idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
07/05/2000 16:05

RUB-Juristen diskutieren aktuelle Themen

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Dass Jura alles andere als trocken ist, beweisen zwei Projekte der RUB-Rechtwissenschaftler: Mit kniffligen Fragen rund um den umstrittenen "Doppelpass", die doppelte Staatsbürgerschaft für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern, beschäftigt sich Prof. Friedrich E. Schnapp (Öffentliches Recht II): Obwohl das Gesetz nicht verfassungswidrig ist, deckt er einige Lücken auf, die der Gesetzgeber übersehen hat. Die wachsende Rolle von Bildern im nach wie vor textdominierten Bereich des Rechts ist Thema des Projekts "Visuelle Rechtskommunikation" von Prof. Klaus F. Röhl und Stefan Ulbrich (Rechtssoziologie und Rechtsphilosophie). Die Bilderflut, die sich mit den elektronischen Medien ins Recht geschlichen hat, personalisiert, skandalisiert und weckt bei den Klienten Erwartungen. Über beide Projekte und mehr berichtet RUBIN 1/2000 - Wissenschaftsmagazin der RUB, das soeben erschienen ist.

    Bochum, 05.07.2000
    Nr. 185

    RUBIN 1/2000: Wie Bilder sich ins Recht einschleichen
    Viel Lärm um den "Doppelpass" und die Verfassung
    RUB-Juristen diskutieren aktuelle Themen

    Dass Jura alles andere als trocken ist, beweisen zwei Projekte der RUB-Rechtwissenschaftler: Mit kniffligen Fragen rund um den umstrittenen "Doppelpass", die doppelte Staatsbürgerschaft für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern, beschäftigt sich Prof. Friedrich E. Schnapp (Öffentliches Recht II): Obwohl das Gesetz nicht verfassungswidrig ist, deckt er einige Lücken auf, die der Gesetzgeber übersehen hat. Die wachsende Rolle von Bildern im nach wie vor textdominierten Bereich des Rechts ist Thema des Projekts "Visuelle Rechtskommunikation" von Prof. Klaus F. Röhl und Stefan Ulbrich (Rechtssoziologie und Rechtsphilosophie). Die Bilderflut, die sich mit den elektronischen Medien ins Recht geschlichen hat, personalisiert, skandalisiert und weckt bei den Klienten Erwartungen. Über beide Projekte und mehr berichtet RUBIN 1/2000 - Wissenschaftsmagazin der RUB, das soeben erschienen ist.

    "Doppel-Pass": Von Nur-Deutschen und Auch-Deutschen

    Viel Wind gemacht hat die Diskussion um das Staatsangehörigkeitsrecht, bevor das neue Gesetz zum 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist. Seitdem erhalten alle Kinder, die in Deutschland geboren werden, wenn mindestens ein Elternteil seit wenigstens acht Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, zwei Pässe: die deutsche und die ausländische Staatsbürgerschaft. Spätestens an ihrem 18. Geburtstag müssen sie sich dann für eine Staatsangehörigkeit entscheiden und verlieren die andere. Doch kaum ist das Gesetz verabschiedet, werden auch schon Proteste laut: Die einen meinen, der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, wenn die betroffene Person sich für den ausländischen Pass entscheidet, sich bis zum 23. Geburtstag nicht äußert oder nicht beweist, dass sie die ausländische Staatsangehörigkeit für die deutsche aufgegeben hat, sei verfassungswidrig - es handele sich hierbei um eine Art Zwangsausbürgerung, wie sie durch das Grundgesetz verboten ist. Andere fürchten mangelnde Loyalität dem deutschen Staat gegenüber und schließen sich der verbreiteten Meinung an, dass der Grundsatz der ausschließlichen Staatsangehörigkeit in der Verfassung festgelegt sei. Auch für die verantwortungsbewusste Ausübung der Staatsgewalt sei die ausschließliche Staatsbürgerschaft unerlässlich, da nur so die Angehörigkeit zur "Schicksalsgemeinschaft" gegeben sei - angesichts der langen Aufenthaltszeiten von Ausländern in Deutschland (Ende 1998 lebten über die Hälfte von ihnen seit mehr als zehn Jahren hier) und der wachsenden Kooperation der EU-Staaten stehen solche Einwände jedoch auf wackligen Füßen.

    "Doppel-Pass": die heiklen Fälle werden Ärger machen

    Dennoch tun sich bei genauer Betrachtung der Regelung einige Lücken auf: Wie groß der Aufwand der Landesregierung für die Überwachung der Optionspflicht von Doppelpassinhabern sein wird, ist kaum abzusehen. Ebenso unübersichtlich ist das vermutliche Aufkommen an Gerichtsprozessen um Fragen der Mehrstaatigkeit - zu viele auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe im neuen Gesetz bieten hier Streitstoff. Ein heikler Fall tritt auch dann ein, wenn zweistaatige Eltern unter 23 Jahren in Deutschland Kinder bekommen: Diese Kinder sind dann Deutsche, ohne der Optionspflicht zu unterliegen.

    "Bilder im Recht": Ein Rechtsbuch ist kein Bilderbuch

    Recht ist vor allem Text - aber das war nicht immer so: Im Mittelalter war ein Buch noch ein Gesamtkunstwerk und Rechtsbücher waren illustriert. Mit Erfindung des Holzschnitts und des Drucks wurden in Büchern die mittelalterlichen Bilder nachgeahmt. Allerdings ging der Bildgebrauch schnell zurück und gipfelt in der heutigen Bilderlosigkeit. Jedoch ist das Bild gegenüber der Schrift wieder auf dem Vormarsch: Film und Fernsehen bemächtigen sich gern des Stoffs der Gerichtsverfahren, vor allem in den USA. Durch die elektronische Datenverarbeitung wird auch Text zum Schriftbild, und wer mit Zahlen etwas aussagen will, der verbildlicht sie in Kurven und Diagrammen. Auch Symbole finden sich im Recht, z. B. in Form von Straßenverkehrszeichen. Beim Einsatz von Videotechnik sind wiederum die USA den Deutschen voraus: Dort zeichnet man z. B. Vertragsabschlüsse und Testamentserrichtungen auf, und Anwälte versuchen die Jury anhand von Videotechnik zu überzeugen. Doch auch hierzulande wird sicherlich eines Tages der multimediale Gerichtssaal Realität - er hat ja auch Vorteile: Videokonferenzen könnten etwa Anreisewege ersparen, und der Zeugenschutz würde erleichtert, wenn die Zeugen nicht persönlich im Saal erscheinen müssten.

    "Bilder im Recht": Wie Bilder schützen, lügen und veralten

    Wie aber werden die Auswirkungen der Bildernutzung auf das Rechtssystem aussehen? Bilder wirken mehr als Schrift als Blickfang oder Ablenkung, sie dienen als Gedächtnisstütze und mobilisieren das Schemawissen: Zeugen berichten mitunter von Details, die sie nicht beobachtet sondern aus ihrem Schemawissen ergänzt haben. Und trotz des Bewusstseins, dass Bilder lügen können, genießen sie noch immer das Vertrauen des Publikums. Die herausragende Eigenschaft der Schrift dagegen ist die Abstraktion. Wird sie durch die Verwendung von Bildern reduziert, wird es vermutlich zu einer Dominanz des einzelnen Falls und zu einer Personalisierung von Entscheidungen kommen: Das Fernsehen z. B. verringert die Distanz zwischen Jurist und Entscheidung, ein Urteil wird allein dem Richter zugeordnet. Bilder dienen im Zusammenhang mit "Soft Law"-Fällen - Fragen, die z. B. die Menschenrechte oder den globalen Umweltschutz betreffen - zur Skandalisierung. Wie in den USA wird durch Bilder das Recht vermutlich auch hier zur medienwirksamen Story - der Trend geht zum "Court-Room-Drama". Und nicht zuletzt veralten Bilder im digitalen Zeitalter schneller als Schrift, ihre Aktualität ist dem Recht, das auf Dauer angelegt ist, fremd. Wird das Rechtssystem also an Bedeutung verlieren, weil es die Signale der Bilderflut nicht aufnehmen kann?

    RUBIN 1/2000 erschienen

    Die vollständigen Beiträge lesen Sie bitte in RUBIN 1/2000, wo Sie außerdem folgende Artikel finden: Überleben ohne Amputation, Schlaganfall, schnell und sicher diagnostiziert, Den Genozid überleben: Trauma und Zeugnis, Vergangenheitspolitik - Die Produktivität der Verdrängung?, Mini-Kreisverkehr: "Eine runde Sache", Bis das Getriebe kracht: Statistik ersetzt teure Tests.

    Weitere Informationen

    Prof. Dr. Klaus F. Röhl, Stephan Ulbrich, Juristische Fakultät der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-25266/32-22054
    Prof. Dr. Friedrich E. Schnapp, Juristische Fakultät der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-22239


    More information:

    http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rubin.htm


    Images

    Criteria of this press release:
    Information technology, Law, Media and communication sciences, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).