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06/26/1995 00:00

Philosoph und Luchs: Prof. Flasch emeritiert

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Bochum, 26.06.1995, Nr. 99

    Ein Luchs verabschiedet sich

    Philosophisches Denken und historische Fakten

    Gedichte Gernhardts zu Prof. Flasch' Abschiedsvorlesung

    Wie kaum ein anderer hat er durch langjaehrige Lehr- und Forschungstaetig-keit das internationale Ansehen der Ruhr- Universitaet Bochum begruendet und befoerdert. Die Rede ist vom "Luchs" Prof. Dr. Kurt Flasch (Institut fuer Philosophie Ruhr- Universitaet Bochum), der seit Maerz 1995 emeritiert ist und jetzt zu seiner Abschiedsvorlesung, Donnerstag, 29. Juni 1995, 16-18 h, HGA 30, einlaedt: Bevor er aus diesem Anlass ueber "Die letzte Novelle des Decameron" spricht, liest der Frankfurter Dichter Robert Gernhardt eigene "Gedichte".

    Die OEffentlichkeit ist herzlich eingeladen.

    Kurt Flasch, 1930 in Mainz geboren, studierte von 1950 bis 1957 Philosophie, Geschichte, Klassische Philologie und Germanistik in Frankfurt am Main. 1956 wurde er von Johannes Hirschberger und Max Horkheimer zum Dr. phil. promoviert. Nach der Habilitation (1969) nahm er einen Ruf auf den Lehrstuhl fuer Philosophie mit besonderer Beruecksichtigung der Mittelalterlichen Philosophie der Ruhr- Universitaet Bochum an. Spaetere ehrenvolle Rufe auf Lehrstuehle fuer Philosophie der Universitaeten Wien (1972), Freiburg im Breisgau (1973) und erneut Wien (1983) hat er abgelehnt. Gastvortraege und - vorlesungen hielt er an der Sorbonne (Paris), Scuola Normale Superio-re (Pisa) und cole des Hautes tudes (Paris)

    Beliebt waren stets seine anregenden Vorlesungen und Seminare zur Philosophie der Antike, des Mittelalters und der Renaissance, die vor Witz und Esprit spruehen. Zu diesen Hauptarbeitsgebieten hat er auch Veroeffentlichungen vorgelegt, so u.a. ,Die Metaphysik des Einen bei Nikolaus von Kues" (1973), ,Augustin. Eine Einfuehrung in sein Denken" (1980), ,Das philosophische Denken im Mittelalter. Von Augustin zu Machiavelli" (1986), ,Aufklaerung im Mittelalter? Die Verurteilung von 1277" (1989). Zuletzt hat er ,Giovanni Boccaccio, Poesie nach der Pest. Der Anfang des Decameron" (it.-dt. Ausg.) neu uebersetzt und erklaert (1992).

    1993 wurde Prof. Flasch eine besondere Anerkennung in seiner Ernennung zum ,Luchs" zuteil: Er wurde Mitglied der Accademia Nazionale dei Lincei (Die Luechse, Rom), der aeltesten noch bestehenden Akademie der Welt, der auch Galileo Galilei angehoert hat. Sie wurde 1603 gegruendet und war das Vorbild der Gruendung der Academie Francaise durch Richelieu (1635). Die deutschen Akademien sind alle spaeteren Ursprungs: Berlin, durch Leibniz gegruendet, 1700, Goettingen 1759, Mainz 1949 und Duesseldorf erst 1970. Die Wahl in diese Akademie gilt als die hoechste akademische Ehre, die Italien zu vergeben hat. Nur wenigen Gelehrten des deutschsprachigen Kulturraums ist sie bislang zuteil geworden, darunter dem Schweizer Kultur- und Kunsthistoriker Jacob Burckhardt (1818-1897) und dem deutschen Kulturhistoriker und Geschichtsschreiber der Stadt Rom, Ferdinand Gregorovius (1821-1891).

    Prof. Flasch neigte theoretisch zunaechst der Transzendentalphilosophie zu, erkannte jedoch gegen 1980 immer mehr, wie bedeutsam die Historie fuer die Philosophie ist: Philosophisches Denken - so seine neue Einsicht - muss sich den geschichtlichen Fakten stellen; Philosophie ist historische - also der Geschichte verpflichtete - Philosophie; Gedanken sind nicht Selbstzweck, sondern verdanken sich real-historischen Konstellationen; Gedanken sind geradezu Produkte real-historischer Prozesse; aufgrund der notwendigen wechselseitigen Verknuepfung von Gedanken und Geschichte sind Gedanken ohne Geschichte Ungedanken, ist Geschichte ohne Gedanken Ungeschichte. Durch einen derartigen Konnex von Philosophie und Geschichte wird verblasenem Denken und theoretischer Willkuer begegnet. Prof. Flasch forderte daher staendig dazu auf, die Philosophie solle vornehmlich praktisch sein, solle sich den aktuell anstehenden Problemen stellen, um fuer Krisen bis hin zu Kriegen nach Loesungen zu suchen, dies jedoch nicht als Ordinarius, sondern als engagierter Feuilletonist, der seine Leser anhielt, hinter der Fassade des Plaudertons die ernsthaften Aussageinten-tionen zu sehen, sie zu ueberdenken und fuer die eigene Praxis fruchtbar werden zu lassen. Wissenschaftlich wird mit Prof. Flaschs Namen auch weiterhin verbunden sein: das Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi, ein Projekt, das der kritischen Edition und der Interpretation von philosophischen Texten aus dem mittelalterlichen Deutschland gewidmet ist, und die Reihe Bochumer Studien zur Philosophie.


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