft für Biotechnologische Forschung mbH, Braunschweig
    6. Institut für Molekulare Biotechnologie, Jena
    7. Joint Genome Institute, Walnut Creek, USA
    8. Keio University, Tokyo, Japan
    9. Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik, Berlin
    10. RIKEN Genomic Sciences Center, Saitama, Japan
    11. Stanford DNA Sequencing and Technology Development Center, Palo Alto, USA
    12. The Sanger Centre, Hinxton, Großbritannien
    13. University of Washington Genome Center, Seattle, USA
    14. University of Washington Multimegabase Sequencing Center, Seattle, USA
    15. Washington University Genome Sequencing Center, St. Louis, USA
    16. Whitehead Institute for Biomedical Research, MIT, Cambridge, USA


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    Criteria of this press release:
    Biology, Chemistry, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Social studies
    transregional, national
    Research results, Science policy
    German


     

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