FSU-Mediendienst
Routenplanung mit einem 4-Hirn-System
Der Computer denkt, der Mensch waehlt aus
Jena (16.04.98) Die kuerzeste Verbindung von A nach B zu kennen, kann Zeit, Treibstoff und damit Geld sparen. Speditionen und Transportunternehmen haben meist teure Planungsprogramme, die die ideale Strecke ausknobeln. Fuer den Heimgebrauch existieren Routenplaner schon in der Preisklasse um 50 DM. Drei dieser PC-Programme hat jetzt Torsten Dettborn, der im 6. Semester Wirtschaftsmathematik an der Universitaet Jena studiert, getestet. "Power Route 2", "D-Atlas 97" und "Street Pilot" wurden miteinander verglichen. "Die Programme haben noch soviele Macken, dass man sich nicht auf eines allein verlassen kann", fasst Prof. Dr. Ingo Althoefer die Ergebnisse des von ihm betreuten Projekts zusammen.
Alle Routenplaner weisen Programm-, Karten- und Optimierungsfehler auf, hat Dettborn herausgefunden. Autobahnauffahrten, bei denen man zum Geisterfahrer wuerde, gehoeren ebenso zu den Routenempfehlungen wie Strassen, die sich in der Realitaet als Treppen erweisen. Fuer den Vergleich hat sich Dettborn auf die Frage nach der kuerzesten Strecke beschraenkt. Bei der Frage nach der schnellsten Verbindung sind die drei Programme nicht miteinander vergleichbar, da sie unterschiedliche Voreinstellungen benoetigen, die das Ergebnis verzerren wuerden. Doch die kuerzeste Streckenempfehlung weicht manchmal deutlich von der Fahrrealitaet ab: So raten alle Programme, vom Kirchheimer Dreieck nach Jena auf der B7 zu fahren - die A4 ist einige Kilometer laenger. Aufgrund der Ergebnisse raet Prof. Althoefer daher: "Fuer Privatnutzer ist es am besten, keines der Programme zu kaufen".
Doch dem Jenaer Mathematik-Professor geht es nicht um einen Produkttest, sondern um die Verbesserung der Programmvorschlaege. Was ihm beim Schach mit Hilfe von zwei Computern gelang, sein 3-Hirn-System besiegte bereits mehrere Schachgrossmeister, will er nun auf Routenplaner uebertragen. Der Mensch kombiniert verschiedene Computervorschlaege und erzielt damit bessere Ergebnisse als er alleine oder der Computer einzeln. Konkret heisst das bei der Streckenplanung: Torsten Dettborn hat die drei Programme auf drei Rechnern gleichzeitig laufen lassen und aus verschiedenen Varianten die guenstigste ausgesucht. Bei der Tour beispielsweise von der Theodor-Storm-Strasse in Husum zur Albert-Ein-stein-Strasse in Rostock schlugen die PC-Programme kuerzeste Strecken von 262,2 km, 264,9 km und 271,9 km vor. Dettborn setzte beim Vergleich der vorgeschlagenen Routen mehrere Zwischenpunkte und verkuerzte damit die Strecke auf 254,8 km - eine Einsparung von 4 %. Im Durchschnitt kann der Mensch bei Distanzen von rund 300 km die vorgeschlagenen Routen um 1,5 % bis 2 % verkuerzen, wenn er bei der Planung mehrere Programme nebeneinander einsetzt, lautet sein Fazit. Im Ruhrgebiet sind allerdings Einsparungen von ueber 10 % keine Seltenheit. Dennoch ist den angewandten Mathematikern klar, dass sich der Aufwand fuer den praktischen Einsatz bisher nicht lohnt. Fuer die Optimierung einer 300 km-Strecke braucht Dettborn rund 90 Minuten - diese Rechenzeit kostet ein Unternehmen meistens mehr Geld als die zuviel gefahrenen Kilometer. Gemeinsam mit seinen drei Computern kann Dettborn aber fast jede Strecke verkuerzen. "Das 4-Hirn-Prinzip ist auf jeden Fall besser als jedes der einzelnen Programme", steht fuer den Studenten fest.
Hier will auch Ingo Althoefer anknuepfen. Der Mathematiker beantragt gerade ein Projekt bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, mit dem seine Mensch+Computer-Ansaetze weiter erforscht werden sollen. Einsaetze in der Medizin schweben ihm ebenso vor wie solche in der Computational Biology, der Linguistik und auch der Juristerei.
Doch Althoefers Ansatz hat auch eine psychologische Komponente: "Es scheint bei fast allen Menschen eine grosse Abneigung zu geben, sich vor zwei Computer gleichzeitig zu setzen." "Vielleicht werden in der Zukunft Wege gefunden", hofft er, "diese Hemmschwelle auf ein vernuenftiges Mass zu senken".
Criteria of this press release:
Mathematics, Physics / astronomy
transregional, national
Research projects
German
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